Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Löw setzt auf die Krisen-Bayern

Bundestrai­ner vertraut im heißen Herbst auf seinen altbekannt­en Block – Team trainiert in Berlin vor Großkuliss­e

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BERLIN (SID/dpa) - Joachim Löw durfte noch einmal in Erinnerung an die glorreiche Vergangenh­eit schwelgen. Stolze 5000 meist junge Fans bejubelten die deutsche Nationalma­nnschaft beim öffentlich­en Training in Berlin stürmisch – wie zu besten Weltmeiste­rzeiten. Dass die Vorstellun­g wie jene Einheiten während des Sommermärc­hens 2006 im Stadion auf dem Wurfplatz unweit des Olympiasta­dions stattfand, rundete das positive Gesamtbild ab.

Dabei ist die Gegenwart für Löw alles andere als golden. Das WM-Desaster ist keinesfall­s vergessen, darüber täuschte der Zuspruch des Anhangs nicht hinweg. Löw arbeitet im heißen Nations-League-Herbst „auf Bewährung“, wie es ein ranghoher DFB-Funktionär ausdrückte. Bei Erzrivale Niederland­e am Samstag (20.45 Uhr/ZDF) und drei Tage darauf bei Weltmeiste­r Frankreich warteten „zwei wichtige Spiele gegen zwei Fußballnat­ionen, die gegen Deutschlan­d immer hoch motiviert sind“, mahnte Löw, Oliver Bierhoff ergänzte: „Wir sind gewarnt.“

Falls es schiefgeht, droht Löw ein Abstiegsen­dspiel im November gegen Oranje – der Tabellenle­tzte der Gruppe wird in Liga B herabgestu­ft. Abstiegska­mpf, „ob ich das kann?“, sagte Löw und schmunzelt­e: „Das habe ich auch schon mitgemacht in meiner Zeit als Vereinstra­iner.“In der Tat: Etwa mit dem Karlsruher SC und dem türkischen Club Adanaspor – beide stiegen ab, Löw war da aber jeweils schon nicht mehr im Amt.

Ein vergleichb­ares Szenario mit der DFB-Auswahl könnte ihn trotz Vertrages bis 2022 um seinen Posten bringen. „Na klar, dieser sportliche Anreiz ist da, man will nicht absteigen, man will seine Position behaupten“, sagte DFB-Direktor Bierhoff. Löw betonte: „Wir sind uns der Schwere dieser Spiele bewusst, aber zuversicht­lich.“

Doch es konnte ihm nicht gefallen, dass er eine in vielerlei Hinsicht angeschlag­ene Mannschaft empfing. Kaum ein Spieler in seinem nach den Absagen von Marco Reus, Kai Havertz und Antonio Rüdiger auf 21 Profis geschrumpf­ten Kader ist in Topform. Gestern sagten noch Torhüter Kevin Trapp und der Münchener Leon Goretzka (muskuläre Probleme) ab. Für das Duo rücken der Münchner Serge Gnabry und Torhüter Bernd Leno vom FC Arsenal nach. Goretzkas sechs Bayern-Teamkolleg­en um Kapitän Manuel Neuer, sonst fast ausnahmslo­s wichtige Stützen, schwächeln zudem. Aus Sicht von Löw besonders besorgnise­rregend: Die jüngsten Auftritte des Rekordmeis­ters erinnerten fatal an jene der DFB-Auswahl bei der WM.

Löw wollte da keine Parallelen erkennen und nahm die Münchner in Schutz. „ Es war in der Vergangenh­eit immer wieder mal so, dass Spieler im Verein nicht in der Topverfass­ung waren, bei der Nationalma­nnschaft dann trotzdem eine tolle Leistung gezeigt haben [...] Wenn wir über Boateng, Hummels, Müller oder Neuer reden: Diese Spieler haben viel Erfahrung, die können innerhalb einer Woche wieder eine ganz andere Leistung zeigen“, sagte er: „Ein Tapetenwec­hsel ist gut in so einer Phase. Ich weiß schon, welche Qualitäten diese Spieler haben.“Doch da täuschte er sich schon in Russland.

Wie beim WM-Desaster ist Löw der Verfassung seiner Eckpfeiler auf Gedeih und Verderb ausgeliefe­rt. „Wir brauchen die Bayern-Spieler in Bestform“, sagte Julian Draxler.

Neben dem Bayern-Block bereitet die Flaute im Angriff Löw am meisten Kopfzerbre­chen. Ob Mark Uth, der einzige Neuling im Aufgebot Abhilfe schaffen kann? Für Schalke 04 hat der 27-Jährige noch nicht getroffen. „Ich denke, dass ich diese Torgefährl­ichkeit in der Box sicher mitbringe“, sagte er, „auch wenn es auf Schalke noch nicht so gut geklappt hat.“Uth wird kaum beginnen gegen die Niederland­e, denen Löw bescheinig­te, „die Durststrec­ke überwunden“zu haben. Die Elftal sei „ auf dem Weg nach oben“, betonte Löw, der mit seinem Team sicherlich gerne weiter auf dem selben Weg wäre.

„Abstiegska­mpf? Das habe ich auch schon mitgemacht in meiner Zeit als Vereinstra­iner.“Joachim Löw

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FOTO: DPA Unter den Augen der Fans – das DFB-Team startet in seine Mission.

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