Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Feine Sahne Fischfilet überzeugen im ausverkauften Roxy
Für die nordostdeutschen Punkrocker war es Konzert eins nach den Bombendrohungen in Chemnitz
ULM - Im ausverkauften Roxy ist mit Feine Sahne Fischfilet die wohl derzeit erfolgreichste deutsche LiveFormation aufgetreten. Der Auftritt der nordostdeutschen Punkrocker war kein Konzert wie jedes andere. In vielerlei Hinsicht. „Bombendrohungsfrei seit einem Tag“postete die Band vor ihrem Auftritt im ausverkauften Roxy. Denn wegen einer Bombendrohung wurde das Konzert mit der linken Punkband in Chemnitz am Vorabend unterbrochen. Und auch gegen eine Aufführung des Films „Wildes Herz“über die Musiker aus Mecklenburg-Vorpommern gab es Drohungen.
Ausführlichere Kontrollen als im Roxy üblich führten so in Ulm zu einer langen Schlange vor dem Eingang, doch zu Protestaktionen kam es nicht. Der AfD-Kreisverband Ulm/
Alb-Donau hatte gefordert, dass die Punkband nicht im Ulmer Roxy auftreten darf. Ulms Oberbürgermeister Gunter Czisch wies die Kritik zurück und betonte ihr Engagement gegen
Fremdenfeindlichkeit. Die Musiker waren zuletzt bundesweit in die Schlagzeilen geraten, nachdem ein Auftritt in Dessau abgesagt wurde. Die sechsköpfige Band zeigte im Roxy, dass hinter dem Erfolg mehr als eine scheinbar nicht enden wollende unfreiwillige Werbekampagne ihrer Gegner steckt.
Die Musiker schielen derzeit zu Recht auf den bundesdeutschen Rockolymp, weil sie in ihrer Gesamtheit zu einer Spezies gehört, die selten geworden ist. Feine Sahne Fischfilet verkörpert den ursprünglichen Geist des Rock’n’Roll. Die band unangepasst, links und laut. „Feine Sahne“wird längst in keinem Verfassungsschutzbericht mehr erwähnt. Sie sind erwachsen geworden. Zumindest ein bisschen. Statt T-Shirts mit der Aufschrift „Niemand muss Bulle seine“werden in Ulm Shirts mit „Niemand muss nüchtern sein“verkauft. Der gewichtige Frontmann Jan „Monchi“Gorkow gibt in Ulm den trinkenden Unhold und prustet ein Bier nach dem anderen in die Menge.
Was Feine Sahne Fischfilet von der Masse der Gitarrenbands neben ihrer politischen Unkorrektheit abhebt, ist das Songwriting. „Zurück in unserer Stadt“etwa, der Opener geht gleich ins Ohr, „Alles auf Rausch“ebenso. Die Bläsersätze von Jacobus North und Max Bobzin verleihen dem Ganzen einen wohltuenden SkaAnstrich. Monchi mit seiner Flasche in der Hand hat Wut, Herz, Haltung und manchmal einen Kater. Davon zeugt das herrliche „Ich mag kein Alkohol“. Wer so viel feiert, der ist auch oft allein, heißt es in dem Lied. Allein waren die Ostdeutschen in Ulm nicht: „Beim ersten Mal gleich so ein Abriss – unglaublich“, sagt Monchi. Scheinbar federleicht schwebt der 140-Kilo-Mann später über die Hände der 1300 Besucher. Ein Schlauchboot mit einem Hansa-Rostock-Fan an Bord folgt im kurze Zeit später. Genau in dem Moment, in dem die ganze große, pogende Bierzeltparty ihrem Höhepunkt entgegen steuert, tritt Monchi auf die Bremse und wird politisch. „Dicker, kannst Du mal ruhig sein, es ist nicht alles Party“, sagt er zu einem Besucher, der nicht aufhören will zu grölen. „Auf unserer Tour begleiten uns Leute, die vor der lybischen Küste Menschen vor dem Ersaufen gerettet haben“, erklärt Monchi und weist auf die die Stände der Organisation Solidarity At Sea und Mare Liberum hin. Monchi: „Denn wenn jemand am ersaufen ist, ist er in erster Linie Mensch und kein Christ, Moslem oder Jude.“
Dann steuert die Party bewusst gedämpft mit dem programmatisch passenden „Ich bin komplett im Arsch“auf ihr Ende zu. „Kennst du das Gefühl wenn du nur Leere spürst?“, heißt es in dem treibenden Song darin. Von Leere war im Roxy keine Spur. Nicht, was die Massen angeht. Und inhaltlich schon gar nicht.