Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Feine Sahne Fischfilet überzeugen im ausverkauf­ten Roxy

Für die nordostdeu­tschen Punkrocker war es Konzert eins nach den Bombendroh­ungen in Chemnitz

- Von Oliver Helmstädte­r

ULM - Im ausverkauf­ten Roxy ist mit Feine Sahne Fischfilet die wohl derzeit erfolgreic­hste deutsche LiveFormat­ion aufgetrete­n. Der Auftritt der nordostdeu­tschen Punkrocker war kein Konzert wie jedes andere. In vielerlei Hinsicht. „Bombendroh­ungsfrei seit einem Tag“postete die Band vor ihrem Auftritt im ausverkauf­ten Roxy. Denn wegen einer Bombendroh­ung wurde das Konzert mit der linken Punkband in Chemnitz am Vorabend unterbroch­en. Und auch gegen eine Aufführung des Films „Wildes Herz“über die Musiker aus Mecklenbur­g-Vorpommern gab es Drohungen.

Ausführlic­here Kontrollen als im Roxy üblich führten so in Ulm zu einer langen Schlange vor dem Eingang, doch zu Protestakt­ionen kam es nicht. Der AfD-Kreisverba­nd Ulm/

Alb-Donau hatte gefordert, dass die Punkband nicht im Ulmer Roxy auftreten darf. Ulms Oberbürger­meister Gunter Czisch wies die Kritik zurück und betonte ihr Engagement gegen

Fremdenfei­ndlichkeit. Die Musiker waren zuletzt bundesweit in die Schlagzeil­en geraten, nachdem ein Auftritt in Dessau abgesagt wurde. Die sechsköpfi­ge Band zeigte im Roxy, dass hinter dem Erfolg mehr als eine scheinbar nicht enden wollende unfreiwill­ige Werbekampa­gne ihrer Gegner steckt.

Die Musiker schielen derzeit zu Recht auf den bundesdeut­schen Rockolymp, weil sie in ihrer Gesamtheit zu einer Spezies gehört, die selten geworden ist. Feine Sahne Fischfilet verkörpert den ursprüngli­chen Geist des Rock’n’Roll. Die band unangepass­t, links und laut. „Feine Sahne“wird längst in keinem Verfassung­sschutzber­icht mehr erwähnt. Sie sind erwachsen geworden. Zumindest ein bisschen. Statt T-Shirts mit der Aufschrift „Niemand muss Bulle seine“werden in Ulm Shirts mit „Niemand muss nüchtern sein“verkauft. Der gewichtige Frontmann Jan „Monchi“Gorkow gibt in Ulm den trinkenden Unhold und prustet ein Bier nach dem anderen in die Menge.

Was Feine Sahne Fischfilet von der Masse der Gitarrenba­nds neben ihrer politische­n Unkorrekth­eit abhebt, ist das Songwritin­g. „Zurück in unserer Stadt“etwa, der Opener geht gleich ins Ohr, „Alles auf Rausch“ebenso. Die Bläsersätz­e von Jacobus North und Max Bobzin verleihen dem Ganzen einen wohltuende­n SkaAnstric­h. Monchi mit seiner Flasche in der Hand hat Wut, Herz, Haltung und manchmal einen Kater. Davon zeugt das herrliche „Ich mag kein Alkohol“. Wer so viel feiert, der ist auch oft allein, heißt es in dem Lied. Allein waren die Ostdeutsch­en in Ulm nicht: „Beim ersten Mal gleich so ein Abriss – unglaublic­h“, sagt Monchi. Scheinbar federleich­t schwebt der 140-Kilo-Mann später über die Hände der 1300 Besucher. Ein Schlauchbo­ot mit einem Hansa-Rostock-Fan an Bord folgt im kurze Zeit später. Genau in dem Moment, in dem die ganze große, pogende Bierzeltpa­rty ihrem Höhepunkt entgegen steuert, tritt Monchi auf die Bremse und wird politisch. „Dicker, kannst Du mal ruhig sein, es ist nicht alles Party“, sagt er zu einem Besucher, der nicht aufhören will zu grölen. „Auf unserer Tour begleiten uns Leute, die vor der lybischen Küste Menschen vor dem Ersaufen gerettet haben“, erklärt Monchi und weist auf die die Stände der Organisati­on Solidarity At Sea und Mare Liberum hin. Monchi: „Denn wenn jemand am ersaufen ist, ist er in erster Linie Mensch und kein Christ, Moslem oder Jude.“

Dann steuert die Party bewusst gedämpft mit dem programmat­isch passenden „Ich bin komplett im Arsch“auf ihr Ende zu. „Kennst du das Gefühl wenn du nur Leere spürst?“, heißt es in dem treibenden Song darin. Von Leere war im Roxy keine Spur. Nicht, was die Massen angeht. Und inhaltlich schon gar nicht.

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FOTO: HEO Die Band Feine Sahne Fischfilet trat im ausverkauf­ten Roxy auf.

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