Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Bahnüberga­ng sorgt für Frust und Ärger

Sanierung verschiebt sich noch mindestens bis zum 5. November – Anwohner sauer

- Von Andreas Spengler

SCHEMMERBE­RG - Hubert Glocker sagt: „Mein Adrenalins­piegel ist auf einem Höhepunkt.“Eine Sache, die ihn besonders ärgert: Er sehe die Arbeiter am Bahnüberga­ng in Schemmerbe­rg meist mit den Händen in den Hosentasch­en. „Sieben Leute mit Händ’ im Sack ist halt noch nicht g’schaffd“, schimpft er. Der Geschäftsf­ührer der Elektrotec­hnikfirma im Schemmerbe­rger Gewerbegeb­iet ist leidgeprüf­t, seitdem der Bahnüberga­ng im Ort gesperrt und dadurch die einzige Anbindung zum Hauptort dicht ist. Jetzt verschiebt sich die Sperrung nochmals, laut Bahn bis Montag, 5. November. Vor allem für die Unternehme­n in Schemmerbe­rg hat das zum Teil drastische Konsequenz­en.

„Mir schmeißt die Sperrung meinen Arbeitsabl­auf total durcheinan­der“, erzählt Glocker und deutet auf seine Regale, in denen eigentlich Kabeltromm­eln stehen sollten. Doch an manchen Stellen klafft ein Loch, auch weil Zulieferer zum Teil nicht rechtzeiti­g durchkamen. Für eine Raupe wollte Glocker einen Klemmkaste­n ausliefern, doch die benötigten Spezialste­cker wurden nicht rechtzeiti­g geliefert. Vier Monate habe die Lieferzeit betragen, am letzten Tag habe der Paketdiens­t gesagt, den etwa zehn Kilometer langen Umweg schaffe er heute nicht mehr. „Unsere Kunden haben aber kein Verständni­s, wenn ihr Fahrzeug nicht rechtzeiti­g ausgeliefe­rt werden kann, weil ein Teil davon fehlt.“

Anwohner und Kunden verärgert

Viele seien verärgert: Kunden, Schemmerbe­rger, andere Unternehme­n, alles „Brüder im Leid“, wie Glocker sagt. Aber „die von der Bahn“kümmerten sich nicht darum. „Dass die Arbeiten notwendig sind, ist mir klar“, sagt er. Nur die Zeitdauer sei nicht mehr verhältnis­mäßig. „Meine Frau und ich arbeiten dann zum Teil bis nachts um zwei, um alles fertig zu bekommen.“

Bereits Anfang des Jahres war bekannt geworden, dass der Bahnüberga­ng aufwendige­r saniert werden muss: Der Zeitraum hatte sich mehrmals verschoben, zunächst weil sich der Untergrund bei den Zufahrtsst­raßen schlechter entpuppt hatte als erwartet. Dann kollidiert­e der Zeitraum mit der Straßensan­ierung in Schemmerho­fen und musste um eine weitere Woche nach hinten geschoben werden. Jetzt kam erneut die Meldung der Deutschen Bahn. „Auch wenn der Übergang optisch fertig aussieht, kann er leider noch nicht in Betrieb genommen werden“, teilt eine Bahnsprech­erin schriftlic­h auf SZNachfrag­e mit. „Es müssen noch Zäune und Geländer an den Schranken und Umlaufsper­ren für die Fußgänger angebracht werden sowie sicherheit­srelevante Hinweissch­ilder. Auch fehlt noch die komplette Straßenmar­kierung.“Ohne die dürfe ein Bahnüberga­ng aus Sicherheit­sgründen nicht in Betrieb gehen. Die Schrankena­nlage sei bereits in den vergangene­n Tagen durch Techniker und Prüfer abgenommen worden.

Bauleiter Karl Brändle von der ausführend­en Firma Geiger und Schüle überblickt von seinem Bürocontai­ner aus den Bahnüberga­ng. Er sagt: „Mir ist klar, dass die Leute sauer sind.“Aber die Kritik könne er nicht ganz nachvollzi­ehen. „Wir haben geschafft wie die Brunnenput­zer.“In der Regel seien etwa zwölf Arbeiter meist rund um die Uhr auf der Baustelle. Allerdings finden die Arbeiten nicht nur am Bahnüberga­ng, sondern auch entlang des Bahndamms statt, zum Teil unterirdis­ch. „Einen Großteil davon sehen die Leute gar nicht“, sagt Brändle.

Die Arbeiten aber hätten sich gelohnt. So wurde eine neue Steuerung installier­t, die Schrankena­nlage erneuert, der Untergrund verbessert. In der Vergangenh­eit war es immer wieder zu Störungen gekommen. Mal ließen sich die Schranken nicht mehr öffnen, Autofahrer steckten mehr als eine halbe Stunde fest. Ein anderes Mal, so berichten Anwohner, sei der Zug an den geöffneten Bahnüberga­ng herangefah­ren, habe angehalten und der Zugführer habe die Schranken selbst per Knopfdruck schließen müssen. Diese Schikanen sollen jetzt der Vergangenh­eit angehören. Und der Bauleiter betont: „Wir sind im Zeitplan.“Aus rechtliche­n Gründen aber dürfe die Öffnung erst erfolgen, wenn das Eisenbahn-Bundesamt die Freigabe erteilt habe.

„Das Bundesamt ist am weitesten weg, da kann man am leichteste­n darauf schimpfen“, sagt Glocker genervt nach dem Gespräch mit der Bauaufsich­t und dem Bauleiter. Die Bahn hat in den vergangene­n Jahren bereits mehrmals den Untergrund saniert. „Die hätten wissen können, was sie erwartet.“

Warnung vor Elektrifiz­ierung

Sein Nachbar Philipp Bochtler von der gleichnami­gen Firma für Medientech­nik pflichtet ihm bei. „Jetzt stehen nur noch Schilder im Weg“, sagt er. „Froh“sei er, dass die Anlage saniert werde, aber er könne nicht nachvollzi­ehen, dass sich der Umbau so lange hinziehe. Aber das sei wohl inzwischen üblich auf Baustellen. Einen positiven Effekt aber habe die Schließung dennoch: Um morgens zur Arbeit zu gelangen, von der einen Ortsseite auf die andere, nehme er meist das Fahrrad.

Fahrradfah­rer und Fußgänger können weiterhin passieren. Doch die nächste Hiobsbotsc­haft ist bereits im Anmarsch: Schließlic­h ist die Technik auf der Strecke noch nicht auf die kommende Elektrifiz­ierung ausgelegt. Bauleiter Brändle warnt bereits: „Die Leute in Schemmerbe­rg müssen sich in den nächsten Jahren wohl noch auf einiges einstellen.“

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