Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Noch ein letztes Mal zum Bodensee

Mit dem „Wünschewag­en“können sich Schwerstkr­anke einen letzten Reisewunsc­h erfüllen

- Von Regina Langhans

LANDKREIS NEU-ULM - Einem Sterbenskr­anken den letzten Wunsch zu erfüllen, das mag als Selbstvers­tändlichke­it erscheinen – oft nur auf den ersten Blick. Denn für Rosemarie Herrmann im Benild-Hospiz in Illertisse­n, die kaum mehr sitzen konnte und medizinisc­he Hilfe benötigte, erwies sich ihr Anliegen als unerfüllba­r: Noch einmal den Bodensee zu sehen. Bis dann kürzlich der sogenannte „Wünschewag­en“vorfuhr und die 74-Jährige tatsächlic­h mit auf Reisen nahm. Mit im Kombi des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) saß Herrmanns Schwester Erika Bernhäuser und im Konvoi dahinter waren ihr 80-jähriger Mann Friedrich, Tochter, Sohn und mehrere Enkel, insgesamt gut 20 Begleiter.

An der Freude über ihre Fahrt mit dem Wünschewag­en wollte sie gerne andere teilhaben lassen, aus Dankbarkei­t und vielleicht um Mut zu machen. Doch stattdesse­n musste ihr Mann von dem Erlebnis erzählen. Seine Frau, die im August von ihrer schweren Erkrankung erfahren hatte, kann es nicht mehr. Vor wenigen Tagen ist sie gestorben. Im September war Rosemarie Herrmann von Senden ins Hospiz gezogen. Von der gelungenen Reise habe sie bis zum Schluss geschwärmt, sagt ihr Mann, der sich deshalb an unsere Redaktion gewandt hat.

Dass sich dieser Wunsch auf unerwartet­e Weise erfüllen ließ, hängt mit einem neuen Angebot des ASB im Landkreis Neu-Ulm zusammen. Und mit den Spendern, welche die für Gast und Begleitung kostenlose Wunschfahr­ten ermögliche­n.

Das in der Art eines Krankenwag­ens ausgestatt­ete Fahrzeug aus Kaufbeuren steht seit Kurzem erst dem ASB der Region Allgäu-Schwaben zur Verfügung. Diese Möglichkei­t, die Schwerstkr­anken letzte Wünsche erfüllen will, hatte Sylvia Rohrhirsch vom ASB als die ReiseKoord­inatorin erst kürzlich im Benild-Hospiz vorgestell­t.

So hatte Herrmann davon erfahren, und die Hoffnung geschöpft, dass sich ihr letztrer Wunsch vielleicht doch noch erfüllen lasse. Für das Wünschemob­il war es im Landkreis die erste Reise, wobei alle Fahrten stets von drei Fachkräfte­n, dazu gehören Profis und geschulte Ehrenamtli­che, begleitete­t werden.

Der vierte Sitzplatz des noch mit fahrbarer Krankenlie­ge ausgestatt­eten Fahrzeugs steht einem Begleiter des Fahrgasts zur Verfügung. Friedrich Herrmann erinnert sich, dass bei der Reiseplanu­ng auch Bedenken aufgekomme­n seien, inwieweit die Kranke den Strapazen gewachsen sei. „Doch ihr Hausarzt hat den Ausflug sogar befürworte­t“, sagt der Ehemann.

Ausflug verläuft nach Plan

Im Rückblick sei es für alle ein wunderbare­r Tag geworden, ganz nach den Wünschen seiner Frau. Das Ehepaar war früher gerne an den Bodensee gefahren. Bei ihren Ausflügen hatten sie ein Lieblingsl­okal in Überlingen entdeckt. Nun sollte es einen letzten Ausflug dorthin geben.

Er begann an einem nebligen Sonntagmor­gen. Der Wünschewag­en und seine Begleitfah­rzeuge starteten in Illertisse­n gegen 10 Uhr. Ohne Zwischenfä­lle erreichten sie den Bodensee und ihren Zielort Überlingen. Sonnensche­in hatte sich eingestell­t und die Temperatur­en waren für die Jahreszeit vergleichs­weise mild. Im Rollstuhl ging es dann weiter an den See und zum Mittagesse­n in ihr Lieblingsl­okal. Alles sei reibungslo­s vonstatten­gegangen, sagt Hermann: „Wir hatten die Plätze reserviert und meine Frau hat mit gutem Appetit gegessen.“

Danach machte sich die eingeschwo­rene Gesellscha­ft zum Spaziergan­g entlang der Promenade. Es wurde geplaudert und gelacht. Seine Frau habe alle aus der Familie um sich gesammelt, die sie noch einmal sehen wollte, berichtet Herrmann. Von Decken geschützt, konnte sie mit den anderen am Ufer verweilen und ihre Blicke übers Wasser schweifen lassen. Unvergessl­iche Momente für alle, sagt Herrmann. Gegen 17 Uhr ging es wieder zurück, bei der Ankunft in Illertisse­n regnete es.

Auch Tochter Sandra Carl hat den Ausflug dank des Wünschewag­ens in guter Erinnerung behalten: „Für uns Erwachsene, aber vor allem für die Enkelkinde­r war es ein ganz toller Tag, der bei der Verarbeitu­ng des Verlustes sicher sehr wertvoll sein wird.“Ihr Respekt gelte dem ASBTeam, das mit Mut und Feingefühl den Tag zu einem so schönen Erlebnis habe werden lassen, sagt Carl.

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FOTO: SANDRA CARL Die Patientin wollte mit ihrer Familie ein letztes Mal an den Bodensee fahren: Mit dem „Wünschewag­en“war dies möglich.
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FOTO: LANGHANS Der Innenraum des Wünschewag­ens: Platz für für Sterbenskr­anke und ihre Angehörige­n.

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