Schwäbische Zeitung (Laupheim)
„Motorradsicherheit mithilfe von Konnektivität erhöhen“
Hennes Fischer, Senior Advisor bei Yamaha, über die Forschung zum Thema Vernetzung
BERLIN (dpa) - Das Motorrad der Zukunft ist smart. Es kommuniziert mit anderen Fahrzeugen, erkennt Gefahren und warnt den Lenker automatisch. Das soll die Sicherheit im Straßenverkehr erhöhen. Große Hersteller wie beispielsweise BMW, Honda und Yamaha, die sich im Connected Motorcycle Consortium (CMC) zusammengeschlossen haben, forschen zum Thema Vernetzung. Hennes Fischer, CMC-Sprecher und Senior Advisor bei Yamaha, erläutert im Gespräch mit Peter Löschinger die Trends in der Sicherheitstechnik.
Wozu wurde das CMC gegründet?
Das Hauptanliegen ist, die Motorradsicherheit mithilfe von Konnektivität zu erhöhen. Das Hauptfeature wird Motorcycle Approach Warning sein.
Was ist das?
Ein Warnsystem. Aktuell passieren sehr, sehr viele Unfälle, bei denen etwa der Motorradfahrer auf der Hauptstraße fährt und ein Autofahrer – aus einer Nebenstraße kommend – ihn nicht sieht, losfährt, und es schlimmstenfalls zum Unfall kommt. Mit Konnektivität können wir das Auto schon im Vorfeld warnen: Achtung, da kommt ein Motorradfahrer von links. Auch der Motorradfahrer bekommt die Info über das Auto. Aber auch Informationen über Straßenzustände, Stau und so weiter sollen dann weitergegeben werden.
Wie soll die Kommunikation ablaufen?
Das Ziel ist, eine gemeinsame Architektur und einen gemeinsamen Standard für Motorrad-ConnectivitySysteme zu etablieren. Um sicherzustellen, dass die Motorräder der einzelnen Hersteller untereinander, aber auch mit anderen Fahrzeugen wie Autos, Trucks oder anderen Verkehrsteilnehmern kommunizieren können.
Wie muss man sich diese Kommunikation vorstellen?
Dafür gibt es verschiedene Technologien. Was sicherheitsrelevante Funktionen angeht, müssen sie direkt miteinander kommunizieren. Im Moment geht das mit einer Technologie, die im 5,9-GHz-Band läuft. Darüber tauschen die Fahrzeuge Botschaften aus – etwa über den Standort oder die Fahrtrichtung.
Das ist dann ein drahtloses Netzwerk, vergleichbar mit WLAN?
Ja, die Fahrzeuge sprechen dabei ganz direkt miteinander, grob vereinfacht wie bei einem Walkie-Talkie, und tauschen standardisierte Meldungen aus. Was die Kommunikationstechnologie angeht, haben wir da nichts Neues erfunden, sondern lehnen uns an die Autoindustrie an. Das würde ja auch keinen Sinn machen, da sich beide Gruppen ja austauschen sollen. CMC konzentriert sich darauf, die Technik fürs Motorrad passend zu machen.
Wo liegt dabei die Schwierigkeit?
Sie können die Technik nicht eins zu eins übernehmen. Zum Beispiel ist die Fahrdynamik beim Motorrad eine andere. Und bestimmte Funktionen eines Autos hat ein Motorrad eben nicht, sodass wir gewisse Dinge nicht detektieren können.
Was zum Beispiel?
Wenn ich etwa die Message „Pannenfahrzeug“übertragen will, wird das beim Auto über Parameter abgefragt – etwa Kofferraum offen, Motorhaube offen, Tür offen und angezogene Handbremse. Das haben wir beim Motorrad alles nicht. Wir müssen fragen: Was ist ein Pannenmotorrad, und wie detektieren wir das? Das muss herstellerübergreifend ganz klar geregelt sein, damit sich ein Fahrzeug immer gleich verhält.
Wann werden die Systeme in Serie gehen?
Man muss noch mit etwa drei bis fünf Jahren rechnen. Es hängt auch nicht allein an uns. Einige Standards außerhalb der Motorradindustrie etwa sind in der Schwebe, und wir können nur loslegen, wenn auch die Parameter, die wir nicht zu verantworten haben, geklärt sind. Die Datensicherheit zum Beispiel.
Die meisten Fahrzeuge dürften dann noch nicht vernetzt sein. Wie profitiert ein Biker, wenn er sich dann ein Motorrad mit so einer Technik kauft?
Wenn Sie eine neue Technik in den Markt bringen, hängt die Wirkung entscheidend davon ab, wie stark die Penetrationsrate ist. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass es ein paar Jahre dauert, bis ausreichend Fahrzeuge auf der Straße sind.
Ein nicht vernetztes Fahrzeug würde das Motorrad mit dieser Technik nicht erkennen?
Nein, das setzt die direkte Kommunikation voraus.
Stichwort automatisiertes Fahren: Wie können Motorräder da integriert werden?
Zunächst mal muss man sich fragen, wie weit das Sinn macht, Motorräder zu automatisieren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Motorradfahrer ein voll automatisiertes Fahrzeug auf zwei Rädern haben will – vorausgesetzt, das wäre technisch machbar. Und dann fragt sich, wie teil- oder gar nicht automatisierte Motorräder integriert sind. Da gibt es zwei Möglichkeiten: einmal Konnektivität. Dann teilt das Motorrad dem anderen Fahrzeug mit: Hallo, hier bin ich, verhalte dich bitte entsprechend, dass wir nicht zusammenstoßen. Und das Zweite ist: Die Onboard-Systeme der automatisierten Fahrzeuge müssen in der Lage sein, ein Motorrad zu detektieren, wenn die Konnektivität nicht da ist.
Ist das schwierig für die Sensoren?
Ja, Motorräder zeigen ein völlig anderes Fahrverhalten als beispielsweise Autos, haben ein sehr komplexes Radarbild, weil es sehr viele verschiedene Typen gibt, und im Vergleich zum Auto gibt es wenig Radarreflexionsfläche. Und im Vergleich mit einem Fußgänger haben sie ganz andere Geschwindigkeiten.
Dann haben solche Robotersysteme zum Teil die gleichen Probleme wie der Mensch?
Richtig. Es ist bestimmt technisch machbar, aber es ist eine Herausforderung. Wir sind bei der Entwicklung involviert. Wir können nicht die Arbeit der Autoindustrie machen, aber wir versuchen, so gut es geht beratend tätig zu sein.
Springen wir mal 20 Jahre in die Zukunft. Wie sieht der Straßenverkehr dann aus, und wo hat das Motorrad seinen Platz?
Ein Teil des Straßenverkehrs wird sicher hoch automatisiert sein. Aber das Motorrad wird nach wie vor seinen Platz haben, denn es hat viele Vorteile beim Platz- und Energiebedarf. Auch zur Herstellung braucht man weniger Energie als beim Auto. Das Motorrad hat eigentlich einen guten ökologischen Fußabdruck. Das Motorrad hat nicht nur als Spaßfahrzeug, sondern auch als Kombination aus Freude am Fahren und Fortbewegung eine Zukunft. Wir sehen es auch in künftigen Verkehrsszenarien als wichtiges Transportmittel.