Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Süddeutsch­es Benzin-Problem

Die Dürre und ein Großbrand verteuern in Baden-Württember­g und Bayern den Sprit

- Von Benjamin Wagener und Christian Schellenbe­rger

RAVENSBURG - Absurde Preiskapri­olen, die auf den ersten Blick nur mit der Gier der Mineralöli­ndustrie zu erklären sind: Die Preise für Rohöl sinken – von rund 85 Euro pro Barrel der Marke Brent Anfang Oktober auf nun etwa 65 Euro. Für Sprit müssen Autofahrer dagegen immer mehr bezahlen. Kostete der Liter Benzin im Januar im Schnitt 1,36 Euro, müssen Kunden vor allem in Bayern und Baden-Württember­g nun bis zu 1,60 Euro zahlen. Im Norden und Osten ist die Lage entspannte­r, Hamburger tanken zurzeit einen Liter Benzin für 1,43 Euro.

„Das ist eine sehr ungewöhnli­che Situation“, sagt Alexander von Gersdorff, Sprecher des Mineralölw­irtschafts­verbands, „aber sie ist erklärbar – denn im Westen und Südwesten kommt zum Transportp­roblem die steigende Nachfrage, eine Situation, die der Norden und Osten nicht hat.“Die sinkenden Pegelständ­e auf dem Rhein und dem Neckar erschwere die Logistik enorm. Der Brand in der Bayernoil-Raffinerie im bayerische­n Vohburg, die immerhin ein Drittel des in Bayern benötigten Rohöls verarbeite­t, habe zudem im gesamten süddeutsch­en Raum die Nachfrage erhöht, da das Werk nach der Explosion nicht mehr so viel Kraftstoff wie zuvor herstellen kann.

Die wichtigste Raffinerie für Baden-Württember­g, Rheinland-Pfalz, Hessen und nach dem Unglück von Vohburg auch für Teile von Bayern ist die Miro-Raffinerie in Karlsruhe. Sie erhält ihr Rohöl über zwei Pipelines, die im Mittelmeer beginnen – über die Südeuropäi­sche Pipeline vom französisc­hen Fos-sur-Mer bei Marseille und über die Transalpin­e Pipeline vom italienies­chen Triest. Im Badischen verarbeite­t die zweitgrößt­e deutsche Raffinerie den Rohstoff dann zu Benzin, Diesel und Heizöl. Mehr als ein Viertel der Produktion bringen Binnenschi­ffe über Rhein und Neckar in flussnahe Tanklager in Hessen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württember­g. „Der momentane Engpass hat sich über Monate hinweg aufgebaut, die Lager leerten sich langsam und die Schiffe konnten wegen der sinkenden Pegel mit der Zeit immer weniger Kraftstoff aufnehmen“, erläutert von Gersdorff.

Wenn Schiffe, die normalerwe­ise 2000 Tonnen transporti­eren, nur zu einem Drittel beladen werden können, steige der Stückgutpr­eis ernorm, erklärt Ingo Seeligmüll­er, der Sprecher des Verbands für Energiehan­del Südwest-Mitte – und macht eine einfache Rechnung auf: Für ein durchschni­ttlich großes Binnenschi­ff von 2000 Tonnen Nutzlast, brauche man rund 80 Tanklastzü­ge der größten Kategorie. Solche Tranportka­pazitäten könne man nicht kurzfristi­g auf der Straße und auf der Schiene zur Verfügung stellen. „So eine Situation, dass es so lange nicht geregnet hat, hatten wir meines Wissens noch nicht“, sagt Seeligmüll­er.

Niederschl­äge sind nicht in Sicht, kurzfristi­g wird Vohburg die Produktion nicht wieder vollständi­g aufnehmen, weshalb die Preise wohl vorerst nicht sinken. „Grundlegen­d ändern wird sich die Situation erst, wenn Rhein und Neckar wieder genug Wasser führen“, erläutert Stephan Zieger, Geschäftsf­ührer des Bundesverb­ands Freier Tankstelle­n (BFT). Den Vorwurf von Verbrauche­rschützern, dass die Tankstelle­n die aktuelle Situation ausgenutzt hätten, um ihre Profite zu erhöhen, weist Zieger zurück. „Die Einkaufspr­eise sind in dem Maße gestiegen wie die Verkaufspr­eise“, sagt der BFT-Geschäftsf­ührer.

ADAC hat Zweifel an den Kosten

Der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC) hat dennoch genau daran seine Zweifel. „Die Preisentwi­cklung ist aus unserer Sicht deutlich überhöht“, sagt ADAC-Sprecher Johannes Boos der „Schwäbisch­en Zeitung“. Die schwierige Logistik dürfte sich nicht so stark auf die Preise auswirken, wie es von den Mineralölk­onzernen vorgegeben werde. Schließlic­h sei der Rohölpreis um mehr als 20 Prozent gefallen. „Den niedrigen Pegelstand der Flüsse haben wir auch nicht erst seit Oktober“, erläutert Boos.

Natürlich sei der Ölpreis gefallen, antwortet von Gersdorff auf den Vorwurf des ADAC, allerdings habe das die Effekte der höheren Transportk­osten und der gestiegene­n Nachfrage nicht ausgleiche­n können – womit die Standpunkt­e von Industrie und Autofahrer­lobby so unvereinba­r wären wie die aktuellen Benzinprei­sentwicklu­ngen ungewöhnli­ch.

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FOTO: IMAGO Tankschiff auf dem Rhein vor dem Grosskraft­werk Mannheim AG: Mehr als ein Viertel des in Baden-Württember­g benötigten Kraftstoff­s transporti­eren Binnenschi­ffe über Rhein und Neckar zu Tanklagern in Flußnähe, von wo dann Lastwagen Benzin und Diesel im Land verteilen.

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