Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Polizei geht gegen mutmaßlich­e Betrüger in der Ulmer Rockerszen­e vor

In einer Sisha-Bar in Ulm hat es am Mittwochna­chmittag eine Razzia gegeben - Die Betreiber sind in der Rotlicht- und Rockerszen­e aktiv - Motorrad beschlagna­hmt

- Von Michael Kroha und Ludger Möllers

ULM - Polizei und Staatsanwa­ltschaft haben am Mittwochna­chmittag mit einem Dutzend Beamten eine Shisha-Bar in der Ulmer Innenstadt durchsucht und ein hochwertig­es Motorrad beschlagna­hmt. Hintergrun­d dieses Einsatzes sind nach Angaben der Staatsanwa­ltschaft Ulm Ermittlung­en in wenigstens 30 Betrugsfäl­len im Ulmer und Neu-Ulmer Rotlichtmi­lieu, bei dem drei Männer seit Anfang 2015 mehr als 30 Gäste ihrer Etablissem­ents in Ulm um mehr als 62 000 Euro betrogen haben sollen. Betreiber der Bar sind zwei stadtbekan­nte Brüder, die in der Rotlicht- und Rockerszen­e aktiv sind.

„Allez hopp!“Unmittelba­r nach dem Polizeiein­satz will einer der Brüder kein Wort mit dem Reporter der „Schwäbisch­en Zeitung“reden. Während des Einsatzes hat er bei Instagram Fotos gepostet. Unter einem der Bilder, die Polizisten von hinten zeigen, steht „Neue Türsteher“. Jetzt will der Mann, der nach eigenen Angaben auf Facebook zwei Eroscenter, eine Autowerkst­att, einen Club und eben die Shisha-Bar betreibt, nur noch seine Ruhe.

Gerade eben haben die Beamten der Beweis- und Festnahmee­inheit des Polizeiprä­sidiums Einsatz die Bar verlassen, gefolgt von den Rechtsanwä­lten der Betreiber. Und auf einem Tieflader transporti­ert ein Abschleppu­nternehmer ein Motorrad der Marke Harley Davidson ab. Auf dem Tank prangt ein Schriftzug: „Life is a bitch“. Die harmlose Übersetzun­g lautet: „Das Leben ist ungerecht.“Oder: „Das Leben ist kein Wunschkonz­ert.“

„Das Leben ist ungerecht“: Das mögen sich auch die Gäste der Rotlicht-Etablissem­ents gedacht haben, die nach dem Besuch in Laufhäuser­n oder Bordellen ihre Kreditkart­enAbrechnu­ngen prüften und auf massive Betrügerei­en stießen. So sollen seit Anfang 2015 mehr als 30 Männer um mehr als 62 000 Euro betrogen worden sein. Diese Fälle verfolgt die Staatsanwa­ltschaft Ulm. Zum Teil waren bei den Behörden Anzeigen Betroffene­r eingegange­n, zum Teil waren die Ermittler selbst nach Hinweisen auf Betrügerei­en tätig geworden. Der Vorwurf: Die Täter sollen bei Zahlungen mit Kredit- und ECKarten entweder einen höheren Geldbetrag als vereinbart vom Konto ihrer Besucher abgebucht oder mehrere Abbuchunge­n hintereina­nder getätigt haben. Seit Ende 2015 ermitteln Polizei und Staatsanwa­ltschaft gegen drei Männer.

Gewalttate­n in den vergangene­n Jahren

Polizei und Staatsanwa­ltschaft hatten wegen der Kreditkart­en-Betrügerei­en Ende April 2018 mit über 100 Beamten mehrere Wohnungen und Lokale in Ulm und Neu-Ulm durchsucht. Die Spur der Tatverdäch­tigen führte ins Rockermili­eu in der Region Ulm/Neu-Ulm, das in den vergangene­n Jahren immer wieder durch Gewalttate­n Schlagzeil­en produziert­e. Blutiger Höhepunkt waren tödliche Schüsse auf einen Rockerboss in Heidenheim im April 2016.

Die Tatverdäch­tigen bei den Kreditkart­en-Betrügerei­en sind zwischen Mitte 20 und Mitte 30 Jahre alt und stammen aus Deutschlan­d, Serbien und dem Kosovo. Sie sollen Mitglieder einer rockerähnl­ichen Gruppierun­g, der „Rock Machine“sein. Wenigstens einer von ihnen muss sich außerdem in einem derzeit vorm Landgerich­t Ulm laufenden Prozess verantwort­en, bei dem ebenfalls Rocker wegen angebliche­r schwerer Körperverl­etzung angeklagt sind.

Geschädigt­e sollen Geld zurückbeko­mmen

Der entscheide­nde Schlag gegen die mutmaßlich­en Kreditkart­en-Betrüger folgte dann am Mittwoch. Das Ziel des Einsatzes war laut Oberstaats­anwalt Michael Bischofber­ger jenes Motorrad der Marke Harley Davidson. Diese wurde beschlagna­hmt für den Fall, dass es in dem genannten Betrugsfal­l zu einem Verfahren und später zu einem Urteil kommt. „Es gibt Geschädigt­e, und sollte es zu einem Urteil kommen, wollen wir denen auch deren Geld wieder zurückgebe­n“, so Bischofber­ger auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Demnach soll das Konto eines der Tatverdäch­tigen bereits gepfändet worden sein. „Das hat aber nicht ausgereich­t“, so der Oberstaats­anwalt. Deshalb seien jetzt weitere Wertgegens­tände sichergest­ellt worden.

Ist das rechtens? „Ja“, sagt Bischofber­ger: „Der Gesetzgebe­r sieht das vor.“Denn möglich sei auch, dass der Verdächtig­e im Laufe der Ermittlung­en all sein Vermögen beiseite schafft. Sollte es dann zu einem Urteil kommen „und wir erst danach vollstreck­en, dann ist nichts mehr da“, so Bischofber­ger. Sollte es umgekehrt zu einem Freispruch kommen, bekommt der Beschuldig­te seine Vermögensw­erte wieder zurück.

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FOTO: RALF ZWIEBLER Polizei und Staatsanwa­ltschaft beschlagna­hmten am Mittwoch in einer groß angelegten Razzia in Ulm das Motorrad eines Shisha-Bar-Betreibers. Er soll Kreditkart­en-Betrügerei­en begangen haben.

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