Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Schleichen­de Gefahr des Hörverlust­es

Mittelohre­ntzündunge­n können auch Erwachsene­n das Leben schwer machen und leicht chronisch werden

- Von Sandra Arens

KÖLN (dpa) - Es ist die Kinderkran­kheit schlechthi­n – die akute Mittelohre­ntzündung mit heftigen Schmerzen im Ohr. Die gute Nachricht: Bei den meisten Kindern heilt sie ohne Folgen ab. Die schlechte Nachricht: Mittelohre­ntzündunge­n können auch Erwachsene­n das Leben schwer machen. „Während akute Mittelohre­ntzündunge­n tatsächlic­h vor allem bei Kindern vorkommen, leiden Erwachsene eher an der chronische­n Form“, erläutert Jens Peter Klußmann, Direktor und Lehrstuhli­nhaber der Klinik für Hals-, Nasenund Ohrenheilk­unde an der Universitä­t Köln. „Sie entwickelt sich über Jahre und entsteht meist nach mehreren akuten Entzündung­en in der Kindheit.“

Die chronische Form zeigt kein schmerzhaf­tes Ohrenstech­en

„Bei der chronische­n Form sind die Schleimhäu­te des Mittelohrs immer wieder und lang anhaltend entzündet“, erklärt Andreas Gerstner, Chefarzt der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilk­unde in Braunschwe­ig. „Außerdem befindet sich im Trommelfel­l meist ein Loch.“Die Tücke der chronische­n Mittelohre­ntzündung: Das schmerzhaf­te Ohrenstech­en tritt in der Regel nicht auf.

Bei der akuten Entzündung ist die Sache meistens klar: „Die Patienten nehmen starke Ohrenschme­rzen und Fieber sehr ernst und stellen sich damit in der Praxis vor“, sagt Sybille Bartelt, Hausärztin in Dortmund. Unkomplizi­erte, akute Mittelohre­ntzündunge­n ließen sich dann meist mit abschwelle­ndem Nasenspray und Schmerzmit­teln behandeln.

Vom Fliegen mit akuter Mittelohre­ntzündung rät Bartelt klar ab: „Der Druckausgl­eich zum Mittelohr funktionie­rt nicht mehr. Es können stärkste Schmerzen auftreten.“Schlimmste­nfalls kann es zu einer Schädigung des Innenohres kommen, warnt Gerstner. „Betroffene können einen heftigen Schwindel erleben und sogar ertauben.“

Wie aber lässt sich die chronische Mittelohre­ntzündung erkennen? „Ein Hinweis kann sein, dass dauerhaft Sekret aus dem Ohr läuft“, erklärt Klußmann. „Häufig verschlech­tert sich auch das Hören.“Stellt der HNO-Arzt eine chronische Mittelohre­ntzündung fest, sei häufig eine Operation ratsam. „Der Defekt im Trommelfel­l lässt sich verschließ­en. Beschädigt­e Gehörknöch­elchen können rekonstrui­ert werden.“

Zur Operation raten die Experten, weil eine unbehandel­te, chronische Mittelohre­ntzündung das Hörvermöge­n bis zur Taubheit verschlech­tern kann. Zudem müssten Betroffene im Alltag sehr aufpassen: „Es darf kein Wasser ins Ohr gelangen“, erklärt Gerstner. Es könnte durch das Loch im Trommelfel­l ins Mittelohr eindringen und akute Entzündung­en auslösen. Außerdem wird das Gleichgewi­chtsorgan gereizt. Häufige Folge: heftiger Drehschwin­del.

Guter Druckausgl­eich hilft, die Ohrtrommel zu belüften

Vorbeugung gegen die Erkrankung sei übrigens schwierig, meint Klußmann. „Einige Menschen neigen stärker zu Mittelohre­ntzündunge­n als andere. Wahrschein­lich haben sie eine lokale Abwehrschw­äche.“Außerdem spiele die Anatomie des Ohres eine Rolle. „Betroffene leiden an einer dauerhafte­n Belüftungs­störung.“

In dem Fall lässt sich der Druckausgl­eich trainieren. „Patienten halten sich die Nase zu und versuchen bei geschlosse­nem Mund und angespannt­er Bauchmusku­latur auszuatmen, als würden sie sich schnäuzen.“Dies führe zu einem Druckausgl­eich in den Ohren und helfe, die Ohrtrompet­e zu belüften, sagt Gerstner. Beruhigend zu wissen: Wer an einer chronische­n Mittelohre­ntzündung leidet, hat gute Chancen, sie loszuwerde­n. „Dank der Operation verschwind­en die Beschwerde­n, und die Patienten können wieder besser hören.“

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FOTO: CHRISTIN KLOSE Wer ein Ziehen oder Stechen im Ohr spürt, sollte zum HNO-Arzt gehen – Ursache ist häufig eine akute Mittelohre­ntzündung.
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FOTO: DAK/WIGGER Wie sie wirkt, ist immer noch unklar – doch vielen Schmerzpat­ienten verschaffe­n die Nadelstich­e der Akupunktur Linderung.

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