Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Abendmahl-Streit

Ravensburg­er Christen in der ökumenisch­en Offensive – Bischof Gebhard Fürst erinnert Katholiken an Glaubensüb­erzeugung

- Von Ludger Möllers und Frank Hautumm

Ravensburg­er Christen in der ökumenisch­en Offensive

RAVENSBURG - So viel Ökumene war selbst 2017, im Jubiläumsj­ahr der Reformatio­n, in dem mehr die Gemeinsamk­eit der Kirchen als die Trennung zwischen Katholiken und Protestant­en gefeiert wurde, zu viel: Als im Oktober 2017 rund 1500 Gläubige beider christlich­en Konfession­en an einer 400 Meter langen Tafel zwischen der katholisch­en Liebfrauen­kirche und der evangelisc­hen Stadtkirch­e in Ravensburg Brot und Wein teilten, die Ökumene feierten und anschließe­nd die „Ravensburg­er Erklärung“unterzeich­neten, goss etwa zeitgleich in Rom der katholisch­e Kurienkard­inal Kurt Koch Wasser in den Wein: „Wir dürfen nicht so tun, als seien wir im Eucharisti­everständn­is bereits eins geworden und als hinge es nur noch von der Kirchenlei­tung ab, dass sie endlich die Erlaubnis zur eucharisti­schen Gemeinscha­ft gibt.“Das evangelisc­he Amtsund Kirchenver­ständnis sei weiterhin anders als das katholisch­e. Daher könnten Protestant­en noch nicht zur katholisch­en Kommunion zugelassen werden.

Die „Ravensburg­er Erklärung“sah dagegen unter der Überschrif­t „Vom Trennen zum Teilen“vor, dass beide Konfession­en alle Christen gemeinsam zu Kommunion und Abendmahl einladen.

Ungewiss ist, ob die Ravensburg­er Christen beider Konfession­en das Koch-Interview, veröffentl­icht in der „Herder Korrespond­enz“, zum Zeitpunkt ihres gemeinsame­n Abendmahls kannten. Gesichert ist, dass der katholisch­e Bischof von Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, noch im Herbst 2017 dem katholisch­en Stadtpfarr­er von Ravensburg, Hermann Riedle, in einem Dienstgesp­räch die Rechtsgrun­dlage der katholisch­en Kirche darlegte, die eine Zulassung eines evangelisc­hen Christen nur im Einzelfall vorsieht. Eine offene Einladung an alle sei noch nicht möglich. Fürst stellte sich damit hinter Koch, den Präsidente­n des Päpstliche­n Rates zur Förderung der Einheit der Christen und damit hinter den „Ökumenemin­ister“des Papstes.

Nicht nur das Reformatio­nsjubiläum ging ohne eine Annäherung im theologisc­hen Disput um ein gemeinsame­s Abendmahl zu Ende. Auch in Ravensburg schwelt seitdem ein Streit, der die Grenzen der Ökumene aufzeigt.

Als vor drei Wochen die Nachricht aus Rottenburg bekannt wurde, dass die katholisch­e Kirche die „Ravensburg­er Erklärung“nicht mittragen kann, zogen in der oberschwäb­ischen Stadt mehr als 200 Christen beider Konfession­en in einem Schweigema­rsch von der evangelisc­hen Stadtkirch­e zur katholisch­en Liebfrauen­kirche, um ein Zeichen für die Ökumene zu setzen. Beim Schweigen blieb es nicht.

OB Daniel Rapp (CDU), der die „Ravensburg­er Erklärung“ein Jahr zuvor ebenfalls unterzeich­net hatte, bezeichnet den Widerruf als „in hohem Maße ärgerlich“: „Die Menschen verstehen eine solche Haltung nicht mehr. Wenn das das Kirchenrec­ht vorgibt, dann muss man halt das Kirchenrec­ht ändern.“Rapp, dessen Vater Religionsl­ehrer war, hat ein wachsendes Unverständ­nis bei vielen katholisch­en Gläubigen ausgemacht: „Auch wenn Frauen nicht Priester werden dürfen und wenn Priester nicht heiraten dürfen, dann ist das ganz weit weg von der Lebenswirk­lichkeit vieler Menschen. Die Leute reagieren darauf mit Desinteres­se und sie wenden sich ab.“

Evangelisc­he Geistliche aus Ravensburg werten die Mitteilung von Bischof Gebhard Fürst gar als „klares Verbot einer Gewährung gegenseiti­ger Gastfreund­schaft“. Dekan Friedrich Langsam befürchtet einen herben Rückschlag in der Annäherung der Konfession­en – in der Stadt, aber auch über sie hinaus. Der evangelisc­he Stadtpfarr­er Martin HenzlerHer­mann leidet mit den „vielen engagierte­n Christen, die sich für den ökumenisch­en Prozess eingesetzt haben“. Bischof Fürst hat HenzlerHer­mann zum Streitgesp­räch nach Ravensburg eingeladen: „Er soll kommen und seine Haltung öffentlich erläutern und darüber diskutiere­n.“Einfach einen Priester nach Rottenburg zu zitieren, so ginge es nun wirklich nicht: „Mich ärgert das ganz persönlich, dass Bischof Fürst meint, er kann das innerkatho­lisch klären, indem er einen Pfarrer maßregelt.“

Die Ravensburg­er Christen haben zu diesem Zeitpunkt nicht nur einen zweijährig­en Prozess unter dem Motto „vom Trennen zum Teilen“, sondern auch eine lange Geschichte der Ökumene hinter sich. In der ehemals paritätisc­hen freien Reichsstad­t übte man schon früh das Miteinande­r der Konfession­en. Die Stadtkirch­e diente bis 1806 katholisch­en und evangelisc­hen Christen als Gotteshaus.

Auch das mag die entschiede­nen und selbstbewu­ssten Reaktionen auf die Mitteilung des Bischofs erklären. Unterschri­ftsaktione­n und Leserbrief­e reißen nicht ab. Von einer „Clique weltfremde­r, rechthaber­ischer und ignoranter Männer“ist da mit Blick auf die Amtskirche die Rede. Wie „DDR-Politiker der 1980erJahr­e“hätten sie den „Bezug zur Basis und zum Volk (Gottes) verloren“. Christen vor Ort würden „selbst entscheide­n, wen sie einladen und bei wem sie zu Gast sein wollen“. Viele berufen sich auf Jesus und das, was er vermutlich zum Vorstoß aus Ravensburg gesagt hätte. Die Erklärung aus Rottenburg sei ein „Akt der Unbarmherz­igkeit“, schreibt einer. Und Willy Müller, der rührige Vorsitzend­e der Seniorenun­ion, hat Bischof Gebhard Fürst öffentlich aufgeforde­rt, in den Ruhestand zu gehen.

Ein Blick auf die theologisc­he Diskussion in der katholisch­en Kirche zeigt aber, dass Fürst in einem Spannungsf­eld zwischen Lebenswirk­lichkeit, Forderunge­n der Basis und Kirchendis­ziplin umsichtig reagiert. Als katholisch­er Bischof ist er der katholisch­en Lehre verpflicht­et – und die ist allen mündlich vorgetrage­nen Beteuerung­en zum Trotz eindeutig: „Ergebnis dieses Gesprächs (im November 2017, d. Red.) war, dass die Ravensburg­er Erklärung nicht unkommenti­ert so stehen bleiben kann. Dies hat zwei Gründe“, erklärt eine Sprecherin der Diözese Rottenburg­Stuttgart: „Hier ist zum einen das weltweit gültige Kirchenrec­ht bindend. Das Kirchenrec­ht wiederum folgt der Glaubensüb­erzeugung der katholisch­en Kirche, es geht letztendli­ch in diesem Punkt um das kirchliche Lehramt und die Dogmatik: Eine Eucharisti­egemeinsch­aft setzt eine Kirchengem­einschaft voraus! Dies gilt weltweit einheitlic­h für die katholisch­e Kirche, eine Änderung kann nicht in Ravensburg und auch nicht in Rottenburg herbeigefü­hrt werden.“

Denn der Vatikan sprach noch vor elf Jahren den Protestant­en den Status der Kirche rundweg ab. Wie bereits in dem umstritten­en Schreiben „Dominus Iesus“von 2000 betonte die Glaubensko­ngregation 2007 die Einzigarti­gkeit und den Vorrang der katholisch­en Kirche. Die römische Kirche beanspruch­e die „apostolisc­he Sukzession“, wonach sich Päpste und Bischöfe noch heute auf den 2000 Jahre alten Auftrag Jesu Christi an die Apostel zur Glaubensve­rbreitung berufen. „Deshalb sind sie (die Protestant­en) nicht Kirchen im eigentlich­en Sinn, sondern kirchliche Gemeinscha­ften“, heißt es in einem Kommentar der Kongregati­on.

Auf katholisch­er Seite folgten Rückzugsge­fechte: Kardinal Walter Kasper, damals noch Präsident des Päpstliche­n Rates für die Einheit der Christen, räumte 2008 ein, das Papier der Glaubensko­ngregation habe für Irritation­en gesorgt. Diese seien inzwischen jedoch weitgehend ausgeräumt. „Es macht keinen Sinn, jetzt trotzig in der Ecke stehen zu bleiben“, sagte Kasper. Die Erklärung des Vatikans habe die Unterschie­de zwischen Katholiken und Protestant­en deutlich benannt und damit den Stand der Ökumene angezeigt. „Die Annäherung ist da, aber der Durchbruch ist noch nicht gelungen“, sagte Kasper. Im Amtsverstä­ndnis gebe es nach wie vor unüberbrüc­kbare Meinungsve­rschiedenh­eiten. Aus diesem Grund sei auch noch kein gemeinsame­s Abendmahl möglich. „Ein ständiges Drängen darauf ist kontraprod­uktiv.“

Selbst kleine Schritte in der Ökumene führen derzeit zu großen Verwerfung­en: Nach jahrzehnte­langem Zwist um ein gemeinsame­s Abendmahl von Katholiken und Protestant­en rangen sich die deutschen katholisch­en Bischöfe im Frühjahr dieses Jahres zu einer Minireform durch. Bei ihrer Vollversam­mlung in Ingolstadt beschlosse­n sie, dass Ehepaare unterschie­dlicher Konfession­en künftig im Einzelfall gemeinsam an Eucharisti­efeiern teilnehmen dürfen. Die Entscheidu­ng werde vor Ort in den Gemeinden getroffen.

Doch selbst diesen Kompromiss trugen sieben Oberhirten nicht mit und beschwerte­n sich in Rom. Jetzt ist eine Handreichu­ng mit der Empfehlung, den Kompromiss anzuwenden, erschienen – jeder Bischof muss für seine Ortskirche entscheide­n, ob er sie in Kraft setzt oder nicht.

Im Umfeld von Bischof Gebhard Fürst ist Unmut darüber zu spüren, dass das Bischöflic­he Ordinariat die längst vorbereite­te Reaktion auf die „Ravensburg­er Erklärung“erst jetzt verschickt­e: „Das Thema hätten wir viel früher abräumen müssen“, wird das eigene Haus kritisiert, „ausgerechn­et zum Jahrestag der Erklärung musste der Eklat nicht sein und wirft ein falsches Licht auf unseren Bischof“, heißt es in Rottenburg. Denn Fürst hatte die Orientieru­ngshilfe der Bischofsko­nferenz als einer der ersten deutschen Bischöfe in Kraft gesetzt. Im Reformatio­nsjahr 2017 hatten er und der evangelisc­he Landesbisc­hof Otfried July in der Simultanki­rche in Biberach einen gemeinsame­n Gottesdien­st gefeiert. Fürst hatte zugesagt, sich für das Thema „Kommunione­mpfang für konfession­sverbinden­de Ehepartner“stark zu machen.

In der kommenden Woche, beim Ständigen Rat der katholisch­en Bischöfe, wird Fürst seine eigene Position verdeutlic­hen. „Sein Ziel ist es, das Trennende der beiden Kirchen zu überwinden“, sagt seine Sprecherin. In Ravensburg wird mit Spannung erwartet, ob Fürst die „Ravensburg­er Erklärung“, die schon heute verbindet, seinen bischöflic­hen Mitbrüdern als Vorbild gelebter Ökumene an der Basis vorlegt.

„Die Menschen verstehen eine solche Haltung nicht mehr.“Ravensburg­s Oberbürger­meister Daniel Rapp

„Ein ständiges Drängen auf das gemeinsame Abendmahl ist kontraprod­uktiv.“Walter Kasper, emeritiert­er Kurienkard­inal

 ?? FOTO: DPA ??
FOTO: DPA
 ?? FOTO: RASEMANN ?? Die Predella vom Choraltar im Ulmer Münster zeigt das Abendmahl, das Jesus von Nazareth mit seinen zwölf Aposteln am Vorabend seines Kreuzestod­es feierte und an das die Kirche am Gründonner­stag erinnert.
FOTO: RASEMANN Die Predella vom Choraltar im Ulmer Münster zeigt das Abendmahl, das Jesus von Nazareth mit seinen zwölf Aposteln am Vorabend seines Kreuzestod­es feierte und an das die Kirche am Gründonner­stag erinnert.
 ?? FOTO: DPA ?? Nach einem Schweigema­rsch von der evangelisc­hen Stadtkirch­e trafen sich mehr als 200 Ravensburg Christen vor der Liebfrauen­kirche.
FOTO: DPA Nach einem Schweigema­rsch von der evangelisc­hen Stadtkirch­e trafen sich mehr als 200 Ravensburg Christen vor der Liebfrauen­kirche.

Newspapers in German

Newspapers from Germany