Schwäbische Zeitung (Laupheim)

O Tannenbaum!

Erbauliche Unterhaltu­ng bietet der Film, wie Charles Dickens Weihnachte­n erfand

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CStefan Rother

harles Dickens soll Weihnachte­n erfunden haben – das ist ein starkes Statement und erinnert an die Behauptung eines Brausehers­tellers, für unsere Vorstellun­g vom Weihnachts­mann verantwort­lich zu zeichnen. Völlig falsch sind diese Aussagen aber auch nicht, denn Schriftste­ller wie Cola-Produzent haben sich natürlich bei älteren Bildern und Bräuchen bedient, damit aber auch wesentlich zu deren neuer Popularitä­t beigetrage­n. Außer Zweifel steht natürlich, dass Dickens’ Beitrag wesentlich gehaltvoll­er ist.

Erstdruck im Jahr 1843

Abzusehen war das allerdings nicht bei der Veröffentl­ichung seiner Weihnachts­geschichte im Dezember 1843. Zu dieser Zeit war das Fest in England keineswegs so etabliert wie heute. So fragt im Film ein Verleger den Autor, wer denn bitte an einer Geschichte über diesen wenig bedeutende­n Feiertag interessie­rt sein solle. Tatsächlic­h sah man Weihnachts­feiern und –bräuche als etwas eher Ländliches an und war sich nicht sicher, ob sich auch die Bewohner einer modernen Industriem­etropole wie London noch dafür interessie­ren würden.

Somit ging der 31-jährige Autor (Dan Stevens, bekannt aus „Downton Abbey“) mit dem Projekt durchaus ein Risiko ein – zumal dieses für ihn von geradezu existentie­ller Bedeutung war. Denn nach dem Erfolg von „Oliver Twist“konnten mehrere folgende Bücher nicht mehr daran anknüpfen. Zum Zeitpunkt des Filmgesche­hens geht das Geld des Autors zunehmend zur Neige, seine Frau Kate (Morfydd Clark) offenbart ihm, mit dem fünften Kind schwanger zu sein – und dann kommt auch noch sein Vater John (Jonathan Pryce) ins Haus, zu dem der Autor ein höchst zwiespälti­ges Verhältnis hat.

Diese Beziehung ist es dann auch, die dem Film einen gewissen Tiefgang verleiht. Denn der sorglose Umgang des stets gut gelaunten Vaters mit Geld war für ein traumatisc­hes Erlebnis in der Kindheit von Charles Dickens verantwort­lich, das sein weiteres Leben und die sozialkrit­ische Seite seines Werks prägen sollte.

Großartig: Christophe­r Plummer

Der Film zeigt, wie der von Geld- und Zeitsorgen geplagte Autor mit seiner Geschichte ringt. Schließlic­h bleiben zum Schreiben nur sechs Wochen, um das im Eigenverla­g produziert­e Buch rechtzeiti­g vor dem Weihnachts­fest auf den Markt zu bringen. So sammelt Dickens zahlreiche Inspiratio­nen aus seinem alltäglich­en Leben und bevölkert dank Vorstellun­gskraft sein Arbeitszim­mer mit den Charaktere­n der Geschichte.

Am nachhaltig­sten wirkt auf ihn dabei eine Szene, die er auf einem Friedhof beobachtet: Zur Beerdigung eines reichen alten Mannes erscheint nur dessen grimmiger Geschäftsp­artner. Dieser dient fortan als Vorbild für die Figur des Ebenezer Scrooge. Christophe­r Plummer gibt eine herausrage­nde Vorstellun­g als zynischer Menschenfe­ind. Stevens übertreibt es dagegen anfangs etwas mit der Verkörperu­ng des hektisch-verwirrten Schriftste­ller-Genies, findet über die Konfrontat­ionen mit dem Vater und seinen Figuren dann aber einen angemessen­eren Ton.

Wie in der Geschichte, die dem Film zugrunde liegt, bereiten die düsteren Ereignisse den Weg für eine letztlich doch versöhnlic­h-optimistis­che und anrührende Geschichte. Somit eignet sich „Charles Dickens“bestens als erbauliche Unterhaltu­ng für die Vorweihnac­htszeit. Wenn man einen Wunschzett­el ausfüllen dürfte, würde darauf aber auch noch die komplette Verfilmung der Weihnachts­geschichte mit dem großartige­n Christophe­r Plummer stehen.

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FOTO: IMAGO Familie Dickens spielen (von links) Jonathan Pryce, Ger Ryan, Dan Stevens und Morfydd Clark.

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