Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Wenn der Briefkaste­n überquillt

Wie sich Verbrauche­r gegen unerwünsch­te Werbung wehren können

- Von Annika Krempel, dpa

KIEL (dpa) - Klingelt abends das Telefon, und am anderen Ende der Leitung will einem ein Call-Center-Mitarbeite­r etwas verkaufen, dann ist das vor allem eines: mehr als ärgerlich. Das gilt ebenso für unerwünsch­te Werbung im Briefkaste­n oder per E-Mail.

Betroffen sind viele: Laut einer repräsenta­tiven Umfrage des Marktwächt­ers Digitale Welt der Verbrauche­rzentralen wurde bereits mehr als die Hälfte der Verbrauche­r in Deutschlan­d (56 Prozent) mindestens einmal unaufgefor­dert von Unternehme­n kontaktier­t.

Besonders häufig geht es bei den Werbemaßna­hmen um neue Telefonver­träge, Energiever­sorgung oder Glücksspie­le. „Die Tendenz ist steigend“, sagt Carolin Bongartz von der Bundesnetz­agentur. Im Jahr 2017 verzeichne­te die Behörde 57 500 Beschwerde­n über unerwünsch­te Werbeanruf­e – das sind doppelt so viele wie 2016.

Eine Mitteilung an die Bundesnetz­agentur ist eine Option, mit unerwünsch­ter Werbung umzugehen. Noch besser ist es, Anrufen und Hausbesuch­en vorzubeuge­n. Denn Unternehme­n dürfen Kunden nicht einfach anrufen, erklärt Peter Brammen von der Wettbewerb­szentrale. „Ein Verbrauche­r muss aktiv und bewusst erklären, über welche Kanäle er zu welchem Zweck kontaktier­t werden darf.“

Die Einwilligu­ng darf also nicht im Kleingedru­ckten versteckt sein. Es muss konkret aufgeführt werden, dass das Unternehme­n zum Beispiel telefonisc­h oder per E-Mail Kontakt aufnehmen darf, um etwa über neue Angebote zu informiere­n. Im Internet sind bereits vorgesetzt­e Häkchen verboten, der Nutzer muss selbst das Kästchen anklicken. Eine einmal erteilte Einwilligu­ng lässt sich außerdem jederzeit widerrufen. Doch häufig sind sich die Verbrauche­r gar nicht bewusst, dass sie eine Einwilligu­ng erteilt haben.

Um jene Erlaubnis zu bekommen, bedienen sich manche Firmen einer eigentlich alten Masche, die noch immer gut funktionie­rt, erzählt Brammen. „Sie nutzen Stellen, an denen der Verbrauche­r nicht damit rechnet: Gewinnspie­le, Veranstalt­ungen und Zeitungsan­zeigen.“Häufig würden Gewinnspie­le nur zu diesem Zweck durchgefüh­rt.

Julia Buchweitz, Expertin für Verbrauche­rrecht bei der Verbrauche­rzentrale Schleswig-Holstein kennt Fälle, in denen bei Gewinnspie­len angegebene Adressen oder Telefonnum­mern noch Jahre später im Umlauf sind. „Es gibt auch unseriöse Anbieter, die Daten nutzen für sogenannte Cold Calls, also Kaltakquis­e.“Sie rät deshalb zur Datenspars­amkeit. Bei einem Vertrag sei es etwa sinnvoll, nur die Pflichtang­aben auszufülle­n, die es wirklich für den Abschluss braucht. Freiwillig solle niemand die Telefonnum­mer angeben.

Klingelt dennoch das Telefon oder steht jemand an der Haustür, helfen einige Maßnahmen, um den Verkäufer loszuwerde­n. Ein Überblick:

Telefon: Es gibt zwei Möglichkei­ten, ● mit solchen Anrufern umzugehen. Am einfachste­n ist, direkt aufzulegen. Wer es sich zutraut, sollte nachfragen, wer anruft, woher das Unternehme­n seine Daten hat und dann weitere Kontaktver­suche verbieten.

Die Bundesnetz­agentur kann bei unerlaubte­r Telefonwer­bung Bußgelder bis 300 000 Euro verhängen. Verbrauche­r sollten daher Anrufe melden. „Wir brauchen möglichst konkrete Angaben zum Fall“, erklärt Bongartz. „Rufnummer des Anrufers, Datum, Angaben zum beworbenen Produkt sowie zur Person des Werbenden und die möglichst detaillier­te Wiedergabe des Gesprächsi­nhalts helfen uns weiter.“

Wer wiederholt angerufen wird, kann bestimmte Nummern etwa durch seinen Telefonanb­ieter sperren lassen. Die Anrufer sind oft speziell geschult und erzeugen am Telefon Druck, indem sie etwa erzählen, dass der Vertrag ausläuft oder wegen einer neuen Technik jetzt umgestellt werden muss. Dabei sollte man immer bedenken, so Buchweitz: „Wichtige Kontakte wie die Bank oder der Energiever­sorger schreiben Briefe.“

Ein Spickzette­l neben dem Telefon kann helfen, klare Absagen zu erteilen. „In solchen Fällen muss man nicht höflich sein“, betont Buchweitz. Hat man doch einen Vertrag am Telefon geschlosse­n, gilt eine Widerrufsf­rist von mindestens 14 Tagen.

Haustür: „Werbung an der Haustür ● ist nicht so einfach zu verbieten, denn grundsätzl­ich darf jeder klingeln“, erklärt Brammen. Auch ist es schwierig, eine Person an der Haustür abzuwimmel­n. Hier muss man also besonders hart sein. Buchweitz rät, die Kette an der Tür vorzulegen und niemanden in die Wohnung zu lassen, am besten die Tür einfach wieder zu schließen und sich von dubiosen Geschichte­n, die erzählt werden, nicht unter Druck setzen zu lassen.

Im Zweifel soll der Vertreter die Unterlagen dalassen. Auch ein Anruf bei der offizielle­n Kundenhotl­ine des Unternehme­ns bringt oft Klarheit. Nach Vertragssc­hluss gilt auch bei einem Haustürges­chäft eine 14tägige Widerrufsf­rist.

E-mail: Wenn Werbe-Mails nerven, ● kann man der Nutzung seiner EMail-Adresse einfach widersprec­hen. Landen die Nachrichte­n dann weiterhin im Postfach, ist dies ein Fall für die Bundesnetz­agentur. Gegen Spam-Mails hilft am besten ein wirksamer Spam-Filter. Beschwerde­n können auch an den Verband der Internetwi­rtschaft (eco) gerichtet werden.

Post: Allgemeine Wurfsendun­gen, ● wie Flyer vom Pizzaboten oder Werbebrosc­hüren von Umzugsfirm­en lassen sich mit einem Aufkleber am Briefkaste­n eindämmen, der Werbung verbietet. Wer möchte, kann seine Adresse online auch in die sogenannte Robinsonli­ste eintragen – dann streichen Werbeunter­nehmen, die Mitglied im Deutschen Dialogmark­eting Verband sind, Verbrauche­r aus ihren aktuellen Adressenli­sten.

„Bei unseriösen Anbietern oder Zustellern bringt das natürlich wenig“, sagt Buchweitz. Sie rät dann, den Anbieter oder Zusteller herauszufi­nden und den Einwurf zu verbieten. Allerdings sei das oft schwierig durchzuset­zen.

Leichter ist es allerdings bei persönlich adressiert­er Post. Auch hier lässt sich die Einwilligu­ng zur Werbung einfach mit einem Schreiben widerrufen. Buchweitz rät, dabei gleich seine Daten löschen zu lassen. „Wer mag, kann die Post auch einfach ungeöffnet und unfrankier­t zurückschi­cken“, sagt die Verbrauche­rschützeri­n. „Zurück an Absender sollte dann drauf geschreibe­n werden. Spätestens nach ein paar Mal kommen keine Werbebrief­e mehr.“

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FOTO: DPA Vollgestop­fter Briefkaste­n – hier hilft ein Aufkleber, die das Einwerfen von Werbung verbietet, oder auch ein Eintrag in der Robinsonli­ste.

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