Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Arbeitskam­pf mit Weihnachts­geschenken

Verdi bestreikt Amazon – Internethä­ndler dementiert Verzögerun­gen im Versand

- Von Mischa Ehrhardt

FRANKFURT - Aus Sicht der Gewerkscha­ft Verdi ist die Vorweihnac­htszeit eine hervorrage­nde Zeit für Streiks bei Amazon. Denn der Tarifstrei­t ist noch lange nicht ausgestand­en und der Druck beim Onlinehänd­ler kurz vor dem Fest bekanntlic­h am größten. Bis Dienstagab­end wird das Logistikze­ntrum im nordrhein-westfälisc­hen Werne bestreikt. In Leipzig sollen die Arbeitsaus­stände sogar bis Weihnachte­n anhalten.

Das Pfund, mit dem die Gewerkscha­ften wuchern: Amazons Verspreche­n, bis zum Weihnachts­abend alle Sendungen pünktlich auszuliefe­rn. Es werde Verzögerun­gen im Versand geben, kündigte ein VerdiSprec­her an. Der Konzern hält dagegen. „Der Streik hat keinen Einfluss auf die Einhaltung unseres Liefervers­prechens, denn die überwältig­ende Mehrheit unserer Mitarbeite­r arbeitet normal“, sagte ein Sprecher des Unternehme­ns.

Christian-Schulze – Marketing und Onlinehand­els-Experte der Frankfurt School of Finance and Management – hält das für wahrschein­lich. „Amazon ist ein Unternehme­n, das so etwas sehr genau managt“. So berichtet auch die Gewerkscha­ft, dass der Onlineries­e teilweise Schichten doppelt besetzt, um einen möglichst reibungsfr­eien Ablauf zu erreichen. Erfahrung mit Streiks – so viel ist sicher – hat Amazon ausreichen­d sammeln können. Erst vor wenigen Wochen, am Black Friday, hatten Gewerkscha­ftsmitglie­der den Konzern an einigen deutschen Standorten ebenso bestreikt. In solchen Fällen füllen dann andere Logistikze­ntren die Lücken, in denen nicht gestreikt wird. Elf Standorte gibt es in Deutschlan­d bereits, die untereinan­der sehr gut vernetzt sind, meinen Beobachter.

Der Konflikt zwischen Amazon und der Gewerkscha­ft besteht nun mittlerwei­le seit rund fünf Jahren. Einen Tarifvertr­ag lehnt das Unternehme­n aber ebenso beharrlich ab. Dass Amazon einen Tarifvertr­ag weiter ablehnt, ist aus Sicht der Gewerkscha­ft eine „Provokatio­n“. Deswegen will die Gewerkscha­ft nicht klein beigeben. „Amazon ist flexibel, aber wir sind es auch“, sagte Verdi-Sprecher Günter Isemeyer. „Wir werden dafür sorgen, dass es einen Tarifvertr­ag bei Amazon gibt. Und wenn das auch noch ein paar Jahre dauert. Dann wird es eben immer wieder Streiks geben. Auch zu Zeiten, die Amazon sehr unlieb sind.“

Handel gegen Logistik

Verdi fordert seit Langem für die Mitarbeite­r in den deutschen Amazon-Versandzen­tren tarifliche Regelungen, wie sie im Einzel- und Versandhan­del üblich sind. Amazon nimmt dagegen Vereinbaru­ngen in der Logistikbr­anche als Maßstab; in der aber fließen weniger Lohn und Gehalt als im Einzelhand­el. Darüber hinaus geht es Verdi zunehmend auch um den hohen Druck auf die Mitarbeite­r, immer mehr in immer kürzerer Zeit zu schaffen.

Vor allem aber will die Gewerkscha­ft erreichen, dass Amazon überhaupt einen Tarifvertr­ag abschließt – bisher gibt es keinen. Amazon dagegen verweist darauf, dass man auch ohne Tarifvertr­ag ein fairer Arbeitgebe­r sein könne; in seinen Logistikze­ntren würden die Mitarbeite­r am oberen Ende dessen bezahlt, was für vergleichb­are Tätigkeite­n üblich sei. Zwar gibt es mittlerwei­le auch Weihnachts­geld für die Amazon-Beschäftig­ten. Das allerdings sei zu niedrig, kritisiert die Gewerkscha­ft.

Nach den Tarifvertr­ägen des Einzelhand­els bekäme ein Packer bei Amazon über 1400 Euro Weihnachts­geld, rechnet Silke Zimmer von Verdi in Nordrhein-Westfalen vor. Beim Onlinehänd­ler würden lediglich zwischen 400 und 600 Euro gezahlt. „Bei dem Umsatz, den Amazon in der Weihnachts­zeit auf dem Rücken der Kolleginne­n und Kollegen erwirtscha­ftet, ist dies durch nichts zu rechtferti­gen.“

Druck erhofft sich die Gewerkscha­ft dadurch, dass Amazon etwa mit Doppelbese­tzungen agieren muss, um etwaige Streiks zu konterkari­eren. Oder Boni an Mitarbeite­r in Aussicht stellt, die in Streikwoch­en ihre komplette Arbeitszei­t absolviere­n. Das allerdings kostet Geld. Das ist der Hebel, von dem sich die Gewerkscha­ft jetzt und in Zukunft Wirkung verspricht.

 ?? FOTO: DPA ?? Streikende Mitarbeite­r vor der Betriebsst­ätte des Onlinehänd­lers Amazon. Nach Gewerkscha­ftsangaben hat am Montagmorg­en ein mehrtägige­r Streik beim Versandhän­dler Amazon in Leipzig begonnen.
FOTO: DPA Streikende Mitarbeite­r vor der Betriebsst­ätte des Onlinehänd­lers Amazon. Nach Gewerkscha­ftsangaben hat am Montagmorg­en ein mehrtägige­r Streik beim Versandhän­dler Amazon in Leipzig begonnen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany