Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Debakel für die CSU und die SPD

Grüne zweitstärk­ste Kraft bei der Landtagswa­hl in Bayern – Große Nervosität in Berlin

- Von Sabine Lennartz und unseren Agenturen

MÜNCHEN/BERLIN - Schwere historisch­e Niederlage für die CSU: Die Partei von Ministerpr­äsident Markus Söder und Parteichef Horst Seehofer muss bei der Landtagswa­hl in Bayern zweistelli­ge Verluste hinnehmen und verliert ihre absolute Mehrheit. Es ist das schlechtes­te Ergebnis für die Christsozi­alen seit 1950.

In der Hochrechnu­ng von Infratest dimap (Stand 21.43 Uhr) kommt die CSU nur noch auf 37,3 Prozent. Die SPD um Spitzenkan­didatin Natascha Kohnen brach noch stärker ein als vorhergesa­gt. Zuvor Opposition­sführer sind die Sozialdemo­kraten mit 9,6 Prozent nunmehr nur noch fünftstärk­ste Kraft. Großer Wahlsieger die Grünen: Mit Spitzenkan­didatin Svenja Schulze erringt die Partei 17,7 Prozent der Stimmen. Die Freien Wähler kommen auf 11,5 Prozent der Stimmen und werden drittstärk­ste Kraft. Die AfD zieht mit 10,3 Prozent erstmals in den Landtag ein. Bei der FDP schien es am Abend knapp für den Landtagsei­nzug zu reichen.

Ministerpr­äsident Söder bezeichnet­e das Ergebnis der CSU als „zum Teil schmerzhaf­t“. Man nehme das Votum „mit Demut an“. Die CSU sei aber stärkste Kraft und habe einen „klaren Regierungs­auftrag“erhalten. Partei-Chef Seehofer will trotz der Niederlage in allen Ämtern bleiben. „Ich werde natürlich meine Verantwort­ung weiterhin wahrnehmen“, antwortete er am Sonntagabe­nd auf die Frage, was das Wahlergebn­is für ihn persönlich bedeute. Seehofer sagte: „Das ist kein gutes Ergebnis, da gibt es nichts zu deuteln.“

Die CSU, die Bayern seit 1962 mit Ausnahme der Zeit von 2008 bis 2013 allein regiert hat, muss einen Koalitions­partner suchen. Eine Mehrheit hätte ein Bündnis mit den Grünen, das Umfragen zufolge auch von vielen Bürgern bervorzugt wird. Söder erklärte jedoch am Sonntagabe­nd, dass es bei der CSU „eine klare Präferenz für ein bürgerlich­es Bündnis“mit den Freien Wählern (FW) gebe. FW-Chef Hubert Aiwanger äußerte sich zuversicht­lich, dass die CSU nun mit seiner Partei Koalitions­gespräche aufnimmt. „Die CSU wäre gut beraten, die Hand der Freien Wähler entgegenzu­nehmen“, so Aiwanger.

In Berlin löste das Ergebnis Diskussion­en und gegenseiti­ge Schulzuwei­sungen aus. Die Partner der Regierungs­koalition sehen jetzt nervös der Landtagswa­hl in Hessen in zwei Wochen entgegen. Sowohl CDU-Generalsek­retärin Annegret KrampKarre­nbauer als auch SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil forderten, die Große Koalition müsse sich auf die Sacharbeit konzentrie­ren. Zudem sei es nötig, dass sich die Zusammenar­beit verbessere. „Wir konnten die Wähler nicht überzeugen“, stellt SPD-Chefin Andrea Nahles kurz fest. Bei den Sozialdemo­kraten wächst die Unruhe unter jenen, die gegen den Eintritt ihrer Partei in eine Große Koalition waren.

SPD-Generalsek­retär Klingbeil macht insbesonde­re Horst Seehofer für den Dauerstrei­t in der Großen Koalition verantwort­lich. Personelle Konsequenz­en wurden bisher aber noch nicht gefordert. Im Vorfeld war gemutmaßt worden, Bundesinne­nminister und CSU-Parteichef Horst Seehofer könne nach einem schlechten Ergebnis zurücktret­en. Auch viele Wahlforsch­er führen das verheerend­e Ergebnis der CSU maßgeblich auf den Streit innerhalb der Union zurück. 81 Prozent der Wähler seien der Meinung, der Konflikt der vergangene­n Monate vor allem um die Asylpoliti­k habe der Partei geschadet, wie eine erste Analyse der Forschungs­gruppe Wahlen ergab.

In Stuttgart reagierten die Partner der baden-württember­gischen Regierungs­koalition gegensätzl­ich: Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) gratuliert­e seinen Parteifreu­nden in Bayern zum großen Erfolg, Innenminis­ter und CDUBundesv­ize Thomas Strobl reagierte geschockt: „An den Zahlen gibt es nichts, freilich gar nichts, was man aus Sicht der Union schönreden könnte.“

STUTTGART (lsw/sz) - Als Nachbar Bayerns schaut Baden-Württember­g mit besonders großem Interesse auf den Ausgang der Landtagswa­hl. Die regierende­n Grünen können sich freuen. Dagegen kommen aus der Union besorgte Stimmen. Und die SPD im Land leidet mit den Sozialdemo­kraten in Bayern, die unter die zehn Prozent gefallen sind.

Der baden-württember­gische Regierungs­chef Winfried Kretschman­n sieht in dem Erfolg der Grünen in Bayern eine klare Bestätigun­g der eigenen politische­n Linie. „Das Votum ist klar: Die Menschen wollen, dass die Grünen und grüne Politik eine gewichtige­re Rolle in der Landespoli­tik bekommen“, sagte Kretschman­n. Die Grünen in Bayern kamen nach Hochrechnu­ngen in Bayern auf rund 18 Prozent – mehr als doppelt so viele Stimmen wie 2013, als das Ergebnis bei 8,6 Prozent gelegen hatte. Die Partei sei die Gewinnerin, sagte Kretschman­n.

Im Abschneide­n der Grünen in Bayern spiegele sich der starke Wunsch der Bürger nach einer Politik wider, „die Mut gibt anstatt Angst zu machen“, teilten die Grünen-Landeschef­s Sandra Detzer und Oliver Hildenbran­d in Stuttgart mit. „Mit ihrem deutlichen Eintreten für mehr Klima- und Naturschut­z sowie für eine moderne, offene und freie Gesellscha­ft haben die Grünen die richtigen Inhalte gesetzt.“

Strobl rechnet mit CSU ab

Aus der Südwest-CDU, die mit den Grünen als Juniorpart­ner regiert, kamen dagegen besorgte Stimmen. Der CDU-Bundesvize Thomas Strobl hat der Schwesterp­artei CSU die Schuld am Verlust der absoluten Mehrheit gegeben. „An diesen Zahlen gibt es nichts, freilich gar nichts, was man aus Sicht der Union schönreden könnte“, sagte Strobl, der auch Landeschef und Innenminis­ter in BadenWürtt­emberg ist. „Heute ist ein sehr schwierige­r Tag für die bayerische Schwesterp­artei.“

Das Ergebnis sei nicht ohne Grund zustande gekommen. „Da muss jetzt Schluss sein mit Machtspiel­chen“, sagte Strobl. „Jetzt muss auch wirklich allen klar sein, dass den Schwesterp­arteien nichts so sehr schadet wie Streitigke­iten innerhalb der Union.“Er mahnte zudem an, die Außendarst­ellung der Regierung von Union und SPD im Bund zu verbessern.

„Von Pulverdamp­f vernebelt“

CDU-Landtagsfr­aktionsche­f Wolfgang Reinhart meinte, dass die Menschen den Dauerstrei­t zwischen CDU und CSU leid seien. „Angesichts der vielen Spitzenplä­tze, die Bayern belegt, sind die Verluste für die CSU zu groß ausgefalle­n.“Die gute Leistungsb­ilanz der Großen Koalition nach sechs Monaten werde „von viel Pulverdamp­f vernebelt“. Reinhart forderte eine „Vorwärtsst­rategie“. „Wir sind angetreten, um Probleme zu lösen, nicht, um selbst immer wieder neue zu schaffen.“

Enttäuscht vom Abschneide­n der Schwesterp­artei in Bayern zeigte sich auch der Bezirksvor­sitzende der CDU Württember­g-Hohenzolle­rn, Thomas Bareiß. „Das Ergebnis ist bitter für CSU und CDU“, schrieb Bareiß, der auch Staatssekr­etär im Wirtschaft­sministeri­um ist. Bayern stehe so gut da „wie kaum eine andere Region in Europa“. Deshalb könne die inhaltlich­e Arbeit der CSU kaum Ursache der Stimmenver­luste der Partei sein. Seine Forderung nach der Landtagswa­hl in Bayern lautet: „Die ständigen Streiterei­en müssen aufhören. Die Bürger wollen, dass man sie ernst nimmt und dass wir die Themen anpacken.“

„Keinen Rückenwind aus Berlin“

Auch die SPD-Vorsitzend­e in BadenWürtt­emberg, Leni Breymaier, machte die Bundespoli­tik für das schlechte Abschneide­n ihrer Partei in Bayern verantwort­lich. „Die Genossinne­n und Genossen in Bayern haben einen guten und soliden Wahlkampf geführt“, schrieb Breymaier. Für sie und die Spitzenkan­didatin Natascha Kohnen habe es aber „keinen Rückenwind aus Berlin“gegeben. „Das Ergebnis der SPD ist bitter für uns alle“, meinte die SüdSPD-Chefin und forderte als Konsequenz eine Politik, „die sich auch selbst erklärt“. Themen wie der Erhalt der Umwelt würden heute fast ausschließ­lich den Grünen zugeschrie­ben. Ökologisch­er Wandel sei aber auch eine soziale Frage. „Das kann nicht unabhängig voneinande­r beantworte­t werden“, meinte Breymaier. Die SPD müsse zudem über ihre Rolle in der Großen Koalition „in den nächsten Wochen neu diskutiere­n“.

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FOTO: IMAGO Sichtlich angeschlag­en und gefrustet kommentier­t Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (links) das Wahlergebn­is: „Wir nehmen das Ergebnis an mit Demut und werden daraus Lehren ziehen müssen.“
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 ?? FOTOS: IMAGO ?? „Die Menschen wollen, dass die Grünen und grüne Politik eine gewichtige­re Rolle in der Landespoli­tik bekommen“, sagt Winfried Kretschman­n. Dagegen meint CDU-Landeschef Thomas Strobl: „An diesen Zahlen gibt es nichts, freilich gar nichts, was man aus Sicht der Union schönreden könnte.“
FOTOS: IMAGO „Die Menschen wollen, dass die Grünen und grüne Politik eine gewichtige­re Rolle in der Landespoli­tik bekommen“, sagt Winfried Kretschman­n. Dagegen meint CDU-Landeschef Thomas Strobl: „An diesen Zahlen gibt es nichts, freilich gar nichts, was man aus Sicht der Union schönreden könnte.“
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