Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Frans Timmermans: Wortgewaltiger Sozialdemokrat
Wer Frans Timmermans auf einer internationalen Konferenz sprechen hört, bemerkt schnell zweierlei: Erstens, dass er ein beachtliches Sprachentalent hat: Timmermans spricht fehlerlos und quasi akzentfrei Deutsch und außerdem fließend Englisch, Französisch, Italienisch und Russisch – neben seiner Muttersprache Niederländisch. Und zweitens, dass ihm einiges daran liegt, seine Zuhörer nicht zu langweilen.
Zu beobachten waren beide Eigenschaften Timmermans’ in der vergangenen Woche in Bregenz, bei einer EUKonferenz zur Subsidiarität. Der 57Jährige sprach dort in der Doppelfunktion, die ihn in den kommenden Monaten begleiten wird: Zum einen ist er Spitzenkandidat der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE) für den Posten als Chef der nächsten EU-Kommission. Zum anderen ist er seit 2014 Vizepräsident der aktuellen Kommission unter Jean-Claude Juncker.
Timmermans wechselte in Bregenz also laufend zwischen Englisch und Deutsch – einmal sogar mitten in einem englischen Satz, in den er das deutsche Wort „Europaverdrossenheit“einschmuggelte. Die will Timmermans, wie sein Konkurrent Weber, bekämpfen.
Und Subsidiarität, dieses Wort steht quasi beispielhaft für einen entscheidenden Grund für Europaverdrossenheit: Dass viele Bürger die Europäische Union als bürokratisches Ungetüm wahrnehmen, aus dem vor allem klobige Beamtensprache nach außen dringt – die EU aber gleichzeitig enorm wichtig ist für den Alltag ihrer 500 Millionen Einwohner von Nordfinnland bis Südportugal. Denn der lateinischstämmige Zungenbrecher Subsidiarität beschreibt einen Grundpfeiler der EU: Die Institutionen in Brüssel sollen nur das regeln, was sinnvoll ist – alles andere wird in Nationalstaaten, Ländern, Kommunen entschieden.
Timmermans weiß, dass das ein sehr heikles Thema ist, weil viele Europäer Angst davor haben, nationale Souveränität abzugeben. Er ist dafür, mehr entscheidende Politikbereiche zentral zu regeln: die Außenpolitik vor allem, aber auch in der Sozialpolitik will er mehr gemeinsame Standards – damit es gerechter zugeht, und der Wohlstandsgraben zwischen Ländern wie Rumänien und Luxemburg nicht so abgrundtief bleibt. Und Timmermans wählt drastidiese sche Worte, um für Vorstellung zu werben: „Ein Mann, allein in der Wüste, ist souverän. Er ist tot – aber auch souverän.“