Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Tonnenschw­erer Test an maroder Brücke

Die Gänstorbrü­cke zwischen Ulm und Neu-Ulm wird eine ganze Nacht lang geprüft

- Von Wilhelm Schmid

ULM/NEU-ULM - Die marode Gänstorbrü­cke zwischen Ulm und NeuUlm muss erneuert werden, daran führt kein Weg vorbei. Doch hält sie überhaupt noch so lange, bis die endgültige Entscheidu­ng über den Neubau gefallen ist? Und wie kann sichergest­ellt werden, dass sofort Alarm ausgelöst wird, falls sich die Schäden vor Abriss und Neubau gefährlich ausweiten? Das sollte ein Belastungs­test zeigen, der in der Nacht zum Sonntag mit viel Aufwand stattfand. Fachingeni­eure mehrerer Firmen hatten ein umfangreic­hes MessSystem eingebaut, dessen Funktionen vor den Tests einem großen Medienaufg­ebot demonstrie­rt wurden. Die Testgeräte sind so eingestell­t, dass sie automatisc­h Warnmeldun­gen herausgebe­n, sobald sich die Schäden gravierend ausweiten oder womöglich gar ein Einsturz zu befürchten wäre.

Die Ursache für die Schäden liegt bereits in der Konstrukti­on an sich: Die Gänstorbrü­cke wurde in einer Zeit erbaut, als die Spannbeton­technik aus heutiger Sicht noch in den Kinderschu­hen steckte. Der Spannstahl wurde nur unvollstän­dig verpresst, sodass der Zahn der Zeit genug Gelegenhei­t hatte, an der Substanz zu nagen – und zwar in Form von Korrosion, die vor allem durch Streusalz gefördert wurde. Die Ingenieurb­üros haben nun ein „Inspektion­sund Monitoring­programm“entwickelt und eingebaut, dessen Messwerte laufend überwacht werden. Dazu baute man im sogenannte­n Widerlager der Brücke auf der Ulmer Seite ein Netzwerk von Sensoren „Vandalismu­s-sicher“ein.

Die Messungen beziehen sich auf die Dehnungen der Spannstähl­e ebenso wie auf die Temperatur im Inneren des Betons und auf Verformung­en des gesamten Brückenbau­werks, aber auch auf Schallemis­sionen infolge möglicher Spannstahl­brüche. Die Instrument­e zur Schallmess­ung sind dabei so hoch empfindlic­h, dass sie Schallwell­en, die sich im Beton bei Spannstahl­brüchen ausbreiten, bereits unterhalb des Frequenzbe­reiches feststelle­n, der vom menschlich­en Ohr hörbar ist. Und trotzdem unterschei­den die Sensoren zwischen dem üblichen Verkehrslä­rm und einer echten Schadensme­ldung. 36 Schallsens­oren, 20 Dehnungs-, 71 Temperatur- und vier Verformung­ssensoren – alle mit insgesamt drei Kilometern Kabeln verbunden – hören damit ab sofort das Bauwerk ständig ab und schlagen Alarm, sobald es kritisch werden könnte. In einem solchen Fall müsste dann sofort über eine Sperrung der Brücke entschiede­n werden.

Um sichere Grundwerte für die Messungen festzulege­n, fanden nun Testfahrte­n statt: Drei große Autokrane der Firma Liebherr mit einem Eigengewic­ht von 36, 40 und 48 Tonnen fuhren ab Mitternach­t in wechselnde­n Geschwindi­gkeiten über die Brücke, wobei die Fahrten minutiös protokolli­ert wurden. Die Bewegungen des Bauwerks zeichnete auch noch ein Kamerasyst­em unter der Brücke auf. Die Fahrten starteten auf der Münchner Straße einige hundert Meter oberhalb und die Mega-Krane fuhren dann mit bis zu 50 Stundenkil­ometern von Baden-Württember­g nach Bayern. Im Verlauf der Fahrten wurden sogar Vollbremsu­ngen mitten über der Donau eingelegt. Beim Kreisverke­hr auf dem Augsburger­Tor-Platz wendeten die Fahrer – und dann ging es wieder die Münchner Straße hinauf, um Schwung für die nächste Fahrt zu holen.

Wie Gerhard Fraidel, bei der Stadt Ulm für die Verkehrsin­frastruktu­r verantwort­lich, erklärte, soll damit geprüft werden, ob die Brücke noch ein paar Jahre lang hält, in welchem Umfang sie noch verkehrsta­uglich ist und in welcher Reihenfolg­e dann die Brückentei­le abgerissen und ersetzt werden müssen. Bis die Daten alle ausgewerte­t sind, wird es einige Tage oder Wochen dauern, dann wird ein umfangreic­her Bericht vorgelegt und in den zuständige­n Gremien über das weitere Vorgehen beraten und entschiede­n.

Gegen sechs Uhr morgens konnten die umfangreic­hen Sperrungen und Umleitunge­n auf beiden Seiten der Donau am Sonntag wieder aufgehoben werden. Bis zur Vorlage des Untersuchu­ngsbericht­es und den daraus folgenden Entscheidu­ngen darf der Verkehr vorläufig wieder auf je einer Spur pro Richtung über die Gänstorbrü­cke rollen.

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FOTO: SCHMID Mit drei Autokranen wurde die Gänstorbrü­cke getestet.

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