Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Migrationspakt entzweit die Union auch im Süden
Wie Politiker von CDU und CSU ihre Zustimmung oder Ablehnung erklären – ein Überblick
RAVENSBURG - Die Debatte um den UN-Migrationspakt bewegt die Union – auch im Südwesten und in Bayern. Der Landesvorsitzende der CDU Baden-Württemberg Thomas Strobl, sprach sich eindeutig für die Absichtserklärung aus, in der 23 Ziele für eine „sichere, geordnete und reguläre Migration“beschrieben und definiert sind. Strobl sagte am Montag, beim UN-Migrationspakt handle es sich unterm Strich um ein Abkommen, das man positiv bewerten solle. „Er ist darauf angelegt, Migration zu steuern und auch zu begrenzen – ich bin ganz überzeugt, das ist im Interesse Deutschlands.“Die Bundestagsfraktion habe sich bereits zu dem Thema positioniert.
Strobl stellte klar, dass er sich damit nicht gegen den CDU-Vorsitzkandidaten Jens Spahn stelle. Das sei eine Positionierung in der Sache, habe aber mit Jens Spahn gar nichts zu tun. Spahn hatte am Wochenende vorgeschlagen, über eine deutsche Zustimmung zum Migrationspakt auf dem CDU-Parteitag im Dezember zu diskutieren. Mehrere christdemokratische Politiker wiesen Spahns Idee, dem Dokument notfalls später zuzustimmen, zurück – unter ihnen der Aalener Bundestagsabgeordnete und Außenpolitiker Roderich Kiesewetter.
Kiesewetter gegen Aufschub
Kiesewetter verteidigte den Migrationspakt gegenüber der „Schwäbischen Zeitung“– und sprach sich gegen Spahns Vorschlag aus, die Zustimmung zum Migrationspakt eventuell zu verzögern. Bei einer Verschiebung würde der gesamte Pakt in Frage gestellt.
Der Migrationspakt soll bei einer nur für diesen Anlass veranstalteten UN-Konferenz am 10. und 11. Dezember in der marokkanischen Stadt Marrakesch per Akklamation angenommen werden – also durch Beifall, da es sich nicht um einen Vertrag handelt. Der CDU-Parteitag findet am 7. und 8. Dezember statt, also nur zwei Tage vor Beginn der UN-Konferenz.
„Ich bin klar dafür, den UN-Migrationspakt offensiv zu verteidigen“, sagte Kiesewetter – und warb dafür, den Pakt mit nationalem Einwanderungsrecht zu ergänzen: also mit einer „stringenten, nationalen Gesetzgebung zur Fachkräftezuwanderung“und einer „qualitativ hochwertigen Einwanderungsregelung“. Im Migrationspakt wird das Recht der einzelnen Staaten betont, ihre Migrationspolitik selbst zu bestimmen.
Laut Kiesewetter entwickelt die Unionsfraktion einen gemeinsamen Antrag für eine breite Debatte über den Pakt im Bundestag. Kiesewetter ist Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Auswärtigen Ausschuss – und somit ein besonders einflussreicher Abgeordneter bei außenpolitischen Themen. Auch der Generalsekretär der Südwest-CDU Manuel Hagel stellte sich hinter den Pakt. Ziel der Union sei es, dass „die Flüchtlingsmigration nach Deutschland auf niedrigem Niveau bleibt“, teilte Hagel mit. Die allermeisten Standards im UN-Migrationspakt erfülle Deutschland schon. Wenn andere Staaten diese einführen, dann werde dies dazu führen, „dass Deutschland als Migrationsziel weniger in den Fokus gerät“.
Der Ravensburger CDU-Bundestagsabgeordnete Axel Müller sieht im Migrationspakt eine „in der Weltgeschichte einmalige Gelegenheit“. Migration habe es zu allen Zeiten in der Welt gegeben, geordnet sei sie aber im Grunde nie gewesen. Nun gebe es die einmalige Gelegenheit, auch andere Länder dazu zu bringen, in Deutschland gültige Standards anzustreben. „Diese Chance sollten wir uns nicht kaputt machen lassen“, meinte Müller.
Deutlich negativer ist die Haltung von Holger Kappel, dem badenwürttembergischen Landesvorsitzenden der Werteunion, einer konservativen Gruppierung innerhalb der Union. Kappel begrüßt grundsätzlich den Ansatz, Migration auf UN-Ebene zu regeln – aber der Migrationspakt hat aus seiner Sicht „sehr, sehr viele Pferdefüße“. So ist aus Kappels Sicht nicht klar, warum dem Pakt per Akklamation zugestimmt werden muss, wenn er nicht bindend ist. Für problematisch hält Kappel Ziel Nummer 17 des Paktes, in dem unter anderem die„Sensibilisierung und Aufklärung von Medienschaffenden“im Hinblick auf Migrationsthemen aufgelistet wird. Kappel sieht dadurch ein Risiko für die Pressefreiheit.
Ramsauer sieht „Unbehagen“
Wegen seiner Bedenken teilt Kappel die Forderung Jens Spahns, Deutschlands Zustimmung zum Migrationspakt zu verzögern – und lehnt das Votum per Akklamation sogar völlig ab. Außerdem sei problematisch, dass im Pakt Migration als positiver Faktor dargestellt werde. Das könne in manchen Fällen so sein – in anderen aber nicht.
Kappel stimmt der Kritik Peter Ramsauers zu. Der CSU-Politiker ist Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Entwicklungshilfe – und will den UN-Pakt „nicht mittragen“. In einem Interview mit der „Welt“sagte Ramsauer: „Das öffnet dem Flüchtlingsstrom nach Europa und nach Deutschland Tür und Tor.“Und: „Das Unbehagen wird in unserer Fraktion und der CSU-Landesgruppe auf breiter Front geteilt.“
Moderat kritisch äußerte sich Lothar Riebsamen, CDU-Abgeordneter für den Bodenseekreis. Er spricht sich zwar gegen die „Hysterie“zu dem Thema aus, würde sich aber bei einigen der 23 Ziele im Migrationspakt „größere Verbindlichkeit“wünschen. Dazu gehörten die Verpflichtung jedes Staates zur Rückübernahme eigener Bürger sowie die Digitalisierung und Vereinheitlichung von Reisedokumenten, um Identitätsbetrug vorzubeugen.