Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Schleichende Gefahr des Hörverlustes
Mittelohrentzündungen können auch Erwachsenen das Leben schwer machen und leicht chronisch werden
KÖLN (dpa) - Es ist die Kinderkrankheit schlechthin – die akute Mittelohrentzündung mit heftigen Schmerzen im Ohr. Die gute Nachricht: Bei den meisten Kindern heilt sie ohne Folgen ab. Die schlechte Nachricht: Mittelohrentzündungen können auch Erwachsenen das Leben schwer machen. „Während akute Mittelohrentzündungen tatsächlich vor allem bei Kindern vorkommen, leiden Erwachsene eher an der chronischen Form“, erläutert Jens Peter Klußmann, Direktor und Lehrstuhlinhaber der Klinik für Hals-, Nasenund Ohrenheilkunde an der Universität Köln. „Sie entwickelt sich über Jahre und entsteht meist nach mehreren akuten Entzündungen in der Kindheit.“
Die chronische Form zeigt kein schmerzhaftes Ohrenstechen
„Bei der chronischen Form sind die Schleimhäute des Mittelohrs immer wieder und lang anhaltend entzündet“, erklärt Andreas Gerstner, Chefarzt der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde in Braunschweig. „Außerdem befindet sich im Trommelfell meist ein Loch.“Die Tücke der chronischen Mittelohrentzündung: Das schmerzhafte Ohrenstechen tritt in der Regel nicht auf.
Bei der akuten Entzündung ist die Sache meistens klar: „Die Patienten nehmen starke Ohrenschmerzen und Fieber sehr ernst und stellen sich damit in der Praxis vor“, sagt Sybille Bartelt, Hausärztin in Dortmund. Unkomplizierte, akute Mittelohrentzündungen ließen sich dann meist mit abschwellendem Nasenspray und Schmerzmitteln behandeln.
Vom Fliegen mit akuter Mittelohrentzündung rät Bartelt klar ab: „Der Druckausgleich zum Mittelohr funktioniert nicht mehr. Es können stärkste Schmerzen auftreten.“Schlimmstenfalls kann es zu einer Schädigung des Innenohres kommen, warnt Gerstner. „Betroffene können einen heftigen Schwindel erleben und sogar ertauben.“
Wie aber lässt sich die chronische Mittelohrentzündung erkennen? „Ein Hinweis kann sein, dass dauerhaft Sekret aus dem Ohr läuft“, erklärt Klußmann. „Häufig verschlechtert sich auch das Hören.“Stellt der HNO-Arzt eine chronische Mittelohrentzündung fest, sei häufig eine Operation ratsam. „Der Defekt im Trommelfell lässt sich verschließen. Beschädigte Gehörknöchelchen können rekonstruiert werden.“
Zur Operation raten die Experten, weil eine unbehandelte, chronische Mittelohrentzündung das Hörvermögen bis zur Taubheit verschlechtern kann. Zudem müssten Betroffene im Alltag sehr aufpassen: „Es darf kein Wasser ins Ohr gelangen“, erklärt Gerstner. Es könnte durch das Loch im Trommelfell ins Mittelohr eindringen und akute Entzündungen auslösen. Außerdem wird das Gleichgewichtsorgan gereizt. Häufige Folge: heftiger Drehschwindel.
Guter Druckausgleich hilft, die Ohrtrommel zu belüften
Vorbeugung gegen die Erkrankung sei übrigens schwierig, meint Klußmann. „Einige Menschen neigen stärker zu Mittelohrentzündungen als andere. Wahrscheinlich haben sie eine lokale Abwehrschwäche.“Außerdem spiele die Anatomie des Ohres eine Rolle. „Betroffene leiden an einer dauerhaften Belüftungsstörung.“
In dem Fall lässt sich der Druckausgleich trainieren. „Patienten halten sich die Nase zu und versuchen bei geschlossenem Mund und angespannter Bauchmuskulatur auszuatmen, als würden sie sich schnäuzen.“Dies führe zu einem Druckausgleich in den Ohren und helfe, die Ohrtrompete zu belüften, sagt Gerstner. Beruhigend zu wissen: Wer an einer chronischen Mittelohrentzündung leidet, hat gute Chancen, sie loszuwerden. „Dank der Operation verschwinden die Beschwerden, und die Patienten können wieder besser hören.“