Schwäbische Zeitung (Laupheim)
„Wir müssen Opfern eine Stimme geben“
Stephen Smith (Foto: dpa) leitet Steven Spielbergs Shoah-Stiftung an der University of Southern California in Los Angeles. Im Interview mit der dpa erklärt er, dass der Film „Schindlers Liste“Holocaust-Überlebende angeregt habe, ihre Geschichte zu erzählen.
Melden sich denn noch Holocaust-Überlebende ?
Auch heute bekommen wir noch Anfragen. Gerade schrieb mir eine Frau, dass ihre 93 Jahre alte Mutter vor ihrem Tod unbedingt noch ihre Geschichte aufzeichnen möchte. Natürlich gehen wir auf solche Bitten ein. Zusätzlich haben wir ein neues interaktives Programm mit dem Namen „Dimensions in Testimony“mit bisher 20 Zeitzeugen, denen wir jeweils 1000 Fragen zu ihrem Leben gestellt haben. Diese Videoaufzeichnungen werden in Schulen oder Museen interaktiv eingesetzt, so als ob die Zuhörer den Betroffenen selber Fragen stellen können. Gerade arbeiten wir an dem ersten deutschsprachigen Interview für den Schulunterricht in Deutschland in diesem neuartigen virtuellen Format.
Gibt es auch andere Verfolgungsopfer, die befragt werden?
Im vorigen Jahr haben wir Rohingya-Flüchtlinge kurz nach deren Flucht aus Myanmar gesprochen. Das war eine sehr bewegende und niederschmetternde Erfahrung, mit diesen Menschen über das Erlebte zu reden. Doch es ist wichtig, den Opfern eine Stimme zu geben, während Verfolgung und Gewalt stattfinden. Mit ihren Zeugenberichten können wir versuchen, Derartiges zu verhindern. Wir haben auch ein Programm für heutige Opfer von Antisemitismus in aller Welt. Nach Anschlägen auf jüdische Einrichtungen in jüngster Zeit, wie in Brüssel, Toulouse, Kopenhagen und zuletzt in Pittsburgh, reden wir mit Betroffenen. In einigen Fällen treffen wir dabei auf HolocaustÜberlebende, die wir schon vor 25 Jahren befragt haben, und die jetzt im hohen Alter erneut Antisemitismus erleben.