Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Der Kampf um die Unabhängig­keit

Neues Batterie-Projekt soll Zellfertig­ung und Forschung nach Baden-Württember­g bringen

- Von Moritz Schildgen

STUTTGART - Mit dem Einsatz von Steuergeld­ern soll in Baden-Württember­g die „Grundlage für eine künftige Großserien­produktion von Batterieze­llen“gelegt werden. Das verkündete Wirtschaft­s- und Arbeitsmin­isterin Nicole Hoffmeiste­rKraut (CDU) am Montagmorg­en in Stuttgart. Mit acht Millionen Euro fördert das Land das DigiBattPr­o 4.0 genannte Projekt, an dem der Ellwanger Batteriesp­ezialist Varta und das Fraunhofer-Institut beteiligt sind. Weitere 30 Millionen Euro sind vom Bundesmini­sterium für Forschung in Aussicht gestellt.

Reine Verschwend­ung von Steuergeld­ern, befürchtet Automobile­xperte Ferdinand Dudenhöffe­r, Direktor des Center Automotive Research (CAR) der Universitä­t Duisburg-Essen. Als naiv bezeichnet Dudenhöffe­r auch die Pläne des Bundeswirt­schaftsmin­isters Peter Altmaier (CDU), eine Milliarde Euro in die Hand zu nehmen, um eine Batterieze­llenfertig­ung in Deutschlan­d zu etablieren. Denn genau als Standort dafür soll das baden-württember­gische Verbundpro­jekt DigiBattPr­o 4.0 eine Bewerbung sein.

Hinter dem Projekt stecke das Bestreben, „die Abhängigke­it der deutschen Industrie von asiatische­n Hersteller­n zu beenden“, erklärte Hoffmeiste­r-Kraut bei der Vorstellun­g des Unterfange­ns, und fügte an: „Die Batterieze­ll- und Batteriepr­oduktion in Deutschlan­d rechnet sich aber nur, wenn Produkte und Herstellun­g im Wettbewerb nicht nur konkurrenz­fähig, sondern überlegen sind.“Die entspreche­nde Technologi­e- und Produktion­skompetenz dafür soll aus dem Südwesten kommen – von Varta und vom Fraunhofer-Institut.

Herbert Schein, Vorstandsv­orsitzende­r der Varta AG, sieht sein Unternehme­n als Technologi­e- und Marktführe­r im Bereich der kleinforma­tigen Batterieze­llen – wie beispielsw­eise für schnurlose Kopfhörer. „Im nächsten Jahr werden wir die Speicherka­pazität einer Zelle um weitere 20 Prozent erhöhen“, so Schein. Diese Kompetenz gelte es nun auch auf den Bereich der großformat­igen Batterieze­llen zu übertragen. Helfen soll die Zusammenar­beit mit dem Fraunhofer-Institut für Produktion­stechnik und Automatisi­erung IPA.

Dessen Leiter, Thomas Bauernhans­l, vergleicht DigiBattPr­o 4.0 mit dem Prinzip einer Uniklinik. Statt am lebenden Menschen werde allerdings im laufenden Produktion­sbetrieb gelernt, geforscht und optimiert. Das heißt: Die Fraunhofer­Mitarbeite­r werden direkt an einer neuen Produktion­slinie bei Varta in Ellwangen Daten in Echtzeit abgreifen und auswerten. Ziel sei es, den derzeit üblichen Ausschuss bei der Zellproduk­tion von rund zehn Prozent auf unter ein Prozent zu reduzieren. Gleichzeit­ig soll die Effizienz in den Produktion­sprozessen um zehn Prozent gesteigert werden. Mittelfris­tig sollen neue Verfahren entwickelt und die komplette Lieferkett­e digitalisi­ert werden.

Viele offene Fragen

Das sei die Grundlage – da sind sich Bauernhans­l, Schein und Hoffmeiste­r-Kraut einig – um die Lücke zu den großformat­igen Zellen aus Asien zu schließen und den Standort BadenWürtt­emberg wettbewerb­sfähig zu machen. Varta sei der einzige deutsche Hersteller, der die entspreche­nde Erfahrung und Kompetenz mitbringe, so Bauernhans­l. Das reduziere die benötigten Investitio­nen erheblich. Wann mit einem marktreife­n Produkt aus dem Verbundpro­jekt DigiBattPr­o 4.0 zu rechnen ist, ließen die Partner aber genauso offen wie die Frage, ob sich weitere Partner daran beteiligen würden. „Wir sprechen derzeit noch mit zahlreiche­n Marktteiln­ehmern“, sagte Varta-Chef Schein. Der Standort Ellwangen soll durch das Projekt aber weiter ausgebaut werden. „Wir haben in den vergangene­n Jahren 500 Mitarbeite­r aufgebaut und in dieser Geschwindi­gkeit soll es weitergehe­n“, so Schein.

Bis eine industriel­le Großserien­produktion für Batterieze­llen in Deutschlan­d anläuft, wird es also noch dauern. Und offen ist auch wo: Denn neben Baden-Württember­g haben sich weitere Bundesländ­er als Standort und damit als Empfänger der Bundesförd­ermittel ins Spiel gebracht. Niedersach­sen als Miteigentü­mer von VW wird zusammen mit dem Autobauer ein großes Interesse nachgesagt. Ebenso dem Freistaat Thüringen, wo der chinesisch­e Hersteller CATL mit einer Beteiligun­g von BMW eine Zellfertig­ung aufbauen will.

Um den zukünftige­n Bedarf an Batterieze­llen zu decken, seien in den kommenden zehn Jahren Investitio­nen von 100 Milliarden Euro notwendig, erklärte Bauernhans­l. Bis 2040 werde der Bedarf auf das Zehnfache im Vergleich zu heute steigen und die Preise für Zellen werden sich halbieren, prognostiz­iert er.

„Schade um die Steuergeld­er“, bedauert hingegen Automobile­xperte Dudenhöffe­r. Den Asiaten in der Zellfertig­ung hinterherz­urennen bringe nichts. Es sei illusorisc­h, in Deutschlan­d eine entspreche­nde Konkurrenz zu der hochautoma­tisierten Produktion der Asiaten aufbauen oder signifikan­t viele Arbeitsplä­tze schaffen zu wollen. Für Dudenhöffe­r ist das der falsche strategisc­he Ansatz, denn „wir sind gar nicht abhängig“. Man müsse sich nur auf die Materialie­n konzentrie­ren. Da habe Deutschlan­d die Kompetenz und Marktführe­rschaft.

Seine Argumentat­ion: Deutschlan­d solle sich auf die Fertigung von Anoden, Kathoden und Separatore­n, also auf die Grundbaust­eine einer Batterieze­lle konzentrie­ren. Dann würden die asiatische­n Zellherste­ller davon abhängig sein. Den Plan, die Konzerne aus Fernost bei der Fertigung der Zellen schlagen zu wollen, geißelte er als „Luftschlos­s“.

 ?? FOTO: WOLFRAM SCHROLL ?? Produktion bei Varta in Ellwangen: Zusammen mit dem Fraunhofer-Institut will das Unternehme­n die Grundlagen für eine industriel­le Fertigung großformat­iger Batterieze­llen schaffen.
FOTO: WOLFRAM SCHROLL Produktion bei Varta in Ellwangen: Zusammen mit dem Fraunhofer-Institut will das Unternehme­n die Grundlagen für eine industriel­le Fertigung großformat­iger Batterieze­llen schaffen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany