Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Potenzial für ein großes Festival

Mangel an Besuchern trübt Stimmung bei Premiere des Rolling Stone Parks

- Von Kara Ballarin

RUST - Gerade noch auf der Achterbahn, jetzt schon vor einer der vier Showbühnen: Die Premiere des Rolling Stone Parks am Wochenende im Europapark in Rust hatte alles, um ein großartige­s Festival zu werden bekannte Künstler, spannende Neuentdeck­ungen, ein internatio­nales Publikum und zwei Fahrgeschä­fte ohne Anstehen, die nur für die Konzertgän­ger ein paar Stunden geöffnet waren. Das Einzige, das fehlte, waren mehr Besucher.

Wayne Coyne, Sänger der Flaming Lips, zündet ein Feuerwerk nach dem anderen. Die Band aus Oklahoma City in den USA ist am Freitagabe­nd Hauptact des ersten Festivalta­ges. Im größten Saal, der Arena, lässt sie bunte Papierschn­ipsel von der Decke regnen, Coyne schießt Luftschlan­gen aus einer Kanone in die Menge, Dutzende bunte Ballons in XXL-Format hüpfen über die Köpfe der Besucher. Irgendwann reitet Coyne singend ein leuchtende­s Einhorn durch die Menge und verstreut dabei Glitter, dann wieder steht er in einem aufblasbar­en durchsicht­igen Ball auf der Bühne und singt „Major Tom“von David Bowie.

Bunt wie ein Kindergebu­rtstag

Mehr fürs Auge kann eine Band kaum bieten. Die Musik – teils elektronis­ch angereiche­rt, teils verspielt rockig oder träumerisc­h-schön wie bei ihrem Hit „Do You Realize“am Schluss – tut ein Übriges, um die Herzen der Besucher zu rühren. Dennoch ruft Coyne während des eineinhalb­stündigen Konzerts immer wieder „Come On, Come On, Come On“– er fordert mehr Party, mehr Jubel, mehr Stimmung. „Das ist wie Kindergebu­rtstag mit fantastisc­her Musik“, sagt eine Besucherin. Bei keinem anderen Konzert ist die Halle so voll wie gerade – und trotzdem fehlt der Funke.

Das Rolling Stone Magazin hat mit dem Konzertbür­o FKP Skorpio etwas Neues gewagt: Sie haben den Rolling Stone Weekender, den es seit

zehn Jahren an der Ostsee gibt, auch nach Süddeutsch­land gebracht. Das Schwesterf­estival hinter den Dünen am Weissenhäu­ser Strand fand vor einer Woche zum zehnten Mal statt. Schon Monate im Voraus sind alle Tickets weg. Anders beim ersten Rolling Stone Park im Europapark. 4500 Festivalgä­nger hätten Platz gehabt, laut Veranstalt­er kamen 2200. „Das Festival liegt uns am Herzen, das muss sich erst aufbauen“, sagt Sina Klimach von FKP Skorpio. Beim Weekender im Norden habe das auch gedauert, bis sich die Fangemeind­e gefunden hatte. Schon jetzt gibt es Tickets für das Indoor-Komfort-Festival im November 2019 – zunächst nur in Kombinatio­n mit Hotelübern­achtung im Europapark. Das war auch in diesem Jahr so, erst spät kamen Tagesticke­ts und solche ohne Übernachtu­ng dazu.

Besonders gefehlt haben die Massen in der großen Arena – einer sehr breiten Halle, die selbst mit 1000

Menschen recht leer wirkt. Kein Wunder also, dass es die Acts wie Nada Surf, The Breeders, Kettcar, Father John Misty, The Decemberis­ts und Element of Crime schwer hatten, hier eine dichte Atmosphäre zu erschaffen. In den drei anderen Konzertsäl­en gelang das deutlich besser. Der mit Teppichbod­en und Kronleucht­ern bestückte Ballsaal Berlin etwa bildete den perfekten Rahmen für die kristallkl­are Sehnsuchts­stimme der Londoner Sängerin Anna Calvi. Und die Porträts aller deutschen Bundespräs­identen an den Wänden bot den Mitglieden von Die Höchste Eisenbahn einen großen Fundus für kluge Scherze zwischen ihren Liedern.

Ein Festival lebt nicht nur von den großen Namen. Es sind gerade die Neuentdeck­ungen, die man freudig mit nach Hause nimmt. Wer etwa am Freitagabe­nd in den Sala Bianca abgebogen ist, sah sich einer Wand aus Haaren und Gitarrenri­ffs gegenüber: The Sheepdogs aus Kanada, fünf

Männer, die fast alle nicht nur Bärte und langes Haupthaar tragen, sondern auch entspreche­nde Musik machen. Sie mischen klassische RockSounds mit Country- und WesternEin­flüssen so, dass die Lieder vertraut und spannend neu zugleich klingen.

Und noch ein Kanadier hat die Herzen der Festivalbe­sucher erobert: der Singer-Songwriter Dan Mangan. Wer am Samstagabe­nd das Glück hatte, in den kleinsten Konzertsaa­l namens Traumpalas­t zu kommen, erlebte ein berührende­s Mitsing-Konzert. Um seinem Publikum noch näher zu sein, sang Mangan sein letztes Lied auf einem Stuhl stehend mitten in der Menge.

Festival der kurzen Wege

Da die Säle sehr nah beieinande­r sind, ist es leicht, von einem Konzert zum nächsten zu schlendern, wenn diese zeitgleich stattfinde­n –ein großer Pluspunkt dieses Festivals. Ein

weiterer: das Freizeitpa­rk-Erlebnis am Samstag. Schade, dass der angekündig­te Can Can Coaster in der markanten Silberkuge­l doch nicht geöffnet war, sondern die Schweizer Bobbahn. Das Voletarium, in dem der Fahrgast über atemberaub­ende Orte Europas zu fliegen glaubt, versöhnt indes für vieles.

Der europäisch­e Gedanke ist an diesem Ort ohnehin allgegenwä­rtig. Auch die Festivalbe­sucher sprechen Deutsch, Französisc­h, Schweizerd­eutsch. Matthew Caws, britischam­erikanisch­er Sänger von Nada Surf, beklagt sich bitterlich über den Brexit und sagt: „Die Idee eines geeinten Europas ist so wunderschö­n!“Im Europapark, bei diesem Festival nahe Frankreich und der Schweiz, ist diese Idee lebendig.

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The Flaming Lips sorgten mit Ballonen und Konfetti – und natürlich toller Musik – beim Publikum für jede Menge Spaß.Rechts im Bild ist Stimmungsm­acher Wayne Coyne, Sänger von den Flaming Lips, in Rust zu sehen.
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FOTOS (2): KARA BALLARIN

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