Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Nahles lehnt personelle Änderungen ab

SPD-Chefin will weitermach­en und pocht auf Koalitions­fahrplan

- Von Mathias Puddig

BERLIN - Andrea Nahles gibt nicht auf. Als sie am Montagnach­mittag ins Atrium des Willy-Brandt-Hauses kommt, hat die SPD-Chefin sogar ein Lächeln auf den Lippen – und das am Tag nach dem Hessen-Debakel. Was Nahles lächeln lässt, versteckt sie nur notdürftig in ein paar warmen Worten über die scheidende CDUVorsitz­ende: So erinnert die SPDChefin daran, dass Angela Merkel „als erste Frau in diese Aufgabe“gewählt und „damals immer wieder von den Männern – auch in den Medien – belächelt oder für schwach erklärt“worden sei.

Nahles spricht über Merkel – und meint doch sich selbst. Und in dieser rhetorisch­en Spiegelung macht sie gleich noch eine deutliche Ansage an alle Genossen, die sie vom Vorsitz verdrängen wollen: „Sie hatte den stärkeren Willen und meistens auch die besseren Nerven als ihre innerparte­ilichen Kritiker.“

Wechsel an CDU-Spitze begrüßt

Angela Merkel mag sich jetzt, nach 18 Jahren, ihren Widersache­rn gebeugt haben, Nahles ist trotz aller Probleme in Partei und Regierung nach einem halben Jahr noch nicht dazu bereit. Im Gegenteil: Sie sagt, sie begrüße den bevorstehe­nden Wechsel an der CDU-Spitze, weil sie hoffe, dass die Konflikte beim Koalitions­partner damit beendet werden können. Ansonsten will sie mit der Personalie aber nichts zu tun haben. „Wir haben eigene Hausaufgab­en zu machen“, sagt sie und formuliert etwas ungelenk: „Eine personelle Neuaufstel­lung ist nicht in Rede in der SPD.“

Stattdesse­n will sie nach vorn blicken und hat, wie schon am Sonntag angekündig­t, einen Fahrplan vorgelegt, der das Handeln von Partei und Regierung für die kommenden zwölf Monate festlegen soll. „Wir erwarten von der Union, dass sie ihre inhaltlich­en und personelle­n Konflikte schnell löst“, heißt es darin unter anderem. Die Genossen geben dem Koalitions­partner Zeit bis Dezember – also bis zum CDU-Parteitag. Zudem gibt es im Nahles-Fahrplan eine Liste von Gesetzen und dazugehöri­gem Termin. So soll beispielsw­eise das Gute-Kita-Gesetz noch in diesem Jahr verabschie­det werden. Daran allerdings zweifelte sowieso kaum jemand. Bei einer Vorstandsk­lausur am 4./5. November soll der Koalitions­fahrplan für eine bessere Arbeitswei­se beschlosse­n werden. Er soll konkrete Zeitpläne enthalten, bis wann welche Projekte beschlosse­n werden.

Vielen reicht das nicht

Vielen in der Partei reicht das nicht. Sie verlangen etwa, dass Hans-Georg Maaßen endlich die Spitze des Verfassung­sschutzes verlässt, und sie wollen auch, dass Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) zurücktrit­t – beides erwähnt Nahles’ Plan nicht. Zwar ist die Rede davon, dass der Erneuerung­sprozess beschleuni­gt werden soll. Einigen ist aber selbst das zu langsam. Juso-Chef Kevin Kühnert verlangte am Montag, den für Ende 2019 geplanten SPD-Parteitag auf das Frühjahr vorzuziehe­n. Dort sollen dann auch nicht nur inhaltlich­e Positionen geklärt werden. Auch die Parteispit­ze müsse sich zur Wiederwahl stellen, fordert Kühnert. Parteilink­e rund um den Bundestags­abgeordnet­en Marco Bülow und die Flensburge­r Oberbürger­meisterin Simone Lange verlangten gar den Austritt aus der Koalition und den Rücktritt der gesamten Parteispit­ze – und zwar sofort. „Wir brauchen einen radikalen Neuanfang“, heißt es in einem Aufruf, den die Gruppe am Montag verschickt­e. Dass es dazu kommt, ist allerdings unwahrsche­inlich. Denn Andrea Nahles hat sich mit ihrem Fahrplan auch Zeit gekauft.

Für Kühnert ist das Urteil klar

Was jedoch passiert, wenn diese Zeit abläuft, da gehen die Meinungen in der SPD sehr weit auseinande­r. Während für Kühnert feststeht, dass das Urteil über die Große Koalition schon „final gesprochen“wurde, hofft Nahles noch auf eine Fortsetzun­g der Regierung. „Entweder findet die Koalition die Kraft, die großen Fragen zu adressiere­n”, sagt sie und spart das „Oder“einfach aus. Als dann doch jemand bei Nahles nachhakt, wie diese Alternativ­e zum „Entweder“denn aussehen könnte, erklärt sie nur knapp: „Mir fehlt die Fantasie, zu glauben, dass wir keine Lösung finden.“

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FOTO: DPA Die SPD-Bundesvors­itzende Andrea Nahles begrüßt den bevorstehe­nden Wechsel an der CDU-Spitze.

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