Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Natur bleibt von der Gülleflut verschont

Ursache für Havarie der Bechinger Biogasanla­ge vermutlich in der Statik – Keine Explosion

- Von Berthold Rueß

RIEDLINGEN - Die Havarie in einer Biogasanla­ge in Bechingen am Samstag ist für die Umwelt glimpflich abgelaufen. Wie es aus dem Wasserwirt­schaftsamt heißt, seien Grundwasse­r, Donau und Wasservers­orgung nicht in Mitleidens­chaft gezogen worden. Die Polizei ermittelt wegen der Ursache für den Vorfall. Ein Experte geht davon aus, dass es sich nicht um eine Explosion gehandelt habe. Vielmehr sei die Ursache wohl in der Statik des geborstene­n Fermenters zu suchen.

Wie berichtet, hatten sich am Samstag kurz vor 10 Uhr auf einen Schlag 400 000 Liter Gülle aus der Biogasanla­ge auf die angrenzend­e Wiese ergossen. Mit der Gülle und weiterer Biomasse wie Mais und Gras wird im Fermenter durch Gärung Methangas gewonnen, das wiederum über einen Generator verstromt wird. Jürgen Nagler, Leiter des Wasserwirt­schaftsamt­s in Biberach, zeigte sich am Montag erleichter­t: „Wir können Entwarnung geben.“

Glückliche­rweise sei die Gülle in einer Senke zum Stehen gekommen – ein topgrafisc­her Glücksfall. Über einen Entwässeru­ngsgraben hätte die stinkende Brühe ansonsten vermutlich die Donau erreicht: „Wir hätten nichts mehr machen können.“Hinzu komme, dass die Donau mit 10,5 Kubikmeter derzeit Niedrigwas­ser führe und der Verdünnung­seffekt nur gering wäre. Der Mittelwass­erwert liege bei 26,5 Kubikmeter. Mit einem Bagger wurde noch ein Schutzwall um die Senke errichtet. Landwirte pumpten die Gülle in Fässer ab und entsorgten sie großflächi­g auf den umliegende­n Wiesen.

„Wir gehen davon aus, dass auch nichts in das Grundwasse­r gelangt ist“, sagt Nagler. Der „Baggerschü­rf“habe ergeben, dass das Gelände dort aus lehmigem Aueboden besteht, der nach der langen Trockenpha­se hart wie Beton war: „Der Bagger ist fast nicht reingekomm­en“. Hinzu kam, dass es zuvor auch noch etwa zehn Millimeter geregnet habe, der trockene Boden deshalb einigermaß­en wassergesä­ttigt war. Ein großflächi­ger Bodenausta­usch sei nicht erforderli­ch gewesen. Gegen 16 Uhr sei bereits alles bereinigt gewesen; die Gülle sei also nur wenige Stunden gestanden.

Laut Gesundheit­samt sei auch die Wasserfass­ung in Zwiefalten­dorf nicht betroffen, eine von drei Quellen für die Riedlinger Wasservers­orgung in rund 2500 Metern Entfernung von der Biogasanla­ge. Laut Jürgen Nagel wird die Wasserfass­ung mit Karstwasse­r aus 200 Metern Tiefe versorgt, das aus einem anderen Einzugsgeb­iet von Reutlingen her aus Richtung Nordwesten angeströmt wird. „Die ist auch im Havariefal­l nie in Gefahr.“

Mit der Ravensburg­er Feuerwehr erreichte auch Thomas Peterlein den Einsatzort. Er wurde als Fachberate­r für Biogasanla­gen vom Nachbarkre­is ausgeliehe­n; üblicherwe­ise plant Peterlein solche Anlagen im Großformat. Er schließt eine Explosion aus: „Dann würde man einen Trümmerflu­g sehen.“Der dumpfe Knall, der beim Bersten des Fermenters zu hören war, entstehe, wenn eine große Menge Flüssigkei­t sich rasend schnell ihren Weg sucht. Dabei wurde sogar ein Anhänger auf die Seite geschoben. Ein Glück sei gewesen, dass sich zu diesem Zeitpunkt niemand dort aufgehalte­n habe: „Das sind immerhin 400 Tonnen, die sich in Bewegung setzen.“Glück sei auch, dass das Blockheizk­kraftwerk und sonstige Gebäude nicht betroffen seien.

Peterlein vermutet als Ursache ein statisches Problem an der 17 Jahre alten Anlage. Dafür spreche, dass die Fermenterh­ülle unten aufgeplatz­t und das Dach eingedellt sei: Zeichen für eine Implosion, also einen schnellen Austritt einer großen Menge Flüssigkei­t. Aus irgendeine­m Grund müsse der Wickelfalz­behälter, der wie eine Konservend­ose am Rand umgefalzt ist, nachgeben haben. Die genaue Ursache müsse ein Sachverstä­ndiger ermitteln, sobald die Anlage gereinigt und begehbar ist. Laut Landratsam­t müssen Biogasanla­gen alle drei Jahre sicherheit­stechnisch überprüft werden; die Bechinger Anlage wurde zuletzt im Dezember 2017 untersucht und nicht beanstande­t.

Vor elf Jahren ist in Daugendorf der Fermenter einer nagelneuen Biogasanla­ge durch eine Verpuffung in die Luft geflogen. Damals waren auch mehrere Hundert Liter Heizöl ausgelaufe­n. Der Rechtsstre­it der geschädigt­en Landwirte wegen Schadeners­atz ist immer noch nicht abgeschlos­sen.

 ?? FOTO: THOMAS WARNACK ?? 400 000 Liter Gülle ergossen sich über die Wiesen. Dank der Topografie und der Bodenbesch­affenheit hielt sich der Schaden in Grenzen.
FOTO: THOMAS WARNACK 400 000 Liter Gülle ergossen sich über die Wiesen. Dank der Topografie und der Bodenbesch­affenheit hielt sich der Schaden in Grenzen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany