Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Hexenkessel-Urteil wohl erst 2019
Narrenpräsident Roland Wehrle ist entsetzt über die Hexenkessel-Tat
HEILBRONN (lsw/jau) - Der Prozess um die Verbrühung einer 18-Jährigen bei einem Fastnachtsumzug im Februar in Eppingen könnte sich bis 2019 hinziehen. Die Befragung der mehr als 40 Zeugen dauerte am Mittwoch an. Die Beweisaufnahme könne laut Amtsgericht Heilbronn erst bei einem weiteren Prozesstag am 21. Dezember abgeschlossen werden. Ob zwischen den Jahren ein Urteil gefällt werden könne, sei unklar. Angeklagt ist das Mitglied einer sogenannten freien Zunft. Der 33-Jährige soll, als Hexe verkleidet, eine Zuschauerin verbrüht haben. Roland Wehrle, Chef der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte (VSAN), ist empört über das Verhalten der freien Zünfte.
WANGEN - Der brutale Hexenkessel-Zwischenfall vergangenes Jahr beim Eppinger Narrenumzug wird nun gerichtlich abgehandelt. Eine sogenannte freie Gruppe hat das Behältnis mit dem siedenden Wasser mitgeführt. Roland Wehrle, Präsident der traditionellen Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte (VSAN), hält bereits diesen Fakt für unverantwortlich. Und dass sich niemand zu seiner Verantwortung bekennt, betrachtet er als Ungeheuerlichkeit. Uwe Jauß hat mit ihm gesprochen.
Was unterscheidet traditionelle, verbandsgebundene Zünfte von freien Zünften?
Traditionelle Zünfte haben einen Ehrenkodex. An diesen halten sie sich. Wir fordern ihn ebenso vom Verband aus ein. Deshalb gehört die schwäbisch-alemannische Fastnacht zum nationalen Kulturerbe der Unesco. Wir halten uns frei von Alkoholexzessen und achten auf unser Benehmen. Offenbar gilt dies aber anderswo nicht. Manchen freien Gruppen fehlt ein Ehrenkodex. Es kann nicht sein, dass so etwas wie in Eppingen passiert, ohne dass sich die Verantwortlichen melden. So etwas darf es nicht geben. Solche Gruppen schädigen die Fastnacht. Die Fastnacht macht Freude – „allen Wohl und niemand Weh“heißt der Wahlspruch.
Wie sorgt der VSAN dafür, dass im Schutz von Häs und Maske kein Schindluder getrieben wird?
Dies steckt bereits im erwähnten Ehrenkodex drinnen. Das bedeutet auch, dass der Narr die Würde des Menschen achtet. Etwas anderes würden wir sofort sanktionieren. Im Übrigen kennt man sich bei uns auch unter der Maske.
Was halten Sie von einer Kennzeichnung der Hästräger zum Beispiel durch Nummern oder Namen? So könnten die Leute identifiziert werden.
Manche Zünfte haben Nummern an den Masken. Aber nicht alle machen das. Es muss auch nicht sein. An den VSAN-Umzügen nehmen jährlich 60 000 bis 70 000 aktive Narren teil. Insgesamt sind wir in der Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutscher Nar- renvereinigungen und -verbände über 800 Zünfte mit über einer halben Million Narren. Passieren tut so gut wie nichts. Zudem dürfte es im bunten Treiben der Umzüge schwer sein, irgendwelche Kennzeichnungen zu erkennen.
Wer darf bei Umzügen überhaupt mitlaufen?
Wir empfehlen, freie Zünfte, die man nicht kennt, nicht mitlaufen zu lassen. Oftmals haben sie keine Traditionen. Es handelt sich womöglich um sogenannte Reisezünfte, die nur an möglichst vielen Veranstaltungen teilnehmen wollen. Von den eigenen Narren braucht man hingegen niemanden auszuschließen. Die kennt man schließlich. So haben etwa in den Verbänden fremde Zünfte eine Bewährungszeit, bevor sie aufgenommen werden.
Wie schätzen Sie es ein, dass die beschuldigte Gruppe in Eppingen einen Kessel mit siedendem Wasser mit sich geführt hat?
Es ist für mich nicht verständlich, dass so etwas Gefährliches mitgeführt wird. Es muss doch jedem klar sein, was immer irgendetwas damit passieren kann.
Könnten Kontrollen helfen?
Man kann nur schwer kontrollieren, was welche Gruppe wirklich mitnimmt. Besser ist, entsprechende Gruppen bei einem Fehlverhalten auszuschließen. Im Vorfeld sollten neue Gruppen dahingehend überprüft werden, ob sie schon negativ aufgefallen sind.
Eppingen gehört zum Landesverband Württembergischer Karnevalsvereine. Gehen die verschiedenen Dachverbände möglicherweise unterschiedlich strikt mit ihren Veranstaltungen um?
Ich gehe davon aus, dass alle anerkannten Verbände sorgfältig mit ihrer Verantwortung umgehen.