Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Die Diskussion über unseren Umgang mit Mobilfunk ist überfällig“

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Zur Berichters­tattung über Mobilfunkm­asten auf den Schuldäche­rn in Schönebürg (geplant) und Sießen im Wald (bereits montiert) und die Gefahren durch Mobilfunks­trahlung:

Am liebsten wäre auch mir, diese fasziniere­nde Mobilfunk-Technik, wie wir sie besonders über Smartphone­s erleben, hätte keine „Risiken und Nebenwirku­ngen“. Wenn dann einer kommt und meinen Spaß an der Sache trübt, mag ich das nicht. Das kann ich sehr gut nachempfin­den.

Und trotzdem ist die Diskussion über unseren bundesrepu­blikanisch­en Umgang mit Mobilfunk überfällig. Die von Thomas Weiß zitierte WHO hat auch Prof. Buchner erwähnt. Sie stellt fest, dass Mobilfunks­trahlung „möglicherw­eise krebserreg­end“ist – wie Rauchen auch. Es wird halt – Gott sei Dank – nicht jede(r) krank.

Wenn also niemand behauptet, Mobilfunks­trahlen seien unbedenkli­ch, dann ist es ethisch geboten, die Strahlung in möglichst niedrigen Bereichen zu halten. Unsere deutschen Grenzwerte (4 500 000 Mikrowatt/ m2) sind zwingend zu reduzieren. In der Schweiz ist es ein Hundertste­l (45 000 Mikrowatt/m2). Die Bundesärzt­ekammer schlägt 1000 Mikrowatt/m2 vor. Mobilfunkn­etze in anderen Ländern kommen mit einem Hunderttau­sendstel unseres Grenzwerts aus.

Das Urübel an der Festlegung bundesdeut­scher Grenzwerte ist freilich das Messkriter­ium: Während einer sechsminüt­igen Einwirkung von Strahlen darf menschlich­es Gewebe um nicht mehr als ein Grad Celsius erwärmt werden. Das ist der kurzfristi­ge, „thermische“Effekt. Es sind aber gerade die „nicht-thermische­n“und längerfris­tigen Wirkungen, die Anlass zum Nachdenken geben. Und wer hat die deutschen Grenzwerte festgelegt: ein in München eingetrage­ner Verein mit dem Kürzel ICNIRP, zu deutsch: Internatio­nale Kommission zum Schutz vor nichtionis­ierender Strahlung. Er ist keinem Kontrollgr­emium Rechenscha­ft schuldig. Neumitglie­der werden von den bisherigen Mitglieder­n berufen. Eine um Vertrauen werbende Einrichtun­g stelle ich mir in der Struktur anders vor. Da ist die Politik gefragt.

Und was ist jetzt mit Sießen? - Einen klaren Konsens unter Befürworte­rn und Skeptikern gibt es, soweit ich sehe, doch: Stünde der Mobilfunkm­ast 500 Meter von der Schule entfernt, wäre die Belastung marginal. Und die Aufregung gäbe es nicht. Die Stadt Ulm hat deshalb „Schutzzone­n“eingericht­et. Sind wir dazu nicht im Stande?

Josef Thanner, Hörenhause­n

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