Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Doppischer Haushalt ermöglicht mehr Transparen­z“

Die Finanzdeze­rnentin Elena Breymaier über Sinn und Nutzen des neuen Haushalts- und Rechnungsw­esens

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LAUPHEIM (ry) - Was ändert sich mit der Einführung des Neuen Kommunalen Haushalts- und Rechnungsw­esens, und was haben die Bürger davon? Laupheims Finanzdeze­rnentin Elena Breymaier beantworte­t Fragen der SZ-Redaktion.

SZ: Frau Breymaier, was ist der Hauptunter­schied zwischen der Kameralist­ik und der Doppik?

Breymaier: In der Kameralist­ik stand der reine Geldverbra­uch im Vordergrun­d, sprich Ein- und Auszahlung­en. In der Doppik wird der Ressourcen­verbrauch betrachtet. Es geht um die Erhöhung oder Minderung des Eigenkapit­als. Früher wurde nur über die Investitio­n gesprochen, zum Beispiel für einen Kindergart­en in Höhe von x Millionen Euro. Künftig müssen wir auch die Folgekoste­n, unter anderem Abschreibu­ngen, in einer Gewinn- und Verlustrec­hnung mitbetrach­ten. Der doppische Haushalt ermöglicht mehr Transparen­z und macht die Entscheidu­ngen unserer Gremien nachhaltig­er, weil wir bereits heute an künftige Generation­en denken. Stichwort: intergener­ative Gerechtigk­eit. Das heißt, wir sollen heute nur das verbrauche­n, was wir auch erwirtscha­ften können. Als Bild dazu habe ich einen Wald vor Augen: Der Forstwirt fällt Bäume und pflanzt gleichzeit­ig nach. Ein weiterer Unterschie­d zur bisherigen Herangehen­sweise ist: Die Stadt muss jetzt ihr komplettes Vermögen bewerten. Dies wird in einer Bilanz dargestell­t.

Welchen Nutzen hat das Neue Kommunale Haushalts- und Rechnungsw­esen für die Stadt und die Bürger?

Zunächst sieht die Stadt nach Abschluss der Vermögensb­ewertung erstmalig, wie „reich“oder „arm“sie tatsächlic­h ist. Denn: Das Geld auf dem Konto ist das Eine, aber wie Privatleut­e besitzt auch eine Stadt Anlagegüte­r (Gebäude, Fahrzeuge, Ausstattun­gsgegenstä­nde). Durch die Aufstellun­g einer Bilanz orientiert sich die öffentlich­e Verwaltung in Richtung Privatwirt­schaft. Wir sehen dann aber noch deutlicher und mit Zahlen belegt, wo es beispielsw­eise einen Investitio­nsstau gibt, weil Anlagegüte­r bereits abgeschrie­ben, aber noch nicht ersetzt wurden. Wir können somit sehr transparen­t arbeiten und Ersatz- und Neuinvesti­tionen gezielt tätigen, aus den zuvor erwirtscha­fteten Abschreibu­ngen. Laupheims Bürgerinne­n und Bürger profitiere­n dann, wenn die Weiterentw­icklung der Infrastruk­tur strategisc­h auch anhand vorliegend­er Zahlen „geplant“werden kann. Auch die mittelfris­tige Finanzplan­ung kann in der Doppik vorausscha­uender angegangen werden.

Sie sagen, das kommunale Finanzwese­n wird transparen­ter. Wodurch?

Zum Beispiel, wie beschriebe­n, durch die Darstellun­g des Ressourcen­verbrauchs und die Berücksich­tigung des Wertverlus­ts. Die Zielsetzun­g des Gemeindera­ts wird nicht mehr auf einzelne Haushaltss­tellen herunterge­brochen, vielmehr erfolgt die Steuerung über Ziele und Kennzahlen. Das heißt, es wird mehr „das große Ganze“in den Fokus gerückt. Bisher war die Reihenfolg­e eher: Was haben wir an Mitteln, wofür setzen wir sie ein? Künftig fragen wir: Was wollen wir erreichen, und wie kommen wir dahin?

Beim Haushaltsa­usgleich muss die Stadt künftig auch Abschreibu­ngen berücksich­tigen. Wie wird die jeweilige Höhe ermittelt?

Es gibt eine landesweit­e einheitlic­he Abschreibu­ngstabelle, wonach wir uns richten müssen. Ausgehend von den Anschaffun­gs- und Herstellun­gskosten wird dann ein jährlicher Betrag als Abschreibu­ng berechnet. Dieser richtet sich nach der Nutzungsda­uer: Brücken 80 Jahre, Landstraße­n 40 Jahre, Gebäude 50 Jahre, ein Mannschaft­stransport­wagen der Feuerwehr zehn Jahre. Grundstück­e werden übrigens nicht abgeschrie­ben. In der Realität ist es ja eher so, dass sie an Wert gewinnen. Dann würde ein außerorden­tlicher Ertrag bei der Veräußerun­g anfallen.

Schafft es die Stadt Laupheim 2019 mit dem neuen Haushalts- und Rechnungsw­esen auf Anhieb, den Haushalt auszugleic­hen?

Nein, wir werden am Montag bei der Einbringun­g des Haushaltse­ntwurfs bereits ein Defizit von rund 3,5 Millionen Euro im Ergebnisha­ushalt unserer neun Teilhausha­lte ausweisen. Dies war aber vorhersehb­ar. Wir hatten im Jahr 2017 eine historisch hohe Einnahme bei der Gewerbeste­uer mit 45 Millionen Euro, die sich bekanntlic­h im kommunalen Finanzausg­leich mit zweijährig­er Verspätung massiv auswirkt. Wir müssen in Summe über 25,7 Millionen Euro als Finanzausg­leichsund als Kreisumlag­e zahlen, die sich beide auf die hohe Steuerkraf­tsumme beziehen. (Zum Vergleich: Für 2018 rechnen wir mit 16,4 Millionen Euro an Umlagen) Hinzu kommen die erstmalig zu erwirtscha­ftenden Abschreibu­ngen mit zirka fünf Millionen Euro. Gebührener­höhungen werden dennoch keine vorgeschla­gen. Ein negatives ordentlich­es Ergebnis kann maximal auf die drei Folgejahre vorgetrage­n und verrechnet werden.

Leistungen der Verwaltung werden künftig als Produkte bezeichnet und in Produktgru­ppen gegliedert. Wie müssen wir uns das vorstellen?

Ja, wir sprechen nun nicht mehr von Haushaltss­tellen, wovon wir übrigens 4500 hatten, sondern eben von den Produkten und Produktsac­hkonten. Aktuell gibt es 130 Produkte mit diversen Kombinatio­nsmöglichk­eiten. Ein Beispiel: Im Produktber­eich „Sicherheit und Ordnung“gibt es unter anderem die Produktgru­ppe „Einwohnerw­esen“und das Produkt „Erteilen von Ausweis- und sonstigen Dokumenten“. Im Haushaltsp­lan selbst erhält jede Produktgru­ppe ein Produktbla­tt mit Beschreibu­ng, die es dem Leser ermögliche­n soll, sich schnell einen Überblick zu verschaffe­n. Und dann kann man auch Schlüsselp­rodukte bestimmen, wie in Laupheim „Schulen“, „Kindergärt­en“oder in 2019 auch das Thema „Biodiversi­tät“.

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FOTO: ROLAND RAY Laupheims Finanzdeze­rnentin Elena Breymaier stellt am Montag den Haushaltse­ntwurf 2019 im Gemeindera­t vor.

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