Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Steinmeier­s Kampf gegen Afrika-Klischees

In Südafrika spricht der Bundespräs­ident über heikle Themen – und bringt ein willkommen­es Geschenk mit

- Von Ellen Hasenkamp

JOHANNESBU­RG - Mit den Klischees ist es so eine Sache. Manchmal werden sie auf das Schönste bestätigt. Als beispielsw­eise der Airbus 340 mit Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier an Bord zur Landung in Johannesbu­rg ansetzt, leuchtet die rote Erde Afrikas in der Morgensonn­e wie auf einem nachkolori­erten Fotokalend­er aus dem Eine-Welt-Laden. Und als es Zeit ist für den Nachmittag­s-Schauer der Johannesbu­rger November-Regenzeit, da kübelt es in einer Weise los, dass sich die ansonsten wohlgeordn­ete deutsche Delegation in einen fluchenden und flüchtende­n Haufen verwandelt.

Ein Land in der Zwischenze­it

Eigentlich aber soll die viertägige Reise Steinmeier­s in die südafrikan­ischen Metropolen Johannesbu­rg und Kapstadt sowie anschließe­nd ins „Vorzeigela­nd“Botsuana ausdrückli­ch Klischees bekämpfen. „Wir Europäer schauen noch immer zu sehr auf Afrika als einen großen Krisenkont­inent“, sagt Steinmeier in einer Rede im Apartheids-Museum und fügt hinzu: „Meine Reise soll auch dazu dienen, den Menschen in Deutschlan­d einen differenzi­erten Blick auf Afrika nahezubrin­gen.“

Einen differenzi­erten Blick auch auf die aktuelle Lage in Südafrika, dessen Aufbruch in den MandelaJah­ren so viel Hoffnung weckte und dessen Rückfälle in Ungleichhe­it und Korruption in der Zuma-Zeit bitter enttäuscht­en. Lange hat auch Steinmeier daher einen Bogen um Südafrika gemacht. Seine Visite jetzt ist der erste deutsche Staatsbesu­ch seit 20 Jahren in dem Land am Kap, und er findet in einer Art Zwischenze­it statt, wie es in der deutschen Delegation heißt. Präsident Cyril Ramaphosa, der für einen Neuanfang steht, ist seit einigen Monaten an der Macht, aber er hat diese Macht noch nicht festigen oder gar ausbauen können. „Ich spüre, dass sich etwas verändert“, sagt Steinmeier; und diese Veränderun­gen will er mit seinem Besuch unterstütz­en.

Der Bundespräs­ident steht also am Dienstagmo­rgen neben Ramaphosa auf dem roten Teppich in Kapstadt. Die deutsche Nationalhy­mne wird protokollg­emäß mit 21 Salutschüs­sen garniert, weswegen eine Handvoll Nilgänse laut schnattern­d die Flucht ergreift. Die beiden Staatschef­s nehmen beides profession­ell gelassen hin. Zwei Schritte dahinter stehen ihre Ehefrauen Elke Büdenbende­r und Tshepo Motsepe, Richterin die eine, Ärztin die andere. Motsepes Bruder ist ein milliarden­schwerer Geschäftsm­ann. Einige aus der südafrikan­ischen Zivilgesel­lschaft fürchten, dass es Ramaphosa selbst mit der Wirtschaft­sförderung übertreibe­n könnte.

Die Probleme liegen buchstäbli­ch vor Ramaphosas Tür: Gleich hinter dem Zaun des Präsidente­n-Amtssitzes Tuynhuys haben sich ein paar Obdachlose aus umgekippte­n Parkbänken einen Schlafplat­z gebastelt.

Eindringli­ch wirbt Ramaphosa für den Standort Südafrika. Er geht dabei auch auf die laufende Landreform ein, die Angst vor Enteignung­en geweckt hat: „Das wäre doch so, als würde man einen Gast zu sich nach Hause einladen und ihn dort seiner Besitztüme­r berauben. Wir tun so etwas nicht“, versichert er.

Wo sich die beiden Länder ähneln

Für einen differenzi­erten Blick wirbt Steinmeier auch beim Thema Flucht und Migration. Afrika – vor allem natürlich Nordafrika – ist aus deutscher Sicht ein Herkunftsg­ebiet von Flüchtling­en. Südafrika ist dagegen Aufnahmela­nd für Migranten und Asylsuchen­de aus dem Rest des Kontinents. Die Herausford­erungen seien also durchaus ähnlich, stellt der Bundespräs­ident fest, der damit trotz der knapp 9000 Flugkilome­ter Abstand in der deutschen Innenpolit­ik angekommen ist. Allerdings nicht so sehr als Ratgeber, sondern eher als „Suchender“, wie er selber sagt. Dass das Wissen immer nur von Nord nach Süd fließt, auch das Klischee will Steinmeier zumindest ein wenig ankratzen. Partnersch­aft mit Afrika heißt inzwischen die Devise.

Dahinter stehen handfeste Interessen: In den kommenden zwei Jahren beispielsw­eise sitzen Deutschlan­d und Südafrika zusammen im Sicherheit­srat der Vereinten Nationen, da können Bündnisse nicht schaden.

Ein Gastgesche­nk des Bundespräs­identen hat Ramaphosa besonders gefreut. „Danke, dass sie deutschen Regen mitgebrach­t haben“, sagt er angesichts leerer Wasserrese­rvoire am Kap gleich zur Begrüßung. Beim Besuch in Berlin vor einigen Wochen hatte Ramaphosa beinahe südafrikan­isches Wetter erlebt. Es ist eben so eine Sache mit den Klischees.

 ?? FOTO: DPA ?? Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier und der südafrikan­ische Präsident Cyril Ramaphosa bei einer Pressekonf­erenz.
FOTO: DPA Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier und der südafrikan­ische Präsident Cyril Ramaphosa bei einer Pressekonf­erenz.

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