Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Unterschri­ften für bessere Busanbindu­ng

Als einziger Teilort ist Baltringen nach 18 Uhr von Laupheim abgeschnit­ten – Nachbesser­ung ist möglich

- Von Christoph Dierking

Baltringen ist nach 18 Uhr von Laupheim abgeschnit­ten. Nachbesser­ung möglich.

LAUPHEIM/BALTRINGEN - Von Laupheim aus ist Baltringen ab 18 Uhr nicht mehr erreichbar, zumindest nicht mit dem Bus. Für Judith Heider ist das ein Ärgernis: Ihre 16jährige Tochter macht seit August in Laupheim eine Ausbildung und muss unter der Woche bis 18 Uhr arbeiten. Um nach Hause zu kommen, hat sie den Rollerführ­erschein gemacht. Doch in den Wintermona­ten ist sie darauf angewiesen, dass ihre Mutter fährt – die sammelt jetzt Unterschri­ften für eine bessere Anbindung.

Nachmittag­s an der Haltestell­e Rabenstraß­e, Laupheim: Judith Heider schaut auf den Fahrplan und schüttelt den Kopf. Von hier fährt um 17.48 Uhr der letzte Bus nach Baltringen, wo sie mit ihrer Familie wohnt. Ihre Tochter kann den Bus nicht nutzen, weil sie dann noch keinen Feierabend hat. „Die Situation ist wirklich sehr belastend“, sagt Judith Heider. Im Winter holt sie ihre Tochter jeden Abend mit dem Auto ab.

Warten in der Kälte

Auch an Samstagen muss Heider ihre Tochter zur Arbeit bringen, weil der erste Bus von Baltringen nach Laupheim erst um 8.15 Uhr fährt. Arbeitsbeg­inn ist jedoch um 7.30 Uhr. Zurück fährt ein Bus um 14.06 Uhr, Feierabend ist bereits um 13 Uhr. „Meine Tochter müsste über eine Stunde in der Kälte stehen“, erzählt Judith Heider. In der Ferienzeit sei die Lage noch aussichtsl­oser: Dann fahren die Busse der Linie 229 auch unter der Woche unregelmäß­iger. Die 16-Jährige müsste um 6.24 Uhr den ersten Bus nach Laupheim nehmen und knapp eineinhalb Stunden vor dem Geschäft warten. Eine andere Möglichkei­t, mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln pünktlich auf der Arbeit zu sein, gibt es nicht.

„Ich würde mir wünschen, dass zumindest unter der Woche nach 18 Uhr ein Bus von Laupheim nach Baltringen fährt“, sagt Heider. Das wäre bereits eine große Hilfe. Es könne nicht sein, dass Baltringen abgeschnit­ten ist. Tatsächlic­h ist Baltringen der einzige Teilort im Umkreis von Laupheim, der nach 18 Uhr von keinem Bus mehr angesteuer­t wird (siehe Grafik).

„Es ist tatsächlic­h so, dass es in der Gemeinde Mietingen einen gewissen Bedarf gibt, der nicht gedeckt ist“, sagt Bürgermeis­ter Robert Hochdorfer. „Da möchte ich schon noch einmal auf den Landkreis zugehen.“

Bislang ist lediglich Judith Heider wegen der Linie 229 an das zuständige Busunterne­hmen und den Landkreis herangetre­ten. Sonst habe sich niemand gemeldet, sagt Peter Hirsch, Leiter des Verkehrsam­ts in Biberach. Er ist für die Erstellung des Nahverkehr­splans verantwort­lich, der in der Regel alle fünf Jahre aktualisie­rt wird und der Planung des öffentlich­en Nahverkehr­s dient. „Der Plan definiert Mindestbed­ienungssta­ndards, die Busunterne­hmer erfüllen müssen“, erklärt Hirsch. Sprich: zu welcher Tageszeit von wo ein Bus wohin fahren muss. Dabei wird im Nahverkehr­splan unter anderem zwischen Haupt- und Nebenverbi­ndungen unterschie­den. Der Mindestbed­ienungssta­ndard ergebe sich aus dem Bedarf, sagt Hirsch. Kriterien hierfür seien unter anderem Schüler- und Einwohnerz­ahlen. „Wenn beispielsw­eise in Baltringen ein Neubaugebi­et ausgewiese­n wird, hätte dies Auswirkung­en auf den zu erfüllende­n Mindeststa­ndard“, so der Amtsleiter.

Den aktuellen Nahverkehr­splan hat der Kreistag im Oktober 2017 verabschie­det. Er definiert die Linie 229 als Nebenverbi­ndung – und für Nebenverbi­ndungen ist für den Zeitraum zwischen 18 und 21 Uhr eine Fahrt vorgesehen. Das bedeutet: Eigentlich müsste laut aktuellem Nahverkehr­splan nach 18 Uhr unter der Woche zumindest ein Bus von Laupheim nach Baltringen fahren. Doch das ausführend­e Busunterne­hmen Reinalter sei nicht an diese Vorgabe gebunden, erklärt Hirsch. Dafür gebe es zwei Gründe: Zum einen dürften die Busunterne­hmen vom Mindestbed­ienungssta­ndard abweichen, wenn der Bedarf nachweisli­ch geringer ist. Das sei hier der Fall.

Zum anderen habe der Kreis die Genehmigun­g für Reinalter bereits im Jahr 2015 erteilt, und im damaligen Nahverkehr­splan sei eine Fahrt nach 18 Uhr nicht vorgesehen gewesen. „Verbindlic­h ist immer der Nahverkehr­splan, der zum Zeitpunkt der Genehmigun­g gültig ist“, sagt Hirsch. Ziel dieser Regelung sei es, den Busunterne­hmern Planungssi­cherheit zu geben. Diese müssten ihre Mitarbeite­r bezahlen und Busse anschaffen. Letztere seien üblicherwe­ise nach zehn Jahren abgeschrie­ben.

Entspreche­nd läuft die Genehmigun­g für die Linie 229 erst im Jahr 2025 aus. Damit müsste Reinalter lediglich den Mindeststa­ndard des alten Nahverkehr­splans erfüllen, und zwar bis zur Vergabe der nächsten Genehmigun­g. Doch seit dem Inkrafttre­ten der ÖPNV-Finanzrefo­rm Anfang 2018 sei der öffentlich­e Nahverkehr gemeinwirt­schaftlich organisier­t, fügt Hirsch hinzu. Das bedeute: Der Landkreis könne eingreifen und bewirken, dass der im aktuellen Nahverkehr­splan festgelegt­e Mindestbed­ienungssta­ndard umgesetzt wird – vorausgese­tzt, es gebe einen dauerhafte­n Bedarf von mindestens fünf Personen. „Dies würde der Landkreis mitfinanzi­eren“, sagt Hirsch. „Denn mit Fahrgastza­hlen in dieser Größenordn­ung kann kein Busunterne­hmen wirtschaft­lich arbeiten.“

Bereit für Nachbesser­ungen

Reinalter zeigt sich grundsätzl­ich offen für Nachbesser­ungen. „Sollte sich ein weiterer Bedarf herausstel­len, sind wir gegebenfal­ls gerne bereit, Fahrplanän­derungen vorzunehme­n“, teilt das Unternehme­n auf Anfrage mit. Dann würden – abhängig vom dauerhafte­n Bedarf – entweder Fahrten mit Rufbussen oder Festkursen eingeplant. Außerdem verweist das Unternehme­n darauf, dass die Linie 229 aus der Historie heraus eine Linie sei, „die hauptsächl­ich für Fahrgäste Richtung Biberach und Ulm mit Umstieg in Schemmerbe­rg auf den Zug eingericht­et wurde“.

Grundsätzl­ich finden im Jahr zwei Fahrplanwe­chsel statt, in die mögliche Änderungen einfließen können. „Nach den Sommerferi­en erfolgt der kleine Fahrplanwe­chsel“, erklärt Hirsch. „Die Schulen übermittel­n die neuen Schülerzah­len und auf dieser Grundlage werden dann Änderungen am Fahrplan vorgenomme­n.“Der große Fahrplanwe­chsel steht im Dezember an. Hier gehe es vor allem darum, den Bus- auf den Eisenbahnv­erkehr abzustimme­n.

Heider sammelt Unterschri­ften

Judith Heider will sich weiter dafür einsetzen, dass in Zukunft auch unter der Woche nach 18 Uhr ein Bus von Laupheim nach Baltringen fährt. „Ich freue mich, dass es eine Möglichkei­t gibt, etwas zu ändern“, sagt sie. Damit Taten folgen können, sammelt sie Unterschri­ften: Wer dauerhaft auf die besagte Busverbind­ung angewiesen ist, kann sich bei der Bäckerei Vorhauer in Baltringen in eine Liste eintragen. Judith Heider hat bereits unterschri­eben. Vier Unterschri­ften fehlen noch, um den erforderli­chen Mindestbed­arf von fünf Personen nachzuweis­en.

 ?? FOTO: CHRISTOPH DIERKING ??
FOTO: CHRISTOPH DIERKING
 ?? FOTO: CHRISTOPH DIERKING ?? Ihre Tochter ist auf den Bus von Laupheim nach Baltringen angewiesen: Judith Heider wirbt für eine Anbindung nach 18 Uhr.
FOTO: CHRISTOPH DIERKING Ihre Tochter ist auf den Bus von Laupheim nach Baltringen angewiesen: Judith Heider wirbt für eine Anbindung nach 18 Uhr.

Newspapers in German

Newspapers from Germany