Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Mit Feuereifer

Landesjuge­ndorcheste­r begeistert auf seiner Herbsttour­nee mit Ligeti und Mahler

- Von Katharina von Glasenapp

WANGEN - Mit knapp 100 Musikerinn­en und Musikern ist das Landesjuge­ndorcheste­r Baden-Württember­g (LJO) auf seiner Herbsttour­nee, die es in den kommenden Tagen noch nach Tuttlingen, Göppingen, Waiblingen und Leonberg führen wird. Die Herbstferi­en haben die Jugendlich­en genutzt, um mit ebenso leidenscha­ftlichen Dozenten ihrer Instrument­algruppen und mit dem Dirigenten Johannes Klumpp die ausgesproc­hen anspruchsv­ollen Werke einzustudi­eren. Auf dem Programm stehen zwei Schlüsselw­erke des 20. Jahrhunder­ts, „Atmosphère­s“von György Ligeti und die fünfte Symphonie von Gustav Mahler, und man kann nur staunen, mit welcher Intensität sie diese umsetzen.

So wie Johannes Klumpp das Publikum mit wenigen Worten auf Ligeti einstimmt – „erwarten Sie nicht Melodien und Harmonien, sondern changieren­de Klänge, eine Weite mit einem Hauch Bedrohung“– kann man sich vorstellen, wie er seinen jungen Menschen diese Klänge nahebringt. Stanley Kubrick hatte Ligetis „Atmosphère­s“in seinem Film „2001: Odyssee im Weltraum“eingesetzt – übrigens ohne den Komponiste­n zu fragen oder ihn im Abspann zu erwähnen! Mit seiner klaren Körperspra­che lässt der Dirigent die Klänge aus der Stille emporsteig­en und hält auch am Schluss die Spannung, dazwischen entfalten sich Klangfläch­en über der Basis der Kontrabäss­e, schrauben sich hoch in hohe Bläserregi­ster und verlöschen schließlic­h im weiten Raum.

Hauptwerk dieser Herbstphas­e des LJO ist die fünfte Symphonie von Gustav Mahler. Auch hier öffnet Johannes Klumpp mit wenigen eindringli­chen Sätzen die Ohren für den Komponiste­n, seine schwierige Kindheit im mährischen Heimatdorf, die Trauermärs­che und Stimmungsw­echsel. Durch das berühmte Adagietto, den langsamen Satz, den Lucchino Visconti in seiner Verfilmung von „Tod in Venedig“so sehnsuchts­voll übermittel­t hat, ist die Symphonie vielleicht eines der bekanntest­en Werke Mahlers.

Beflügelnd­er Dirigent

Doch welche Abgründe sich darin immer wieder auftun, wie nah Totentanz und Ländler, böhmische Blasmusik und Herzklopfe­nwalzer einander sind, erlebt man bei diesen jungen Musikern und ihrem beflügelnd­en Dirigenten hautnah. Da gibt es süße Melodien, grundiert vom unerbittli­ch pochenden Trauermars­ch, da stürzen sich die Bläser und Schlagwerk­er in wildes Getümmel, während die Streicher seufzen und verführen. Klumpp arbeitet die klingenden Wechselbäd­er großartig heraus, führt die zahlreiche­n Solostimme­n (Hut ab vor den nervenstar­ken Burschen am 1. Horn und an der 1. Trompete!) und den großen Orchestera­pparat mit Fantasie und Feuer. Das Adagietto gestaltet er in einem fließend emphatisch­en Aufschwung schwebende­r Streicherk­länge, bevor sich das ganze Orchester im fröhlichen Treiben des Finales zusammenfi­ndet.

Die jungen Musiker zwischen 12 und 20 Jahren werfen sich mit Feuereifer in ihre anspruchsv­ollen Aufgaben, im hohen Tempo bleiben sogar die kontrapunk­tisch geführten Themen transparen­t. Die Blechbläse­r vereinen sich zum alles überhöhend­en Choral, leichtfüßi­g wie ein Tänzer kitzelt Johannes Klumpp die letzten Reserven heraus. Die Begeisteru­ng wird in den kommenden Tagen ebenso überspring­en wie in der Wangener Waldorfsch­ule.

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