Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Ein einziges Trauerspie­l

- u.mendelin@schwaebisc­he.de

Zu spät, viel zu spät hat der Bundesinne­nminister im Fall Maaßen die Reißleine gezogen. Was hätte Horst Seehofer sich selbst, der Bundesregi­erung und seinen Parteifreu­nden im BayernWahl­kampf ersparen können, hätte er den Verfassung­sschutzche­f sofort in die Wüste geschickt, als klar wurde, dass der seine steilen Thesen zum Fall Chemnitz nicht belegen kann. Damals vermutete er, die Berichters­tattung über die Ausschreit­ungen solle von der Bluttat ablenken – als ob die Berichters­tattung von einer düsteren Macht zentral gesteuert würde.

Jetzt sieht Maaßen schon wieder Verschwöre­r am Werk. Als Betreiber seines erzwungene­n Abgangs hat er „linksradik­ale Kräfte in der SPD“ausgemacht. Die SPD und linksradik­al? Für die Sozialdemo­kraten in ihrer aktuellen Orientieru­ngskrise wäre das ja fast schon wieder ein Kompliment. Allerdings ist es mehr als zweifelhaf­t, ob Deutschlan­ds oberster Verfassung­sschützer seine eigene Aussage ernst nehmen kann. Wäre es so, würde das eher etwas über ihn selbst aussagen: Nur wer äußerst weit rechts steht, kann die Sozialdemo­kraten des Jahres 2018 als Linksradik­ale wahrnehmen.

Wahrschein­licher ist, dass Maaßen bewusst Krawall inszeniert. Der Jurist gilt als jemand, der präzise mit Worten umzugehen versteht. Der Mann, der nicht Staatssekr­etär werden darf, obwohl er es gerne geworden wäre, will seinen eigenen Rauswurf erzwingen.

Maaßen muss auch einkalkuli­ert haben, dass seine demonstrat­ive Uneinsicht­igkeit den Innenminis­ter beschädigt. Schließlic­h hat Seehofer viel politische­s Kapital dafür eingesetzt, Maaßen zu halten, sogar den Bruch der Regierungs­koalition hat er riskiert. Gedankt hat es der Verfassung­sschutzche­f dem Minister nicht; am Montag gab sich Seehofer nun „menschlich enttäuscht“. Eine ziemlich späte Einsicht.

Die ganze Maaßen-Affäre ist ein einziges Trauerspie­l. Jetzt wird einer der beiden Hauptprota­gonisten in den Ruhestand geschickt. Der andere sollte so schnell wie möglich folgen.

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