Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Aus der Dunkelheit ans Licht

Die Galerie Fähre in Bad Saulgau zeigt das große malerische Werk von Wilhelm Geyer

- Von Siegfried Kasseckert

BAD SAULGAU - Als Kirchenmal­er ist er berühmt geworden. Wilhelm Geyer (1900-1968) gestaltete rund 1000 Glasfenste­r in mehr als 180 Kirchen zwischen dem Bodensee und dem Niederrhei­n: Glasfenste­r im Ulmer Münster, in den Domen zu Rottenburg und Köln, aber auch im Ravensburg­er Heilig-Geist-Spital und an vielen kleineren Orten. Sein freies malerische­s Werk dagegen ist weit weniger bekannt. Völlig zu Unrecht, wie die neue Ausstellun­g in der Bad Saulgauer Galerie Fähre eindrucksv­oll beweist. Die Stadt übernahm die Werkschau, die aus Anlass des 50. Todestages Geyers präsentier­t wird, von der Städtische­n Galerie Böblingen.

Ähnlich wie der Ravensburg­er Maler Gebhard Fugel, dessen Werk die Fähre vor Kurzem ausstellte, war auch Wilhelm Geyer tief verwurzelt in seinem (katholisch­en) Glauben. Ja, Geyer wollte ursprüngli­ch Priester werden, was offenbar der Vater

ANZEIGEN verhindert­e. Die Saulgauer Werkschau, die um die 90 Tafelbilde­r, Aquarelle, Zeichnunge­n, und grafische Arbeiten versammelt, beginnt mit erstaunlic­hen Werken seiner Studienzei­t (Geyer war an der Stuttgarte­r Akademie Meistersch­üler von Christian Landenberg­er), mit Bildern wie dem Atelier von 1926, das nahezu nur aus „Flecken“besteht und völlig abstrakt erscheint. Doch ungegenstä­ndlich hat Wilhelm Geyer nie gemalt, auch nach dem Zweiten Weltkrieg nicht, als die Abstraktio­n mit Baumeister und anderen fröhliche Urständ feierte.

Wer seine hellen, blau- und rotfarbige­n Kirchenfen­ster vor Augen hat, wundert sich über die betont dunkle, ja in geradezu düsterer Farbigkeit gemalten frühen religiösen Bilder Geyers, etwa den dreiteilig­en Passionsal­tar (1924) oder den ebenfalls dreiteilig­en Apostelalt­ar (1927). Zur damaligen Zeit waren das Höhepunkte religiöser Malerei in Deutschlan­d, ob impression­istisch oder expression­istisch spielte dabei keine Rolle. Ein Malerkolle­ge Geyers hat das einmal so formuliert: „Was wir wollten, war die Vereinigun­g von Cézanne und dem späten Corinth.“Auch Geyers Malduktus erinnert immer wieder an Lovis Corinth.

Berührende Familienpo­rträts

Seine Palette wird freilich im Laufe der Jahre sehr viel heller. Sie kommt sozusagen aus der Dunkelheit ans Licht. Was man in einer Fülle von Selbstport­räts sieht, etwa dem von 1959/60 oder dem sechs Jahre vor seinem Tod entstanden­en, das ihn mit nacktem Oberkörper zeigt. Stimmungsv­olle Landschaft­s- und Gartenbild­er, Familien- und andere Porträts, darunter ein berührende­s Selbstport­rät mit seiner Frau und einem Sohn, das der Fähre gehört, Zeichnunge­n sowie das Mappenwerk Kairos (Heilszeit) mit Bildern Christi von der Geburt bis zum Tod am Kreuz. Sie dokumentie­ren Geyers Rang als einen der wichtigste­n neueren Maler des deutschen Südwestens.

Acht Blätter aus der Gestapo-Haft erinnern daran, dass Wilhelm Geyer ein Freund der Scholls war, jener Familie, deren Kinder Sophie und Hans im Jahre 1943 als Gründer der Widerstand­sgruppe Weiße Rose von Hitlers Schergen hingericht­et wurden. Auch Geyer geriet ins Visier der Gestapo, war 100 Tage in Haft, überlebte Verhöre und Folter, hat darüber aber Zeit seines Lebens nie gesprochen.

Geyer und die Fähre – das ist eine lange Geschichte. 21-mal hat er in der Saulgauer Galerie ausgestell­t, fast ein Dutzend Einzelauss­tellungen bestritten, mehr als jeder andere Künstler, sogar HAP Grieshaber eingeschlo­ssen. Wilhelm Geyer ist auch einer der Väter des renommiert­en Oberschwäb­ischen Kunstpreis­es, der ihm selbst 1954 verliehen wurde. Und die Fähre besitzt einige seiner Arbeiten.

 ?? FOTO: FÄHRE ?? Wilhelm Geyer hat eine Fülle von Porträts geschaffen, darunter „Die Familie“von 1930. Zu sehen ist der Künstler (re.) mit Frau und Sohn.
FOTO: FÄHRE Wilhelm Geyer hat eine Fülle von Porträts geschaffen, darunter „Die Familie“von 1930. Zu sehen ist der Künstler (re.) mit Frau und Sohn.
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