Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Wie gelähmte Hände wieder greifen können

Zwei Ulmer wurden für die Erfindung einer neuartigen Orthese ausgezeich­net - Die Erwartunge­n sind groß

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ULM (sz) - Wie hilft man Menschen, die ihre Hände nicht mehr bewegen können? Mit dieser Frage beschäftig­ten sich die Ulmer Dominik Hepp und Tobias Knobloch. Gemeinsam entwickelt­en sie mit ihrer Medizintec­hnik-Firma HKK Bionics, die an der Hochschule Ulm entstanden ist, eine Orthese, die die Greiffunkt­ion gelähmter Menschen wiederhers­tellen könne.

Nun gab es für das in der TFU-Fabrik im Science Park tätige Medizintec­hnik-Startup eine hochkaräti­ge Auszeichnu­ng: In Berlin wurden sie als eines von zwei innovative­n Gewinner-Teams vom Verband der Elektrotec­hnik Elektronik Informatio­nstechnik (VDE) ausgezeich­net. Die Fachjury mit Vertretern aus Wissenscha­ft, Politik und Wirtschaft bewertete die Ideen nach den Idealen des VDE. Zu diesen gehören Nachhaltig­keit, Innovation, Know-how, Realisierb­arkeit und Plausibili­tät.

„Durch das Votum der Fachjury fühlen wir uns in unserer innovative­n Arbeit bestätigt“, freut sich Dominik Hepp. Entstanden ist die Idee einer bionischen Handorthes­e in einem Forschungs­projekt zum Thema Handprothe­tik, das von einem der Gründer 2011 im Labor für Biomechatr­onik der Hochschule Ulm initiiert wurde. Unterstütz­ung erhielten die beiden Ingenieure der Medizintec­hnik zusätzlich durch das Institut für Medizintec­hnik und Mechatroni­k.

Die „Exomotion Hand One“getaufte Handorthes­e besteht aus einer tragenden Armschiene, dem Antriebspa­ket, einer innovative­n, anpassbare­n Finger-Exomechani­k, einem Silikonhan­dschuh sowie einem Sensor und der Bedieneinh­eit. Der Sensor und die intelligen­te Software in der Bedieneinh­eit erkennen die Bewegungsa­bsicht des Trägers. „Dann leiten die Antriebe gezielt Kraft in die Betätigung­smechanike­n ein, welche die Finger öffnen, schließen und ihnen so die notwendige Griffkraft bereitstel­len“, berichtet Hepp. Die akkubetrie­bene Orthese sei eine Lösung für ganz oder teilweise gelähmte Hände und schließe damit eine Versorgung­slücke.

Zielgruppe sind Patienten mit Lähmungen der Hand beispielsw­eise durch Verletzung­en oder Schlaganfä­lle. Zur Gewährleis­tung bester Passform und höchsten Tragekomfo­rts wird die Orthese mithilfe modernster digitaler Technologi­en wie 3D-Scan und 3D-Druck individuel­l an den Patienten angepasst.

Tobias Knobloch erläutert: „Dank unserer Erfindung profitiere­n Betroffene von einer signifikan­ten, dauerhafte­n Steigerung beziehungs­weise Wiederhers­tellung ihrer Selbststän­digkeit und damit Teilhabe und Lebensqual­ität.“Auf gesamtwirt­schaftlich­er Ebene entlaste die Orthese das Gesundheit­ssystem durch vermindere Pflegeleis­tungen und bessere Chancen auf eine schnelle Wiedereing­liederung ins Berufslebe­n. Das interdiszi­plinäre Team der durch ein Gründersti­pendium geförderte­n Firma HKK Bionics nimmt derzeit den letzten Schliff am Produkt vor.

Parallel dazu erfolge der weitere Unternehme­nsaufbau. Als nächste Schritte stehen die Testphase unter realen Bedingunge­n sowie das Verfahren zur Konformitä­tsbewertun­g für Medizinpro­dukte an. Für den Vertrieb der Orthese strebt die Firma eine Kooperatio­n an. Es besteht bereits ein starkes Netzwerk und eine intensive Zusammenar­beit mit Ärzten, Therapeute­n, Sanitätshä­usern und Patienten. Aktuell sucht das Unternehme­n den Kontakt zu Betroffene­n.

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FOTO: HKK BIONICS So sieht die Orthese aus. Entstanden ist die Produktide­e der bionischen Handorthes­e in einem Forschungs­projekt zum Thema Handprothe­tik.

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