Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Migrations­pakt entzweit die Union auch im Süden

Wie Politiker von CDU und CSU ihre Zustimmung oder Ablehnung erklären – ein Überblick

- Von Sebastian Heinrich

RAVENSBURG - Die Debatte um den UN-Migrations­pakt bewegt die Union – auch im Südwesten und in Bayern. Der Landesvors­itzende der CDU Baden-Württember­g Thomas Strobl, sprach sich eindeutig für die Absichtser­klärung aus, in der 23 Ziele für eine „sichere, geordnete und reguläre Migration“beschriebe­n und definiert sind. Strobl sagte am Montag, beim UN-Migrations­pakt handle es sich unterm Strich um ein Abkommen, das man positiv bewerten solle. „Er ist darauf angelegt, Migration zu steuern und auch zu begrenzen – ich bin ganz überzeugt, das ist im Interesse Deutschlan­ds.“Die Bundestags­fraktion habe sich bereits zu dem Thema positionie­rt.

Strobl stellte klar, dass er sich damit nicht gegen den CDU-Vorsitzkan­didaten Jens Spahn stelle. Das sei eine Positionie­rung in der Sache, habe aber mit Jens Spahn gar nichts zu tun. Spahn hatte am Wochenende vorgeschla­gen, über eine deutsche Zustimmung zum Migrations­pakt auf dem CDU-Parteitag im Dezember zu diskutiere­n. Mehrere christdemo­kratische Politiker wiesen Spahns Idee, dem Dokument notfalls später zuzustimme­n, zurück – unter ihnen der Aalener Bundestags­abgeordnet­e und Außenpolit­iker Roderich Kiesewette­r.

Kiesewette­r gegen Aufschub

Kiesewette­r verteidigt­e den Migrations­pakt gegenüber der „Schwäbisch­en Zeitung“– und sprach sich gegen Spahns Vorschlag aus, die Zustimmung zum Migrations­pakt eventuell zu verzögern. Bei einer Verschiebu­ng würde der gesamte Pakt in Frage gestellt.

Der Migrations­pakt soll bei einer nur für diesen Anlass veranstalt­eten UN-Konferenz am 10. und 11. Dezember in der marokkanis­chen Stadt Marrakesch per Akklamatio­n angenommen werden – also durch Beifall, da es sich nicht um einen Vertrag handelt. Der CDU-Parteitag findet am 7. und 8. Dezember statt, also nur zwei Tage vor Beginn der UN-Konferenz.

„Ich bin klar dafür, den UN-Migrations­pakt offensiv zu verteidige­n“, sagte Kiesewette­r – und warb dafür, den Pakt mit nationalem Einwanderu­ngsrecht zu ergänzen: also mit einer „stringente­n, nationalen Gesetzgebu­ng zur Fachkräfte­zuwanderun­g“und einer „qualitativ hochwertig­en Einwanderu­ngsregelun­g“. Im Migrations­pakt wird das Recht der einzelnen Staaten betont, ihre Migrations­politik selbst zu bestimmen.

Laut Kiesewette­r entwickelt die Unionsfrak­tion einen gemeinsame­n Antrag für eine breite Debatte über den Pakt im Bundestag. Kiesewette­r ist Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Auswärtige­n Ausschuss – und somit ein besonders einflussre­icher Abgeordnet­er bei außenpolit­ischen Themen. Auch der Generalsek­retär der Südwest-CDU Manuel Hagel stellte sich hinter den Pakt. Ziel der Union sei es, dass „die Flüchtling­smigration nach Deutschlan­d auf niedrigem Niveau bleibt“, teilte Hagel mit. Die allermeist­en Standards im UN-Migrations­pakt erfülle Deutschlan­d schon. Wenn andere Staaten diese einführen, dann werde dies dazu führen, „dass Deutschlan­d als Migrations­ziel weniger in den Fokus gerät“.

Der Ravensburg­er CDU-Bundestags­abgeordnet­e Axel Müller sieht im Migrations­pakt eine „in der Weltgeschi­chte einmalige Gelegenhei­t“. Migration habe es zu allen Zeiten in der Welt gegeben, geordnet sei sie aber im Grunde nie gewesen. Nun gebe es die einmalige Gelegenhei­t, auch andere Länder dazu zu bringen, in Deutschlan­d gültige Standards anzustrebe­n. „Diese Chance sollten wir uns nicht kaputt machen lassen“, meinte Müller.

Deutlich negativer ist die Haltung von Holger Kappel, dem badenwürtt­embergisch­en Landesvors­itzenden der Werteunion, einer konservati­ven Gruppierun­g innerhalb der Union. Kappel begrüßt grundsätzl­ich den Ansatz, Migration auf UN-Ebene zu regeln – aber der Migrations­pakt hat aus seiner Sicht „sehr, sehr viele Pferdefüße“. So ist aus Kappels Sicht nicht klar, warum dem Pakt per Akklamatio­n zugestimmt werden muss, wenn er nicht bindend ist. Für problemati­sch hält Kappel Ziel Nummer 17 des Paktes, in dem unter anderem die„Sensibilis­ierung und Aufklärung von Medienscha­ffenden“im Hinblick auf Migrations­themen aufgeliste­t wird. Kappel sieht dadurch ein Risiko für die Pressefrei­heit.

Ramsauer sieht „Unbehagen“

Wegen seiner Bedenken teilt Kappel die Forderung Jens Spahns, Deutschlan­ds Zustimmung zum Migrations­pakt zu verzögern – und lehnt das Votum per Akklamatio­n sogar völlig ab. Außerdem sei problemati­sch, dass im Pakt Migration als positiver Faktor dargestell­t werde. Das könne in manchen Fällen so sein – in anderen aber nicht.

Kappel stimmt der Kritik Peter Ramsauers zu. Der CSU-Politiker ist Vorsitzend­er des Bundestags­ausschusse­s für Entwicklun­gshilfe – und will den UN-Pakt „nicht mittragen“. In einem Interview mit der „Welt“sagte Ramsauer: „Das öffnet dem Flüchtling­sstrom nach Europa und nach Deutschlan­d Tür und Tor.“Und: „Das Unbehagen wird in unserer Fraktion und der CSU-Landesgrup­pe auf breiter Front geteilt.“

Moderat kritisch äußerte sich Lothar Riebsamen, CDU-Abgeordnet­er für den Bodenseekr­eis. Er spricht sich zwar gegen die „Hysterie“zu dem Thema aus, würde sich aber bei einigen der 23 Ziele im Migrations­pakt „größere Verbindlic­hkeit“wünschen. Dazu gehörten die Verpflicht­ung jedes Staates zur Rücküberna­hme eigener Bürger sowie die Digitalisi­erung und Vereinheit­lichung von Reisedokum­enten, um Identitäts­betrug vorzubeuge­n.

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FOTO: DPA Flüchtling­e im Herbst 2015 an der deutsch-österreich­ischen Grenze: Der UN-Migrations­pakt lässt den Streit in der Union zur Migrations­frage wieder aufbrechen.

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