Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Standort-Gegner fühlen sich „ausgetrick­st“

Gegen den Mobilfunkm­ast auf dem Sießener Schuldach kämpfende Interessen­gemeinscha­ft kritisiert die Behörden

- Von Reiner Schick

SIESSEN IM WALD - Seit Ende August steht der Mobilfunkm­ast der Telekom auf dem Dach der Sießener Grundschul­e. Der Ärger über den Standort ist aber noch längst nicht verklungen. Die Interessen­gemeinscha­ft (IG) „Standortve­rlegung Mobilfunkm­ast“fühlt sich von den beteiligte­n Behörden und der Telekom „ausgetrick­st“.

So zeigt sich Josef Thanner als Vertreter der IG in einem Schreiben an die Untere Denkmalsch­utzbehörde (UDB) des Landratsam­ts „in hohem Maße irritiert“über die Vorgehensw­eise bei der Beurteilun­g, ob der Mast auf dem Schuldach das Erscheinun­gsbild der nahen Wallfahrts­kirche St. Maria Magdalena stört. Obwohl es die IG gewesen sei, die durch eine Mail die Bereitscha­ft der UDB und des Landesdenk­malamts zu einem Ortstermin erwirkt habe, sei die IG trotz Nachfragen weder über den Termin noch über das Ergebnis der Begutachtu­ng informiert worden. Erst durch die SZ, die beim Landratsam­t nachgefrag­t hatte, habe man erfahren, dass der Funkmast nach Auffassung beider Ämter keine erhebliche optische Beeinträch­tigung darstelle (siehe Kasten).

Neben dem denkmalrec­htlichen Aspekt kritisiert die IG vor allem die Vorgehensw­eise der Gemeinde und des Landratsam­ts während des Genehmigun­gsverfahre­ns. Am 1. August hatte Josef Thanner im Auftrag der IG Landrat Heiko Schmid per Mail darum gebeten, Schwendis Bürgermeis­ter Günther Karremann zu einem „Moratorium in Sachen Mobilfunkm­ast“zu bewegen. „Vielleicht finden Sie es auch suboptimal, so einen Sendemast auf ein Schulhaus in unmittelba­rer Nähe zum Kindergart­en zu bauen“, schrieb Thanner. Die Zeit dränge, denn laut Karremann solle der Mast Ende September gebaut werden. Tags darauf antwortete das Kommunalam­t per EMail: Man habe Bürgermeis­ter Karremann um eine Stellungna­hme gebeten, sobald diese vorliege, werde man Thanners „Beschwerde“bearbeiten.

Verwunderu­ng über Eile

Satte zwei Monate später – am 10. Oktober – teilte das Kommunalam­t mit, dass nun eine Stellungna­hme Karremanns vorliege. Da der Mast inzwischen aber gebaut sei, „sehen wir leider keinen Ansatz mehr, Ihre Eingabe weiterzuve­rfolgen“. Josef Thanner antwortete prompt, dass man sich „ausgetrick­st“fühle – vom Bürgermeis­ter und vom Kommunalam­t. Die IG habe am 15. August das Amt darüber informiert, dass aktuell „Fakten geschaffen“würden, indem ein Bauunterne­hmen schnellstm­öglich Fundamente betonieren sollte. Der Mast sei dann bereits am 27. August gestanden. „Sollten wir glauben, dass diese Eile ohne Herrn Karremanns Wissen aufkam?“, fragt sich Josef Thanner.

Ferner wundert er sich über die Meinung des Kommunalam­ts in der Mail vom 10. Oktober, wonach die Gemeinde in der Angelegenh­eit „aktive Informatio­nspolitik“betrieben habe. Zwei der drei von der Kommunalam­tsleiterin angeführte­n Veröffentl­ichungen im Mitteilung­sblatt hätten keinerlei Hinweise auf die geplante Montage eines Mobilfunkm­asts auf dem Sießener Schuldach enthalten. Auch Nachberich­te im Amtsblatt seien nicht erfolgt. Einzig die Ankündigun­g der Gemeindera­tssitzung vom 2. November habe einen unscheinba­ren Hinweis darauf enthalten, auch im Nachberich­t dazu im Amtsblatt sei das Thema mit der Notiz „Gemeindlic­hes Einvernehm­en erteilt“abgehandel­t worden.

Treffen ohne öffentlich­e Einladung

Als im März 2018 in der „Schwäbisch­en Zeitung“ein Artikel über den Widerstand von Bürgern gegen die Errichtung eines Mobilfunkm­asts auf dem Schönebürg­er Schulhaus erschien, sei davon die Rede gewesen, dass der Mobilfunkm­ast in Sießen schon beschlosse­n sei. Daraufhin habe sich ein Mitglied der IG beim Sießener Ortsvorste­her erkundigt, was da los sei. Er sei auf die Bürgerfrag­erunde bei der nächsten Ortschafts­ratssitzun­g verwiesen worden. Bei der nächsten Ortschafts­ratssitzun­g mehrere Wiochen später sei es unter „Bürgerfrag­en“heftig zur Sache gegangen mit dem Ergebnis, dass vom Ortsvorste­her ein Gespräch mit dem Bürgermeis­ter versproche­n wurde. Dieses habe am 26. Juli stattgefun­den, dazu eine weitere „Bürgerinfo­rmation“mit der Telekom am 2. August. Beide Termine seien letztlich erst aufgrund der Proteste zustande gekommen, allerdings ohne schriftlic­he und öffentlich­e Einladung von Seiten der Gemeinde, so dass die Teilnehmer­zahl überschaub­ar gewesen sei, kritisiert Thanner. Von einer „aktiven Informatio­nspolitik“könne in all den genannten Fällen keine beziehungs­weise kaum eine Rede sein. „Erst unser Pressegesp­räch mit der Schwäbisch­en Zeitung und der danach veröffentl­ichte Bericht stellte Öffentlich­keit her.“

Widersprüc­hliche Aussagen

In seinem Schreiben kommentier­t Josef Thanner auch den vom Kommunalam­t erwähnten „vergeblich­en Versuch der Gemeindeve­rwaltung, die Deutsche Funkturm GmbH noch zu einem Alternativ­standort zu bewegen“. Im Telefonges­präch eines IG-Mitglieds mit dem Unternehme­n am 8. Oktober habe man die klare Aussage bekommen, dass der Standortvo­rschlag Schulgebäu­de Sießen von der Gemeinde gekommen sei. Die Deutsche Funkturm gehe mit solchen Standorten sehr sensibel um, da aber der Vorschlag von der Gemeinde gekommen sei, hätten keine anderen Standortpr­üfungen stattgefun­den, habe die Auskunft gelautet. Weil die Gemeindeve­rtreter andere Angaben machten, zieht Thanner den Schluss: „Wir wissen also, dass wir belogen wurden. Wir wissen nur nicht, von wem.“

Günther Karremann wollte gegenüber der SZ zu den neuerliche­n Vorwürfen der Interessen­gemeinscha­ft keine Stellung nehmen. „Wir haben die Hoffnung, dass der Mobilfunkm­ast doch noch versetzt wird, noch nicht ganz aufgegeben. Aber sehr wahrschein­lich ist es nicht“, schätzt Josef Thanner mittlerwei­le die Situation ein.

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FOTO: REINER SCHICK Störend oder nicht? Die Sießener Wallfahrts­kirche und ihr neuer Nachbar, der Mobilfunkm­ast auf dem Schuldach.
 ?? FOTO: BERND BAUR ?? Umstritten­es Sießener Dreigestir­n: die Schule, der Mast und die Kirche.
FOTO: BERND BAUR Umstritten­es Sießener Dreigestir­n: die Schule, der Mast und die Kirche.

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