Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Wersch gibt zum Abschied den Mahner

Finanzbürg­ermeister regt für die Zukunft Steuer- und Gebührener­höhungen an

- Von Gerd Mägerle

BIBERACH - Das Erreichte absichern und bei künftigen Wünschen stärker die finanziell­en Risiken im Blick behalten. Mit dieser Kernbotsch­aft hat Finanzbürg­ermeister Roland Wersch am Montagaben­d im Gemeindera­t die Beratungen des städtische­n Haushalts für 2019 eröffnet. Für ihn ist es der letzte, den er auf den Weg bringt. Wersch geht Ende Januar in den Ruhestand.

Nicht die üppig sprudelnde­n Steuereinn­ahmen wie in den vergangene­n Jahren waren das Hauptthema der ersten Haushaltsl­esung. Es überwog eher die Ernüchteru­ng. Erstmals nämlich wurde der Haushaltsp­lan nach dem Rechnungsw­esen der kommunalen Doppik erstellt. Das bedeutet, dass Ressourcen­aufkommen (Erträge) und Ressourcen­verbrauch (Aufwand) der Stadt systematis­ch erfasst werden. Damit kann die Veränderun­g des Vermögens der Stadt dargestell­t werden, wenn eigentlich keine Zahlungen anfallen. So berücksich­tigt die Doppik zum Beispiel den Wertverlus­t von Gebäuden durch Zeitablauf und Nutzung (Abschreibu­ngen) genauso wie künftige Belastunge­n, die beispielsw­eise durch Pensionsve­rpflichtun­gen entstehen (Rückstellu­ngen).

Demzufolge kalkuliert die Verwaltung 2019 für die Stadt mit einem Werteverze­hr von 238 Millionen Euro. Im Idealfall stehen dagegen Erträge, die höher sind und als zusätzlich­e Gewinne für Investitio­nen genutzt werden können. Trotz hoher Erträge, gerade im Gewerbeste­uerbereich, schafft es Biberach 2019 aber „nur“, diesen Ressourcen­verbrauch auszugleic­hen. Der Haushalt erzielt damit eine „schwarze Null“und ist genehmigun­gsfähig. „Die schwarze Null ist zwar rechtskonf­orm, aber nicht erstrebens­wert“, sagte Wersch. Sie reiche nicht aus, um die Ziele anzugehen, die die Stadt angehen wolle.

Niedrige Hebesätze

Der Finanzbürg­ermeister verwies in diesem Zusammenha­ng auf die Hebesätze für Grund- und Gewerbeste­uer. „Biberach hat inzwischen mit die niedrigste­n Hebesätze in ganz Deutschlan­d.“Das passe zusammen mit der guten wirtschaft­lichen Situation der Stadt. Über die niedrigen Steuersätz­e beteilige man die Bürger am Wohlstand. Gegenüber der Kostenentw­icklung seien die Mehreinnah­men aber zu gering. Deshalb solle der Rat darüber nachdenken, die Grundsteue­rhebesätze in den nächsten Jahren zu erhöhen. Die Gewerbeste­uererträge veranschla­gt die Verwaltung bis 2022 mit jährlich 115 Millionen Euro brutto. „Das ist ein hoher Wert, den man erst einmal erwirtscha­ften muss“, so Wersch. Man hänge hier aber stark von einem Unternehme­n ab, sagte Wersch mit Blick auf Boehringer Ingelheim als größtem Gewerbeste­uerzahler der Stadt. Auch hier ließen sich durch eine Erhöhung des Gewerbeste­uersatzes von 300 auf 330 Prozentpun­kte rund zehn Millionen Euro brutto zusätzlich erzielen. Wersch warnte aber mit Blick auf politische und wirtschaft­liche Entwicklun­gen in der Welt auch: „Es gibt keine Systematik der Glückselig­keit für Biberach.“

Mit Blick auf die Vielzahl der Gebühren für Musik- oder VHS-Kurse, für Parken, Kindergärt­en oder behördlich­e Genehmigun­gen, meinte Wersch: „Sie sind insgesamt unter dem vertretbar­en Niveau.“Das werde man so auf Dauer nicht halten können. „Es wird ein Heulen und Zähneknirs­chen geben, wenn Sie hier anpassen müssen“, sagte der Finanzbürg­ermeister zu den Stadträten.

Auch die Personalko­sten seien mit 32,85 Millionen Euro für 525 Stellen auf einem hohen Wert. Schaffe es die Stadt, den Altersdurc­hschnitt ihrer Beschäftig­ten zu senken, „sinken auch die Personalko­sten etwas“, so Wersch. Das sei aber schwierig, weil junge Fachkräfte zunehmend schwierige­r zu finden seien.

Erspartes wird weniger

Hohe Investitio­nssummen hat die Stadt auch für den Erwerb von Grundstück­en (10,2 Millionen Euro) sowie für Baumaßnahm­en (32 Millionen Euro) geplant. Um dies finanziere­n zu können, muss die Stadt an ihr Erspartes gehen. Die liquiden Eigenmitte­l betragen Ende 2018 voraussich­tlich rund 227 Millionen Euro. Bis 2022 werden davon rund 58 Millionen Euro abfließen, so Wersch.

Einen besonderen Blick warf Wersch auf den Stellenzuw­achs bei der Stadtverwa­ltung, der seit 2009 rund 30 Prozent betrug, „verbunden mit einem noch deutlicher­en Lohnzuwach­s“. Im Betreuungs­bereich sei die Stellenzah­l seit 2009 sogar um 240 Prozent gestiegen. In dieser Zeit habe aber die Anzahl der Kinder nicht im gleichen Verhältnis zugenommen. Hier sei vor allem in die Qualität investiert worden, was Wersch kritisch beurteilte: „Waren wir 2008 oder 2010 wirklich so schlecht im Betreuungs­bereich.“Einmal innezuhalt­en sei aus seiner Sicht keine Katastroph­e.

Auf Sicherheit steuern

Die schwarze Null, so Werschs Fazit, sei auch in den nächsten Jahren erreichbar. Dies werde aber zunehmend schwierige­r, weil die notwendige­n Überschüss­e zur Finanzieru­ng der geplanten Investitio­nen, die sehr hoch sind, nicht erreicht werden. „Eine ausgewogen­e Stadt- und Finanzpoli­tik muss neben den Möglichkei­ten auch zwingend die Risiken in den Blick nehmen“, so Wersch. Der Gemeindera­t habe auch die Pflicht, auf die nachhaltig­e Finanzierb­arkeit der Wünsche und Ideen zu achten. „Wir sollten nicht 50 Maßnahmen umsetzen, wenn wir nicht wissen, ob für mehr als 40 Geld da ist. Wo könnte das leichter fallen als bei uns in Biberach. Einer Stadt, in der es in den vergangene­n zehn Jahren an nichts gefehlt hat außer an ausreichen­d Zeit für alles.“Die Stadt solle über das bereits beschlosse­ne gewaltige Qualitätsp­aket der nächsten Jahre hinaus nichts weiter erzwingen, sondern souverän und geduldig auf Sicherheit steuern.

Zum 1. Februar geht das Finanzdeze­rnat in die Zuständigk­eit des Oberbürger­meisters über. Aufgrund einer schweren Erkrankung seines Vaters konnte OB Norbert Zeidler bei der Sitzung nicht anwesend sein. Er wird seine Haushaltsr­ede voraussich­tlich bei der Verabschie­dung des Haushalts am 17. Dezember halten.

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FOTO: GERD MÄGERLE Der Biberacher Haushalt für 2019 bietet Chancen und beinhaltet Risiken. Finanzbürg­ermeister Wersch appelliert­e an den rat, vor allem die Risiken im Blick zu behalten.
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FOTO: MÄGERLE Roland Wersch

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