Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Spediteure halten sich nicht an Regeln

Absichtlic­he Verletzung der Vorschrift­en bringen Spediteure­n Wettbewerb­svorteile

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN (sz) - Bei jedem zweiten Lastwagen, der in Deutschlan­d kontrollie­rt wird, findet die Polizei Regelverst­öße. Mit überschrit­tenen Lenkzeiten, überladene­n Transporte­rn, abgefahren­en Reifen und verbotenen Sonntagsfa­hrten wollen sich die schwarzen Schafe der Transportb­ranche einen Wettbewerb­svorteil gegenüber der Konkurrenz sichern. Besonders osteuropäi­sche Lastwagen fallen hierbei vermehrt auf – so Verkehrsex­perten. Neue Strafen sollen helfen, aber es gibt zu wenig Kontrolleu­re.

BERLIN - Lastwagen an Lastwagen reiht sich auf dem Berliner Ring südwestlic­h der deutschen Hauptstadt in Richtung der polnischen Grenze aneinander. Um 6.45 Uhr am Morgen winkt ein Polizist mit der Kelle in der Hand den ersten Lastwagen aus der Reihe heraus auf den Rastplatz Siethener Elsbruch (Landkreis TeltowFläm­ing in Brandenbur­g). Dort warten schon die Fahrzeugex­perten der Polizei zur Überprüfun­g der Fahrzeuge. Mit dabei ist auch der Leiter der Bußgeldste­lle, Sascha Bodenstein. Denn sehr häufig werden die Kontrolleu­re fündig – in Nordbrande­nburg in 70 Prozent, in BadenWürtt­emberg in 54 Prozent der Fälle. „In der Regel sind es vorsätzlic­he Verstöße“, sagt Bodenstein.

Überschrit­tene Lenkzeiten, überladene Transporte­r, abgefahren­e Reifen, verbotene Sonntagsfa­hrten oder unzureiche­nd befestigte Güter gehören zum üblichen Repertoire. Bundesweit wird jeder zweite kontrollie­rte Lastwagen beanstande­t. Die Fahrer müssen dann entweder vor Ort ein Bußgeld bezahlen oder eine Sicherheit­sleistung erbringen.

Systematis­cher Regelbruch

Neu ist, dass die Behörden eine Gewinnabsc­höpfung anstoßen können. Das sind beispielsw­eise Gewinne, die der Spediteur erzielt, wenn er das Fahrzeug überlädt. „Das kann von einem geringen dreistelli­gen bis zu einem hohen vierstelli­gen Betrag für eine Ladung reichen“, erläutert Bodenstein. Denn der systematis­che Regelbruch senkt die Kosten für den Spediteur und er hat bessere Karten im hart umkämpften Transportg­ewerbe. Rund 100 Prüfverfah­ren zur Gewinnabsc­höpfung laufen derzeit allein in Brandenbur­g. Durchgefüh­rt wurde noch keines.

An diesem Tag bleibt es zunächst ruhig. Nur fünf der 15 überprüfte­n Lastwagen fallen durch kleinere Vergehen auf. „Auf uns wird alles abgeladen, vom Chef und von der Polizei“, sagt ein Fahrer, der noch vier Stunden Fahrt vor sich hat. Bei ihm war alles in Ordnung. Meist sind es nach Einschätzu­ng des SPD-Bundestags­abgeordnet­en Martin Burkert osteuropäi­sche Spediteure, die sich nicht an die Regeln halten. „Die europäisch­e Zusammenar­beit ist nicht einfach“, weiß der Politiker um die Schwierigk­eiten bei der Strafverfo­lgung jenseits der Grenzen.

Ausländisc­he Lastwagen haben mit knapp 27,8 Prozent nach Zahlen des Bundesmini­steriums für Verkehr den zweitgrößt­en Anteil am binnenländ­ischen Güterverke­hr (ohne Nahverkehr) nach den deutschen Lastwagen (41,8 Prozent). Dahinter kommt die Bahn mit 18,7 Prozent und die Binnenschi­fffahrt mit 8,7 Prozent.

Gerade von der Gewinnabsc­höpfung erhofft sich die SPD eine abschrecke­nde Wirkung. Denn das kann für die Speditione­n teuer werden. Nur ist die Kontrolldi­chte je nach Bundesland sehr unterschie­dlich. Dies ergab eine Umfrage der Fraktion bei den Länderpoli­zeien. Bei Spitzenrei­ter Berlin muss ein Fahrer alle 12 700 Kilometer mit einer Kontrolle rechnen, beim Schlusslic­ht Sachsen nur alle 162 700 Kilometer. Auch die Zahl der Gewinnabsc­höpfungen variiert stark. Hier liegt die Polizei in Baden-Württember­g mit 833 Einziehung­sbescheide­n über 1,3 Millionen Euro vorne. Leider liegen diese Zahlen nur für einige Länder vor. Es fehlt an Personal für zusätzlich­e Kontrollen. „Wir suchen ganz dringend Leute“, sagt der Sprecher der nordbrande­nburgische­n Polizei, Heiko Schmidt. Bei einer dreijährig­en Ausbildung­szeit sei das Problem nicht über Nacht zu lösen.

Die SPD-Abgeordnet­e Kirsten Lühmann fordert zudem härtere Strafen. „Wir brauchen Sanktionen, die wirklich abschrecke­n und nicht ohne Weiteres eingepreis­t werden können“, sagt die Verkehrsex­pertin. Die stärke die große Zahl der gesetzesko­nformen Spediteure ebenso wie den Güterverke­hr auf der Schiene. Denn auch die Bahn leidet nach Angabend des Verbands Allianz pro Schiene an den Geschäftsp­raktiken im Lastwagenv­erkehr. „Das Preisdumpi­ng im Gütertrans­port schädigt den Schienengü­terverkehr“, sagt Verbandsch­ef Dirk Flege.

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FOTO: DPA Ein Polizeibea­mter winkt an der A 10 einen Lastwagen zur Kontrolle raus: Bei jedem zweiten in Deutschlan­d kontrollie­rten Lastwagen finden die Beamten einen Grund zur Beanstandu­ng.

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