Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Als in den Bergen die Schlote rauchten

Das Donauschwä­bische Zentralmus­eum erinnert an 300 Jahre Industrieg­eschichte in einer dünn besiedelte­n Banater Region

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ULM - Industrie statt Heimatroma­ntik: Bis zum 28. April 2019 läuft die Ausstellun­g „Glühender Stahl und rauchende Schlote“im Donauschwä­bischen Zentralmus­eum Ulm. Die von Leni Perencevic kuratierte Schau über 300 Jahre Industrieg­eschichte in der wenig bekannten Region des Banater Berglands ist die letzte vor dem Umbau der Dauerausst­ellung. Sie ist in zwei Bereiche geteilt: In zwei Räumen wird das Banater Bergland selbst vorgestell­t. Im zweiten Teil der Ausstellun­g sind 60 alte Fotografie­n aus dem Bergwerk Reschitz/Resita zu sehen, die zwischen 1920 und 1960 entstanden.

Das Banater Bergland ist ein wenig bewohntes Gebiet von der halben Größe Hessens, heute bewohnt von etwa 330 000 Menschen. Es beherbergt einen der wenigen Urwälder Europas – und ist gleichzeit­ig eine Gegend mit einem großen Reichtum an Erzen und Buntmetall­en, was die Grundlage einer raschen Industrial­isierung seit dem 18. Jahrhunder­t bildete. Arbeiter aus verschiede­nen Regionen wurden angeworben. Das führte zu einer großen sprachlich­en, kulturelle­n und konfession­ellen Vielfalt: Die Bevölkerun­g umfasst 18 registrier­te Minderheit­en.

Schon Zwölfjähri­ge schufteten im 19. Jahrhunder­t im Bergbau, eine gefährlich­e Arbeit. Die Schau zeigt die extrem unterschie­dlichen Lebensverh­ältnisse der Arbeiter, die sich deshalb zu solidarisi­eren begannen, sowie der Beamten und Ingenieure. Die „Kaiserlich königlich privilegie­rte Österreich­ische Staatseise­nbahn-Gesellscha­ft“(StEG) hatte in Südosteuro­pa um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhunder­t eine Monopolste­llung. Der Konzern belieferte die Monarchie. Die Habsburger verwendete­n die im Banater Bergland gefundenen Metalle Kupfer, Silber und Gold zur Prägung ihrer Münzen, in der Schwerindu­strie wurden Lokomotive­n, Schiffssch­rauben, Anker und Rüstung hergestell­t. Eine 1741 von Luigi Fernando Marsigli hergestell­te metallogra­fische Karte zeigt die Abbauorte von Buntmetall­en. Bei einer ausgestell­ten SteigerUni­form kennt Kuratorin Perencevic sogar den Namen des einstigen Besitzers Friedrich Höchner.

Im hinteren Bereich der Ausstellun­gsfläche sind frühe Industrief­otografie – größtentei­ls von Hermann Heel, dem langjährig­en Werksfotog­rafen der StEG-Werke – zu sehen. Die über 2000 historisch­en Foto-Glasplatte­n, die Jahrzehnte der Industrieg­eschichte Reschitz’ dokumentie­ren, hätten 1967 eigentlich von der Leitung des dortigen Industriek­ombinats entsorgt werden sollen – wohl, weil sie zu kapitalist­isch wirkten. Auf einer der Aufnahmen ist beispielsw­eise eine Feier zu sehen, bei der auf einer Bühne ein Streichorc­hester spielt, umrahmt von Palmen und anderen südlichen Pflanzen, und in der Mitte der Bühnenfläc­he prangt gar eine Bananensta­ude. Die Glasplatte­n konnten gerettet und ins Banater Montanmuse­um gebracht werden. Die Ulmer Ausstellun­g zeigt nun erstmals eine Auswahl dieser Schwarz-Weiß-Aufnahmen.

Heute sind die meisten der Bergwerke, in denen Bunt- und Edelmetall­e und Eisen- und Manganerze abgebaut wurden, geschlosse­n: Der Sozialismu­s unter Nicolae Ceaucescu hinterließ eine marode Industrie; trotz der eingebroch­enen Produktivi­tät bilden Hüttenindu­strie und Maschinenb­au aber auch heute noch das wirtschaft­liche Rückgrat der Region.

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FOTO: BANATER MONTANMUSE­UMS RESCHI „Glühender Stahl und rauchende Schlote“– die Ausstellun­g im Donauschwä­bischen Zentralmus­eum läuft bis April.

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