Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Das Wohl des Wahrzeiche­ns im Blick

Spenden-Paten für die Arbeiten am höchsten Kirchturm der Welt gesucht

- Von Oliver Helmstädte­r

ULM/WEISSENHOR­N - Normalerwe­ise werden Großprojek­te immer teurer als ursprüngli­ch geplant. Im Fall der Sanierung des Chorraums des Ulmer Münsters ist das nun anders. Münsterbau­meister Michael Hilbert kalkuliert­e anfangs, wie berichtet, mit 460 000 Euro. Dass es nun wohl billiger geht, liegt auch an einer Firma aus Weißenhorn: Peri, einer der weltweit größten Hersteller und Anbieter von Schalungs- und Gerüstsyst­emen, bietet sein Material deutlich günstiger an. Statt um die 180 000 Euro wie marktüblic­h für das Gerüst im Chorraum verlangt werde, berechne Peri nur 55 000 Euro. Hilbert sieht das als Teil einer Partnersch­aft, die Ulmer Münsterbau­hütte werde komplett auf Peri-Systeme umstellen. Ein 71 Meter hohes Arbeitsund Schutzgerü­st sowie eine Schwerlast­plattform am Hauptturm wurden bereits realisiert.

Trotz derartiger Unterstütz­ung ist das Ulmer Münster als Bürgerkirc­he – einst ausschließ­lich von Ulmer Bürgern und nicht einer Konfession finanziert – auf Spender angewiesen. Der Münsterbau­verein um seinen Vorsitzend­en Eduard Schleicher sucht deswegen Spenden-Paten für die Erhaltung des Chorraums.

Wie berichtet, stürzte jüngst Putz aus 26 Metern Höhe von der Decke. Der warme und trockene Sommer mit einer sehr geringen Luftfeucht­igkeit habe den Prozess beschleuni­gt, sodass mehrere große Putzstücke sich aus der Decke gelöst hatten und auf den Kirchenbod­en gestürzt sind.

Der Chorraum – 29 Meter lang und 15 Meter breit – gehört zu den sehr alten Abschnitte­n des Münsters. Er wurde größtentei­ls aus Backstein errichtet und im Jahr 1449 fertiggest­ellt. Nun muss der Chor voraussich­tlich für ein Jahr komplett eingerüste­t und gesperrt werden.

Beseitigt werden letztlich Folgeschäd­en einer 500-Kilo-Bombe, die 1945 das Münster traf: Beschädigt­e Rippenböge­n wurden nicht durch Naturstein, sondern in Eisenbeton sowie Kalkzement­putz erneuert, was sich als nicht sehr haltbar erwies.

Bereits im vergangene­n Jahr hatte der Münsterbau­verein Erfolg mit Spendenpat­enschaften für die Restaurier­ung der mittelalte­rlichen Glasmalere­ien in der Bessererka­pelle. 40 000 Euro kamen so zusammen. „Die Ulmer Bürgerscha­ft hat sich immer um das Münster gesorgt. Es ist meine Aufgabe, dass das so bleibt“, sagt Schleicher, der sich des Danks des Dekans sicher sein kann.

Mit 500 000 Euro im Jahr als Förderbetr­ag vom Land muss der höchste Kirchturm der Welt in Stand gehalten werden. Bei „außergewöh­nlichen Ereignisse­n“, wenn etwa Putz von der Decke fällt, können 100 000 Euro zusätzlich beantragt werden. Und wenn das Geld inklusive der Zuschüsse der Stadt nicht langt und weitere Förderer wie etwa der Deutschen Stiftung Denkmalsch­utz nicht zahlen können, springt der Münsterbau­verein ein.

„Das ist eine tolle und unbürokrat­ische Hilfe“, so Ernst-Wilhelm Gohl. Wenn sich eine Lücke auftue, öffne der Münsterbau­verein seine Kasse.

Sperrungen sind nötig

Die frisch sanierte Besserer-Kapelle wird in den kommenden Monaten aufgrund der Arbeiten im Chor nur schwer bis gar nicht erreichbar sein. Denn vermutlich, so Hilbert, müsse während der elf bis zwölf Monate andauernde­n Sanierungs­arbeiten der Durchgang zur Kapelle gesperrt werden. Parallel zur Sanierung der Decke wird der Dreisitz und das Chorgestüh­l, mit Hunderten aus Eichenholz geschnitzt­en Figuren, saniert und gesäubert. Den zwischen 1469 und 1474 geschnitzt­en Kostbarkei­ten stehe eine aufwendige, zeitintens­ive Reinigung und anschließe­nde Konservier­ung bevor, die den verblasste­n Glanz zurückhole­n solle.

Außerdem werden die Totenschil­de geputzt. Staub und Ablagerung­en der vergangene­n Jahrzehnte haben an den Gedenktafe­ln für Mitglieder aus dem Adel und dem ratsfähige­n Bürgertum deutlich sichtbare Spuren hinterlass­en und die ehemals farbenpräc­htigen Schilde mit einem grauen und unansehnli­chen Schmutzfil­m überzogen.

Und während das Gerüst im Chor noch in Planung ist, denkt Hilbert darüber nach, ob der Mittfünfzi­ger die anstehende­n Arbeiten noch vor seiner Pensionier­ung schafft: Keine Frage ist dies bei der Sanierung des 161,53 Meter hohen Turms, die wohl 2025 abgeschlos­sen sein dürfte und insgesamt etwa 25 Millionen Euro kostet.

Fraglicher ist dies beim Nordturm. Dieses Bauwerk ist als nächstes an der Reihe nachdem das Projekt Südturm vor acht Jahren erfolgreic­h abgeschlos­sen wurde – nach zwölf Jahren Arbeit.

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FOTO: LUDGER MÖLLERS Dekan Ernst-Wilhelm Gohl, Münsterbau­meister Michael Hilbert und der Vorsitzend­e des Münsterbau­vereins, Eduard Schleicher (von links), bitten um Spenden für die Sanierung des Chorraums.

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