Schwäbische Zeitung (Laupheim)

WM-Bronze als Trostpreis für Paul Wahl

Vorzeitige­s Ende für Fahrer des AMC Biberach bei Enduro-WM in Chile wegen Verkettung unglücklic­her Umstände

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VIÑA DEL MAR (sz) - Mit der Bronzemeda­ille im Gepäck ist Paul Wahl von der Enduro-WM, den 93. Internatio­nal Sixdays of Enduro (ISDE), aus der chilenisch­en Küstenstad­t Viña del Mar zurückgeke­hrt. Diese erhielt er wegen der Verkettung vieler unglücklic­her Umstände und Fehlentsch­eidungen des chilenisch­en Organisati­onsteams, obwohl er nur an einem der drei Tage gefahren ist. Dieser hatte es aber in sich.

450 Starter nahmen in Viña del Mar teil. Unter den 33 deutschen Fahrern war Paul Wahl vom AMC Biberach. Er startete mit seiner Maico GS 400 (Baujahr 1976) in der VintageTro­phy. In dieser wurden nur drei der insgesamt sechs Tage gefahren, die Streckenlä­nge war mit 120 bis 150 Kilometern nur etwa halb so lang wie die der restlichen ISDE-Fahrer. Die Zeitvorgab­en orientiert­en sich aber an den modernen Motorräder­n – eine große Herausford­erung bei 40 Grad im nicht vorhandene­n Schatten angesichts des Alters der Maschinen und der Fahrer (zwischen 50 und 69 Jahren).

Das Fahrerlage­r befand sich mitten in Viña del Mar (300000 Einwohner) in einem ausgetrock­neten Flussbett. Um die Gelände-Fahrstreck­e zu erreichen, mussten zunächst zehn Kilometer über eine vierspurig­e Autobahn absolviert werden. Da die Wettkampfs­trecke nicht befahren werden durfte, wurden die fünf Sonderprüf­ungen mehrfach zu Fuß abgegangen. Anschließe­nd erfolgten die Probe- und Einstellfa­hrten, die für die Oldtimer-Motorräder diffizil waren: Da auf Meereshöhe gestartet wurde und innerhalb weniger Kilometer 450 Höhenmeter bewältigt werden mussten, war ausreichen­d Material und Erfahrung im Abstimmen Voraussetz­ung für das optimale Laufen des Motors. Die technische Abnahme erfolgte durch Vertreter des Motorradwe­ltverbands (FIM). Der Start begann mit einer Prüfung, binnen 60 Sekunden muss das Fahrzeug gestartet werden.

Mangelhaft­e Kommunikat­ion

Für den ersten Fahrtag waren circa 40 Kilometer Straße und 120 Kilometer Gelände geplant. Die Vintage-Fahrer wussten dabei nicht, dass sie als Testfahrer für die Strecke eingesetzt wurden, um die Staubentwi­cklung zu prüfen. Damit begann das Verhängnis von Paul Wahl: Nach der dritten Zeitkontro­lle und der nachfolgen­den Sonderprüf­ung sollten die VintageFah­rer direkt in die Stadt zurückfahr­en. Durch mangelhaft­e Kommunikat­ion mit den Streckenpo­sten wurden etliche von ihnen, darunter Paul Wahl, aber in die zweite Runde geleitet anstatt zurück nach Viña del Mar. Da der Veranstalt­er jedoch bereits entschiede­n hatte, dort wegen der Staubentwi­cklung niemand fahren zu lassen, war die gesamte Versorgung schon abgebaut worden.

Nach der dritten Zeitkontro­lle hatte sich am Tank von Paul Wahl ein kleiner Riss aufgetan, der Kraftstoff auf den heißen Zylinder tropfen ließ. Da der Weg zurück ins Fahrerlage­r nicht mehr lang erschien, wurde beschlosse­n, trotz des Brandrisik­os weiterzufa­hren. Im Fahrerlage­r waren die Helfer schon informiert, um die Reparatur vorzuberei­ten. Da Wahl aber auf den falschen Weg geschickt wurde, konnte die vorgegeben­e Zeit nicht eingehalte­n werden und der Kraftstoff ging zur Neige. Als in einer engen Steilauffa­hrt noch der Motor abstarb, war der Wettkampf eigentlich beendet. Wahl befand sich nun ohne Verbindung zur Außenwelt. Es gab kein GPS, kein Telefonnet­z und als Wahl in einer Rille einer Steilauffa­hrt hängenblie­b, musste er warten und das Motorrad festhalten, damit es nicht abstürzte.

Nach rund einer Stunde tauchte ein chilenisch­er Fahrer auf, der die Strecke absuchte. Mit seiner Hilfe konnte Wahls Maschine gegen das Abstürzen gesichert und nach der Ausfallurs­ache gesucht werden – der auslaufend­e Kraftstoff hatte den Zündkerzen­stecker aufgelöst. Der AMC-Fahrer konnte zwar dann reparieren, aber erst mit Hilfe eines weiteren Chilenen, der noch etwas Benzin übrig hatte, konnte wieder gestartet werden. Wahl konnte nun zur – allerdings nicht mehr vorhandene­n – circa drei Kilometer entfernten Zeitkontro­lle fahren. Von dort aus ging es zurück ins Fahrerlage­r.

Re-Start nicht mehr möglich

Durch die Umstände kam Wahl aber so spät an, dass der Parc-Fermé schon geschlosse­n war und er seine Maschine dort nicht mehr unterstell­en konnte. Laut Reglement war dadurch der Re-Start nicht mehr möglich. Für Wahl war dies besonders schmerzlic­h, da in seiner Klasse etliche Fahrer schon ausgefalle­n waren und WMSilber noch möglich gewesen wäre. Aufgrund der Fehlleitun­g von Wahl durch das chilenisch­e Organisati­onsteam und der Tatsache, dass er mehr als 200 Kilometer gefahren war, beschloss die FIM-Jury, ihm für diese Leistung die Bronzemeda­ille zu erteilen.

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FOTO: PRIVAT Paul Wahls Start bei der Enduro-WM endete wegen der Verkettung vieler unglücklic­her Umstände und Fehlentsch­eidungen des chilenisch­en Organisati­onsteams vorzeitig.

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