Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Vom Nomadenmädchen zur Abiturientin
Durch die Hilfe der Eder-Mollè-Stiftung studiert Tsenabou heute Tiermedizin
RIEDLINGEN/DOUALA (mbu/sz) Seit 20 Jahren engagieren sich die Riedlingerin Dr. Reginamaria Eder und Patience Molle Lobe ehrenamtlich in Kamerun. Sie geben Mädchen und jungen Frauen Halt, Hoffnung und ermöglichen einen Weg in ein besseres Leben. Dem Nomadenmädchen Tsenabou wäre es wie vielen Mädchen in Kamerun gegangen, hätte sie nicht Hilfe bei Patience Molle Lobe gesucht und gefunden. Statt Zwangsheirat in jungen Jahren ging sie ins Gymnasium und machte das Abitur. Heute studiert die 18-Jährige Tiermedizin. Leser, die für die Weihnachtsaktion „Helfen bringt Freude“der Schwäbischen Zeitung spenden, leisten einen wichtigen Beitrag, Mädchen in Kamerun eine Chance auf Bildung zu geben. Dafür dankt die Riedlingerin „du fond du coeur“(aus tiefstem Herzen).
Geboren ist das Nomadenmädchen Tsenabou als zweites Kind und erstes Mädchen von sechs Kindern eines Muslim-Nomaden aus dem Norden Kameruns. Der Vater züchtet Viehherden und ist somit Fleischlieferant für die Metropole. Deshalb ließ sich die Familie in Bomono nieder. In der Kultur des Vaters ist Schule nur Sache für Jungs. Mädchen vergeuden damit nur Zeit. Doch seine Tochter Tsenabou wusste, was sie wollte. Sie erfuhr, dass Patience Molle Lobe sich in Bomono um Mädchen kümmert und bat sie, ihr das Gymnasium zu finanzieren.
Nach einigen Monaten bei HUPJEFI erhielt das junge Mädchen so vor Jahren auch das nötige Schulgeld. Doch der Vater war trotz vieler Gespräche nicht damit einverstanden. Er ließ sie aber gewähren, wohl denkend, sie halte es eh nicht durch. Ihre zwei jüngeren Schwestern sind – wie in ihrer Kultur üblich – mit 14 und 16 Jahren schon „unter der Haube“. Doch Tsenabou gelang es, sich dreimal mit aller Kraft gegen eine Zwangsheirat zu wehren – mit Erfolg.
Als der Vater ihren Willen und ihr Durchhaltevermögen bemerkte, kam er eines Tages sogar ins Zentrum HUPJEFI, wütend und schimpfend, beschuldigte die Mitarbeiter, seiner Tochter moderne Flausen in den Kopf zu setzen und machte alle fertig. Nur mit viel Diplomatie und Geduld gelang es den Mitarbeitern, ihn zu respektieren und trotzdem Tsenabou zu ermutigen durchzuhalten. Sie hatte niemand in der Familie, der zu ihr stand. HUPJEFI unterstützte sie weiterhin, durch Schulgeld, durch Rat und Tat, wenn es daheim mal wieder schwierig war.
Vater entschuldigt sich
Jeweils in den Ferien profitierte sie von den Kursen bei HUPJEFI. Oft gehörte sie zu den Besten ihrer Schulklasse – ohne daheim Strom oder Arbeitsmittel zu haben. Im letzten Sommer schrieb sie nun Abitur – und – oh Wunder für alle in ihrem Umfeld – sie bestand es. Ein Nomadenmädchen mit Abitur! Das öffnet vielen jungen Frauen eine Presche und ist absolut keine Selbstverständlichkeit in Kamerun. Tsenabou bedankte sich ganz offiziell „aus tiefstem Herzen“(du fond du coeur) für die kontinuierliche Begleitung durch die Damen von HUPJEFI. Ihre Entwicklung zur „femme debout“(gestandenen autonomen Frau) ermuntert die anderen Mädchen und berührte beim letzten Elterntag als leuchtendes Beispiel auch die Herzen vieler Erwachsener.
Vor kurzem kam ihr Vater ganz demütig zu HUPJEFI und entschuldigte sich für sein früheres Verhalten.
Er ist tief betroffen, auch verunsichert in seinen kulturellen Vorstellungen und nun doch sehr stolz auf seine Tochter. Inzwischen bewarb sich Tsenabou um ein Medizinstudium, bekam aber keinen Platz und beginnt nun ein Studium als Tierärztin.