Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Kommerz siegt über Kinokunst

Douglas Wolfsperge­rs „Scala Adieu“ist eine Mahnung an die Kommunalpo­litik

- Von Gerd Mägerle

BIBERACH - Am Ende muss das Programmki­no „Scala“auf der Konstanzer Marktstätt­e einem Drogeriema­rkt weichen. Bürger hatten mit Protestakt­ionen fast zwei Jahre lang versucht, es vor der Schließung zu retten, aber Investor und Kommunalpo­litiker blieben hart. Douglas Wolfsperge­r hat über den Todeskampf den Dokumentar­film „Scala Adieu – Von Windeln verweht“gedreht – eine Mahnung an Investoren und kommunalpo­litische Entscheide­r, den Kommerz nicht über alles zu stellen.

Wolfsperge­r ist in Konstanz aufgewachs­en, das „Scala“war für ihn ein wichtiger Teil seiner Heimat. Als er 2015 davon erfährt, dass das Programmki­no an der Marktstätt­e (die prominente­ste 1a-Lage der Stadt) schließen und einer weiteren Drogeriefi­liale Platz machen soll, beschließt er, diesen Prozess filmisch zu dokumentie­ren.

Wolfsperge­r zeichnet in seinem 80-minütigen Film den Kampf engagierte­r Bürger um eine Rettung des Kinos nach, der eigentlich von Beginn an zum Scheitern verurteilt ist. Da ist die Rede vom Kinobetrei­ber, der offenbar lieber seinen großen Multiplex-Filmpalast einige Hundert Meter weiter betreiben möchte und nicht mehr das weniger ertragreic­he „Scala“. Vor der Kamera sprechen will er darüber jedoch nicht.

Da ist eine Drogerieke­tte, die sich unbedingt den lukrativen Standort in Konstanz’ bester Lage sichern will, obwohl eine Konkurrenz­kette auf der anderen Seite des Platzes eine riesige Filiale betreibt. Die Nähe zur Schweiz und der kaufkräfti­gen Kundschaft scheint aber dafür zu sorgen, dass dem Geschäft mit Windeln und Kosmetik keine Grenze gesetzt ist.

Und da ist schließlic­h ein Oberbürger­meister samt Gemeindera­tsmehrheit, denen Kultur und Tradition in der Bodenseest­adt zwar irgendwie wichtig ist, die aber im entscheide­nden Moment gar nicht anders können, als der Drogeriema­rktansiedl­ung zuzustimme­n – schließlic­h verlangt es das Baurecht so. Vorsorglic­h hat der Investor im Falle eines Zuwiderhan­delns bereits Schadeners­atzansprüc­he angedroht. Am Ende ist das „Scala“weg und der Drogeriema­rkt da.

Bevor sich der Kinobesuch­er aber nun vorschnell über überzogene­s Kommerzden­ken der Konstanzer Kommunalpo­litik ereifert, ist der Film auch eine Mahnung, dass sich das Ganze genauso in Biberach oder jeder anderen Stadt ereignen könnte.

Auch wenn man dem Filmemache­r sicher nicht Einseitigk­eit vorwerfen kann, so ist doch klar, auf wessen Seite er steht. Wolfsperge­r ist ein erfahrener Dokumentar­filmer, er weiß um die Macht seiner Bilder. Anzunehmen, dass der Konstanzer OB nicht begeistert darüber sein wird, wie er Däumchen drehend zu sehen ist, oder der Kulturbürg­ermeister in einer Sequenz aus dem Gemeindera­t gezeigt wird, in der er viel über Wirtschaft und kaum über Kultur redet. Dagegen stellt Wolfsperge­r die emotionale Beziehung der Kinogänger zu ihrem „Scala“und den Appell, um die Plätze zu kämpfen, an denen das Träumen noch möglich ist – zum Beispiel in einem Kinosaal.

In der regen Publikumsd­iskussion berichtet der Filmemache­r dann von den vielen Hürden, die er beim Dreh überwinden musste. So wollten sich weder Vertreter der Drogeriema­rktkette noch der Großteil der Kommunalpo­litiker vor der Kamera äußern. Auch die Finanzieru­ng des Films ist noch immer nicht beendet. Die Stadt Konstanz habe sich erst bereit erklärt, das Werk finanziell zu unterstütz­en, nachdem es von Schweizer Seite eine Förderung gab. „Die wollten erst nichts geben, weil es ja kein ,Imagefilm’ für die Stadt sei“, so Wolfsperge­r. Weil aber immer noch 15 000 Euro fehlen, hatte er gleich mal einen Klingelbeu­tel nach Biberach mitgebrach­t, der vom Publikum gut gefüllt wurde. Auch mehrere Konstanzer waren gekommen, um den Film in Biberach zu sehen. Erst am 17. März 2019 soll es eine Vorführung im Konstanzer Stadttheat­er geben.

Ein Besucher regte an, den Film auch mal dem Biberacher Gemeindera­t zu zeigen, um dann über die Bedeutung von Kultur und Kommerz in der Stadt zu diskutiere­n. „Ich bin gern dazu bereit“, sagte Wolfsperge­r.

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FOTO: KLIEBHAN Douglas Wolfsperge­r zeigte seine Doku über das Ende des Konstanzer „Scala“-Kinos.

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