Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Jugendlich­e trauen Internet nicht mehr

Der Nachwuchs nutzt das Netz intensiv, sorgt sich aber um die Folgen

- Von Theresa Gnann

BERLIN - Sie sind permanent online, trotzdem wird das Internet von jungen Menschen zunehmend kritisch gesehen. 41 Prozent der Jugendlich­en zwischen 14 und 24 Jahren macht die Vorstellun­g, dass vieles in Zukunft nur noch online erledigt werden kann, sogar Angst. Tendenz steigend. „Der Hype ist vorbei“, sagt Bundesfami­lienminist­erin Franziska Giffey am Montag in Berlin, wo sie gemeinsam mit dem Deutschen Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI) deren neue Studie zum Internetve­rhalten von Jugendlich­en vorstellte. Der Titel: „Euphorie war gestern. Die ,Generation Internet’ zwischen Glück und Abhängigke­it.“

Jugendlich­e finden das Internet vor allem praktisch. Es erleichter­e den Zugang zu Informatio­nen und beschleuni­ge Vorgänge, die ohne das Netz mühsamer wären. Für 68 Prozent der Befragten ist ein Leben ohne Internet nicht vorstellba­r. 69 Prozent sagen sogar, dass die digitale Welt sie glücklich macht. Offline ist in der Generation der Unter-25-Jährigen heutzutage ohnehin niemand mehr. 99 Prozent der Jugendlich­en geben an, das Internet täglich zu nutzen – noch vor vier Jahren waren es nur 71 Prozent. „Ohne digitale Teilhabe gibt es heute auch keine soziale Teilhabe“, sagt Joanna Schmölz, stellvertr­etende DIVSI-Direktorin. Doch jetzt sei klar: Mit der Internetnu­tzung steige auch die Skepsis.

Nur noch etwa 30 Prozent der befragten Kinder und Jugendlich­en sind laut Studie von der Sicherheit ihrer persönlich­en Daten im Internet überzeugt. Noch vor vier Jahren lag dieser Wert deutlich höher. Weit verbreitet ist auch die Sorge davor, „internetsü­chtig“zu sein oder zu werden. Fast ein Drittel der Jugendlich­en nimmt das eigene Nutzungsve­rhalten schon jetzt als problemati­sch wahr. Deutlich gestiegen ist zudem die Angst vor der Veröffentl­ichung peinlicher oder intimer Posts, ebenso wie die vor Fake-Profilen, also der Täuschung durch gefälschte Nutzerprof­ile. 44 Prozent sehen in FakeProfil­en sogar eines der größten persönlich­en Risiken im Netz.

„Das Bild vom Jugendlich­en als selbstverl­iebten Egoisten, der ohne Wertekompa­ss durch die digitale Welt irrt, ist definitiv falsch“, so Schmölz. Vielmehr sähen sich Jugendlich­e als Getriebene der Digitalisi­erung und fühlten sich unzureiche­nd vorbereite­t auf eine digitale Zukunft: Nur jeder Zweite hält sich für gut über die Möglichkei­ten zum Datenschut­z informiert. 2014 lag der Wert noch bei 74 Prozent. Rund zwei Drittel sind außerdem der Meinung, es gebe heute im Internet eine „Beleidigun­gskultur“. Wer sich online äußert, müsse damit rechnen, beleidigt oder beschimpft zu werden. Für viele ist das ein Grund, auf die Äußerung der eigenen Meinung zu verzichten.

Erschrecke­ndes Signal

„Ernüchtern­d“nennt Familienmi­nisterin Giffey die Ergebnisse der Studie. „Wenn junge Menschen sich im Internet nicht einmal mehr trauen, ihre Meinung frei zu äußern, ist das ein erschrecke­ndes Signal.“Sie wolle deshalb das Jugendschu­tzgesetz, das „noch aus Zeiten von CD-ROM und Videokasse­tten“stamme, erneuern. Der Fokus müsse darauf liegen, digitale Kompetenze­n zu vermitteln, um Teilhabe, Befähigung und Schutz zu sichern, so die Ministerin. Jugendlich­e brauchten Unterstütz­ung und Begleitung, damit sie das Netz unbeschwer­t nutzen könnten. Lehrer und Eltern sollen dafür als Hilfestell­er etabliert werden.

„Wir können unsere Kinder im digitalen Wandel nicht allein lassen“, sagt Giffey. Denn auch wenn es unter den Jugendlich­en heutzutage keine „Offliner“mehr gebe, als „Generation Internet“sähen sich die Jugendlich­en nicht. „Nicht jeder, der mit dem Internet aufgewachs­en ist, kann mit dem Internet umgehen“, wird ein 14-Jähriger in der Studie zitiert. Vom viel gerühmten Begriff der „Digital Natives“haben 47 Prozent der Jugendlich­en noch nie gehört.

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FOTO: IMAGO Nicht jeder, der mit dem Internet aufgewachs­en ist, kann auch damit umgehen, heißt es in der Studie „Generation Internet“.

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