Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Im Bodensee gibt es immer weniger Fische – auch, weil er so sauber ist
Sind Aquakulturen die Lösung? Oder muss der See jetzt wieder schmutziger werden? Die Meinungen gehen auseinander
MEERSBURG (lsw) - Für Elke Dilger vom Verband badischer Berufsfischer am Bodensee ist der Fall klar. „Von der Fischerei kann bei uns niemand mehr leben“, klagt sie. „Jeder Fischer hat sich mittlerweile einen Nebenberuf suchen müssen.“Gerade mal hundert werfen noch heute ihre Netze aus. Vor vier Jahren seien es noch 113 gewesen.
Auch die Fangraten sprechen eine klare Sprache. „Noch vor wenigen Jahren haben die Fischer durchschnittlich acht Tonnen Fisch im Jahr angelandet, und ein wirtschaftliches Auskommen war möglich“, sagt ein Sprecher des Stuttgarter Landwirtschaftsministeriums. „Heute fängt ein Fischer pro Jahr nur noch etwas mehr als drei Tonnen. Mit dieser Fangmenge ist langfristig keine Wirtschaftlichkeit gewährleistet.“Dramatisch sei die Lage bei den Felchen, dem „Brotfisch“des Sees: 2017 zogen die Berufsfischer am Obersee lediglich 195 Tonnen an Land. 2016 waren es 205. Als ein Hauptgrund gilt der Rückgang des Phosphatgehalts, auch die Erwärmung des Wassers spielt nach Meinung von Experten eine Rolle. Für die Felchen gebe es weitere Gefahren: Die Ausbreitung der Stichlinge, für sie direkte Nahrungskonkurrenten, sowie Kormorane, die tonnenweise Felchen aus dem See rauben.
Seit Jahren setzt sich der Fischerverband dafür ein, den Phosphatgehalt im See wieder zu erhöhen, von derzeit sechs Milligramm pro Kubikliter auf acht oder zehn Milligramm. So solle es mehr Nährstoffe geben, damit Algen besser wachsen könnten und Fische wieder mehr Nahrung hätten. Die Folgen: Die Verschmutzung des Sees könnte zunehmen. Doch mit ihren Vorstellungen läuft Verbandsfrau Dilger nach eigenen Worten bei den Verantwortlichen in den Stuttgarter Ministerien gegen die Wand.
Glaubt man Alexander Keßler von der Genossenschaft RegioBodenseeFisch gibt es eine andere Lösung. Das vermeintliche Patentrezept heißt Aquakultur: Ein Dutzend Fangnetze, in denen Felchen herangezüchtet werden, sollen im Obersee installiert werden.
„Aquakulturen boomen in der ganzen Welt“, sagt Keßler. Viele Fischsorten werden seit Jahren in riesigen Kulturen etwa vor Thailand gezüchtet, auch in Norwegen gebe es Erfolge. Warum also nicht auch am Bodensee? Nur so ließen sich die Bodenseefelchen retten. Und es könne verhindert werden, dass weiterhin tonnenweise „falsche, felchenähnliche“Fische an den Bodensee transportiert und dort als Felchen angeboten würden, meint Keßler. „Unser Ziel ist es, mittelfristig bis zu 600 Tonnen Felchen pro Jahr aufzuziehen.“Seine Genossenschaft wolle eine Genehmigung beantragen.
Doch die Chancen auf Erfolg stehen nicht gut. Die Bodenseefischer winken bereits ab. Sie fürchten eine Verunreinigung durch Kot und Fischfutter. Und, sagt Dilger: „Wir Berufsfischer wollen auch weiterhin Wildfisch fangen. Die Blaufelchen sind unser Alleinstellungsmerkmal.“ Auch der Internationale BodenseeFischereiverband ist skeptisch. Es gebe viele Risiken wie die Gefahr von Krankheiten, meint Sprecherin Anita Koops.
Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) hat sich schon vor zwei Jahren positiv zum Thema Aquakulturen geäußert. Dagegen signalisiert das von den Grünen geführte Umweltministerium eher Ablehnung. „Wir sehen dies allgemein sehr kritisch“, meint Sprecher Frank Lohro. So viele Fische auf engem Raum würden zu Verunreinigungen führen, zumindest in der Nähe der Netze wären „voraussichtlich erhebliche Auswirkungen zu erwarten“. Immerhin liefere der See für Millionen Baden-Württemberger Trinkwasser.
Doch Keßler plädiert dafür, es wenigstens zu versuchen. Dazu sollten zunächst lediglich zwei Netze installiert werden – unter staatlicher Aufsicht. „Man sollte es doch auf alle Fälle ausprobieren“, appelliert Keßler. „Wenn es nicht funktioniert, brechen wir ab.“