Schwäbische Zeitung (Laupheim)
HIV-positiv und werdender Vater
Viele Menschen mit HIV werden diskriminiert – Zum Welt-Aids-Tag will der Ulmer Michael Diederich das ändern
ULM - Im Januar wird Michael Diederich zum ersten Mal Vater. Der 43Jährige kann sein Glück kaum fassen, weil das Leben des Ulmers bereits beendet schien, als es noch gar nicht richtig angefangen hatte. Im Alter von acht Jahren wurde er als Bluter durch ein verunreinigtes Blutpräparat mit HIV und Hepatitis C infiziert. Mit 17 wollte er sich das Leben nehmen. Keine Zukunft, keine Freunde. „Zum Glück hab’ ich es damals nicht getan“, sagt der Wahl-Wiblinger. Durch enorme Fortschritte in der Medizin hat er heute eine fast normale Lebenserwartung. Sein erstes Kind wird nicht den gefährlichen HI-Virus tragen. Und er möchte dass die Welt weiß: „Man muss keine Angst vor HIV-positiven Menschen haben.“
Mit dieser Botschaft tourt das Vorstandsmitglied der Aids-Hilfe Ulm/Neu-Ulm durch Schulen der Region. Jetzt besonders zur 30. Ausgabe des Welt-Aids-Tages am kommenden Samstag, 1. Dezember. Aus eigener Erfahrung weiß Diederich: Die Stigmatisierung von HIV-positiven Menschen ist immer noch groß. Und die Resonanz von Aids-Aufklärungskampagnen nehme ab, wie Aids-Hilfen-Sozialarbeiter Bernhard Eberhardt beklagt. „Viele Menschen winken ab, weil sie meinen, alles über Aids zu wissen.“Doch ihr Wissensstand sei oft auf dem Stand der 1980er oder 1990er, als das Thema die Schlagzeilen dominierte. Kaum jemand wisse, dass HIV-positive Menschen mit der täglichen Einnahme einer Tablette nicht mehr ansteckend seien. „Auch nicht beim Sex“, wie Dr. Georg Härter sagt.
Der Ulmer ist der einzige HIVSchwerpunktarzt in der Region, die nächsten Kollegen sitzen in Stuttgart und Augsburg. HIV-Medikamente drücken das Virus im Körper unterhalb der Nachweisgrenze. Zahlreiche Studien hätten bewiesen, dass unter Therapie überhaupt kein Ansteckungsrisiko mehr bestehe. Doch nur zehn Prozent der Menschen wüssten davon, das heißt die Diskriminierung hält an. Wie Franziska Walk von der Aids-Hilfe sagt, gebe es immer noch Menschen, die HIV-Positiven keine Hand schütteln, nicht in das gleiche Fitnessstudio gehen wollen, oder gar Ärzte, die die Behandlung verweigern.
Etwa 250 HIV-infizierte betreut der Schwerpunktarzt Georg Härter zur Zeit, die Zahl sei relativ konstant. Wie Statistiken zeigen, habe Aids in der Tat ein wenig seinen Schrecken verloren. Unter anderem auch, weil es inzwischen eine „Pille davor“gibt, ein Medikament („Prä-ExpositionsProphylaxe“), das einen HIV-Negativen vor einer Infektion schütze.
Möglicherweise infolgedessen steigen allerdings die Neuinfektionen von anderen gefährlichen Krankheiten wie Syphilis, Tripper oder Hepatitis-C wieder an. Und auch heterosexuelle Frauen würden häufiger infiziert. Geradezu am „explodieren“, so Härter, sei die Zahl der HIVNeuinfektionen in Osteuropa.
Der Welt-Aids-Tag am 1. Dezember will Solidarität mit Menschen mit HIV und Aids fördern und Diskriminierung entgegenwirken. Mit dem obligatorischen Infostand in der Ulmer Fußgängerzone oder auch der der „Helferzellenaktion Schleife zeigen“an Schulen unter anderem in Neu-Ulm. Mit zum Programm des Welt-Aids-Tags gehört auch eine Ärztefortbildung, die Mediziner auf den neusten Stand der HIV-Erkennung bringen soll.
Ein immer wichtiger werdendes Thema für die Aids-Hilfe ist die Sensibilisierung von Pflegepersonal. Denn durch immer bessere Behandlungsmöglichkeiten und eine damit einhergehende längere Lebenserwartung kämen zunehmend HIV-infizierte in Pflegeheime. Auch hier müssten Vorbehalte durch Information abgebaut werden.