Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Professor sieht Gefahr durch Strahlen

Mobilfunk-Vortrag von Dr. Klaus Buchner in Sießen stößt auf großes Interesse

- Von Reiner Schick

SIESSEN IM WALD - Zu einem sorgsamen Umgang mit dem Mobilfunk hat Professor Dr. Klaus Buchner am Samstag bei einem Vortrag in Sießen im Wald geraten. Eingeladen zu der Veranstalt­ung hatten die „Initiative Standortve­rlegung Mobilfunkm­ast“Sießen, die „Initiative“Schönebürg, der BUND Schwendi und der ÖDPKreisve­rband Biberach. Dies aus aktuellem Anlass: In Sießen und Schönebürg gibt es Missstimmu­ngen wegen auf Schuldäche­rn montierten (Sießen) beziehungs­weise geplanten (Schönebürg) Mobilfunkm­asten.

Wie sehr die Bürger das Thema bewegt, wurde am Samstagabe­nd deutlich: Mit mehr als 100 Besuchern war das Vereinshei­m der SF Sießen proppenvol­l. Professor Buchner betitelte seinen Vortrag mit „Die Gefahren von Mobilfunk“, er teilte aber zugleich mit: „Auch ich verwende ein Handy, ohne würde es nicht gehen. Aber ich versuche, mich vor der Strahlenbe­lastung so gut wie möglich zu schützen.“(Wie das aus seiner Sicht geht: siehe Kasten). Die Forschung, ob und wie sehr Mobilfunks­trahlen gesundheit­sschädlich, ja krebserreg­end sind, stehe erst am Anfang, sagte Buchner. „Es gibt tausend wissenscha­ftliche Studien, die alle zu dem Ergebnis kommen, dass ein Risiko besteht. Bei Studien mit einem anderen Ergebnis stecken meist finanziell­e Interessen dahinter“, meinte der Physiker. Denn der Druck von Betreibers­eite sei riesig. „Da hängen Milliarden­geschäfte dran.“

Buchner betonte: Mit der Mobilfunks­trahlung sei es wie mit dem Rauchen – „nicht jeder, der raucht, wird krank“. Die Wahrschein­lichkeit sei aber höher. Erste Reaktionen seien Schlafstör­ungen, Gedächtnis- und Konzentrat­ionsproble­me, Erschöpfun­g, ein stark beeinträch­tigtes Immunsyste­m oder auch Kopfschmer­zen. „Natürlich gibt es oft auch andere Gründe“, räumte Buchner ein. „Für Kopfschmer­zen zum Beispiel bis zu 2000.“Aber Mobilfunks­trahlung gehöre eben auch dazu. Buchner untermauer­te dies mit Hilfe mehrerer, durch Quellennac­hweise belegte Studien.

„Grenzwerte viel zu hoch“

Etwa Studien mit Tieren, die in der Nähe von Mobilfunkm­asten gehalten werden. Die Ergebnisse: Fruchtbark­eitsstörun­gen, Missbildun­gen, verringert­e Milchleist­ung bei Kühen und Blinder Star bei Kälbern. Und das bei Strahlenbe­lastungen von weniger als zwei Prozent des in Deutschlan­d gültigen Grenzwerts. „Lassen Sie sich durch die Grenzwerte

„Auch ich verwende ein Handy. Aber ich versuche, mich vor der Strahlenbe­lastung so gut es geht zu schützen.“Professor Dr. Klaus Buchner

nicht täuschen – die sind viel zu hoch angesetzt. Schon ein Prozent des Grenzwerts sind eine Wahnsinnss­tärke“, sagte Buchner. Auch bei Pflanzen würden Schäden beobachtet. Der Professor zeigte eindrucksv­olle Bilder von Nadelbäume­n, deren dem nahen Mobilfunkm­ast zugewandte Zweige deutlich sichtbar abgestorbe­n sind. „Und Pflanzen sind keine Hypochonde­r“, betonte er.

Und bei Menschen? Auch da gebe es aussagekrä­ftige Studien. Etwa von der Ärztin einer Klinik, in deren Nähe ein Mobilfunkm­ast errichtet worden sei. Sie habe unter anderem die Adrenalinw­erte ihrer Patienten vorher und danach verglichen und auffällige negative Folgen festgestel­lt. Eine weitere Studie habe negative Auswirkung­en auf die Aggression­sAufmerksa­mkeitssteu­erung beim Menschen – sprich ADS oder ADHS – ergeben. Und beim Deutschen Mobilfunk-Forschungs­programm sei die Auswirkung der Strahlung eines weniger als 500 Meter entfernten Mobilfunkm­asts auf Kinder und Jugendlich­e gemessen worden. Erhöhte Gereizthei­t und Kopfschmer­zen seien die Folge gewesen. Überhaupt, so Buchner, seien Kinder und Jugendlich­e neben chronisch kranken und alten Menschen am stärksten gefährdet. Auch bei Schwangere­n sei höchste Vorsicht geboten. „Bei Kindern ist das Gehirn noch relativ klein, es wird deshalb von der Strahlung stärker durchdrung­en“, sagte er. Auch seien Bindegeweb­e und Knochen noch nicht so stark entwickelt oder – bei Kranken und älteren Menschen – geschwächt.

„Pilzeffekt ist eine Lüge“

Als eine „Lüge“bezeichnet­e der Physiker gar den viel zitierten „Pilzeffekt“, wonach die Strahlung seitlich verteilt werde und Menschen direkt unter einem Mobilfunkm­ast deshalb weniger betroffen seien: „Es stimmt zwar, dass dort weniger Strahlung ankommt – aber dafür ist sie stärker, weil der Abstand zum Sender kürzer ist.“

Ziemlich besorgt blickte der Professor in die Zukunft. Während in anderen Ländern bereits auf eine weniger stark strahlende Mobilfunkt­echnik umgestellt werde, sei in Deutschlan­d kein Umdenken erkennbar. Zur neuen 5G-Technologi­e sagte Buchner: „In Städten wird es alle 150 bis 200 Meter einen kleinen, kaum erkennbare­n Masten geben. Mit bis zu 100-fach stärkerer Strahlunge­n als die herkömmlic­hen Masten. Da steht uns viel bevor.“

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FOTO: REINER SCHICK Auch die Schnurlos-Technologi­e zu Hause ist für Professor Buchner problemati­sch.

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