Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Als Nikolaus heimkehrt, ist der Sohn schon geboren
Seit 50 Jahren ist Franz Martl von der Kolpingsfamilie Laupheim als Vorbote des Christkinds unterwegs
LAUPHEIM - Donnerstagabend im Kolpinghaus: Sechs Nikoläuse haben sich nach getaner Arbeit gestärkt. Jetzt ziehen sie erneut das Bischofsgewand an, setzen die Perücke aufs Haupt, rücken Rauschebart und Mitra zurecht – und nehmen Franz Martl in ihre Mitte. Sein Dienstjubiläum gilt es zu feiern, ist er doch seit 50 Jahren für die Kolpingsfamilie Laupheim als Vorbote des Christkinds aktiv. „Martl ist ein guter Mann, dem man nicht g’nug danken kann“, singen die Kollegen auf die Melodie eines bekannten Nikolauslieds und setzen ihrem Spiritus rector eine goldene Mitra auf.
Martl, ein „Ur-Laupheimer“, hat eine steile Karriere hingelegt: Ein Jahr diente er als Knecht Ruprecht, danach wurde er mit 18 zum Nikolaus befördert. Das war 1968. Der KolpingNikolaus besuchte damals nur Familien von Vereinsmitgliedern. Zusammen mit Max und Manfred Maier hat Franz Martl dann begonnen, die Aktion auszuweiten. „Wir haben mit drei Paaren angefangen“, erzählt er. Inzwischen sind es sechs; 85 Familien haben sie diese Woche in Laupheim und Umgebung besucht, die Anmeldeliste war ausgebucht.
Auf die Abendtermine verzichtet Franz Martl seit dem vergangenen Jahr. Er übernimmt jetzt die Tagschicht, macht Kindergartenkindern, Senioren und Pflegeheimbewohnern eine Freude. Seit vielen Jahren kümmert er sich um die Aufbewahrung und das Herrichten der Gewänder und all dessen, was der Nikolaus und sein treuer Gesell benötigen.
Anekdoten kann er zuhauf erzählen, auch in eigener Sache. Am 5. Dezember 1979 war seine Frau Christel hochschwanger. Der Arzt sagte zum werdenden Vater: „Sie können beruhigt den Nikolaus spielen, heute tut sich nichts mehr.“Also ging Martl auf Tour. Doch als er zurückkam – war Sohn Thomas schon geboren.
„Das Nikolaus-Brauchtum zu pflegen hat immer Freude gemacht“, sagt Martl. Über kleine Missgeschicke kann er herzlich lachen. Einmal hat er sich aus seiner motorisierten Kutsche ausgesperrt, ein andermal den Bischofsstab bei einer Familie vergessen – also retour und erneut geklingelt. Und dann war da jene Schneewehe zwischen Ober- und Untersulmetingen, in der das Auto stecken blieb. „Ein freundlicher Landwirt hat uns mit dem Traktor rausgezogen.“
Was macht einen guten Nikolaus aus? „Schlagfertig muss er sein“, sagt Martl. Flexibel im Auftreten, je nachdem, wie die Kinder auf ihn reagieren. „Und er darf den Kindern keine Angst machen. Das war immer mein Bestreben.“Mit Ermahnungen Hilfssheriff der Eltern sein, das müsse Grenzen haben, betont er. „Was Eltern das ganze Jahr über versäumen, kann ich nicht an einem Abend aufholen.“
Manches hat sich im Lauf der Jahrzehnte verändert. Franz Martl kann sich nur wundern, wie viel manche Eltern ihren Sprösslingen heutzutage am Nikolaustag schenken. Was die wohl erst zu Weihnachten bekommen? „Früher ging’s bescheidener zu“, sagt er. Früher kannten die Buben und Mädchen meist auch mehr Lieder und Gedichte, „und zum Schluss konnte man ein Nachtgebet mit ihnen sprechen“. Heute kann es passieren, dass während der Nikolaus-Visite der Fernseher weiterläuft.
Die Nikolaus-Aktion der Kolpingsfamilie Laupheim bringt jedes Jahr mehrere tausend Euro an Spenden für wohltätige Zwecke ein.