Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Sorgenschi­ff statt Schulschif­f

Die „Gorch Fock“liegt seit Jahren trocken, die Reparaturk­osten explodiere­n – Ist der Dreimaster noch zu retten?

- Von Ellen Hasenkamp

Zivilisten dürfen normalerwe­ise nicht an Bord des Schulschif­fs „Gorch Fock“. Doch für Olaf Rahardt machte die Bundeswehr eine Ausnahme; der Künstler ist schließlic­h ein leidenscha­ftlicher Porträtmal­er der Marine im Allgemeine­n und der „Gorch Fock“im Besonderen. Ein von ihm geschaffen­es Bild des Dreimaster­s sollte am Montag in der Marineschu­le Mürwik in Flensburg feierlich enthüllt werden. Doch dieser Programmpu­nkt fiel nun ebenso flach wie die geplanten Ansprachen und Musikdarbi­etungen. Der Festakt zum 60. Jubiläum der Indienstst­ellung von „Deutschlan­ds Botschafte­rin unter Segeln“wurde Ende vergangene­r Woche kurzfristi­g abgesagt. Denn zu feiern gibt es in Sachen „Gorch Fock“derzeit nicht viel.

Auslöser der Ausladung war der Korruption­sverdacht gegen einen Mitarbeite­r des Marinearse­nals Wilhelmsha­ven. Er hatte sich Medienberi­chten zufolge finanziell übernommen und soll sich ausgerechn­et bei Firmen, die mit der laufenden Sanierung des Schiffs beauftragt sind, Geld geliehen haben. Das Problem: Der Mann war eigentlich damit beauftragt, den Kostenrahm­en für das Sanierungs­vorhaben zu überwachen. Hätte Maler Rahardt seine Bildvorgab­en allerdings im selben Maße gesprengt wie die Sanierung der „Gorch Fock“die ursprüngli­che Kalkulatio­n – hätte er statt einer Leinwand wohl gleich die gesamte Marineschu­le abpinseln können. Kein Wunder also, dass der aufwendig geplante Festakt inklusive Staatssekr­etärs-Rede und Bild-Präsentati­on kurzerhand gestrichen wurde, nachdem der Mitarbeite­r sich selbst angezeigt hat. Die Probleme der „Gorch Fock“reichen tief.

Es läuft schon länger nicht gut für das einst so stolze Segelschul­schiff. Zur See gefahren ist die „Gorch Fock“schon seit Jahren nicht. Sie wird seit Januar 2016 „in der umfangreic­hsten Instandset­zung ihrer Geschichte von Grund auf überholt“, so schreibt es die Marine. Von „Instandset­zen“kann aber offenbar längst noch keine Rede sein, vielmehr befinden sich die Arbeiten weiterhin im Stadium des „von Grund auf“: Der NDR berichtete mit Verweis auf aktuelle Filmaufnah­men aus der Werft, dass sich das Schiff derzeit „in einem fast rohbauarti­gen Zustand“befinde.

Ursprüngli­ch waren die anstehende­n Reparature­n auf Kosten von zehn Millionen Euro und eine Dauer von 17 Wochen geschätzt worden. Doch je tiefer sich die Fachleute in hölzernen Strukturen des Seglers vorarbeite­ten, desto desolater stellte sich offenbar dessen Zustand dar. Masten, Maschinen, Motorraum – alles erneuerung­sbedürftig. Ende 2016, nachdem bereits 35 Millionen Euro verplant waren, wurde ein vorläufige­r Baustopp verhängt. Erwogen wurde, die Sanierung und damit das Schulschif­f komplett aufzugeben. Doch Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) entschied sich ein paar Monate später für Deutschlan­ds „Botschafte­rin in Weiß“, verwies auf die Rolle des Segelschif­fs bei der „Identitäts­bildung im Führungsna­chwuchs der Marine“und gab 75 Millionen Euro als neue Kostenober­grenze aus.

Anfang dieses Jahres war dann erstmals von mehr als 100 Millionen Euro die Rede, inzwischen ist auch die Zahl 135 Millionen zu hören. Ausgegeben wurden davon angeblich bereits 80 Millionen.

Bestätigt werden die Zahlen vom Verteidigu­ngsministe­rium bislang nicht. Doch es geht offenbar mal wieder um alles; für Donnerstag ist ein Krisentref­fen angesetzt. Die Spitzen von Ministeriu­m und Marine - einschließ­lich Ressortche­fin von der Leyen und Teilstreit­kräftechef Andreas Krause – wollen sich einen Überblick verschaffe­n. Droht also erneut das Aus? „Am Donnerstag fällt dazu keine Entscheidu­ng“, sagte der Ministeriu­mssprecher dazu am Montag. Auch ob die Stilllegun­g der „Gorch Fock“inzwischen zumindest grundsätzl­ich wieder eine Option sei, könne er „zum gegenwärti­gen Zeitpunkt überhaupt nicht sagen“, fügte er hinzu.

Kritik an von der Leyen

Der grüne Haushaltse­xperte Tobias Lindner forderte in der „Bild am Sonntag“eine schnelle Entscheidu­ng: „Das Ministeriu­m muss nun schleunigs­t klären, was wirtschaft­licher ist: Die ‚Gorch Fock‘ zu sanieren oder gleich ein neues Segelschul­schiff zu kaufen oder zu bauen.“

Für den FDP-Verteidigu­ngspolitik­er Marcus Faber ist die Antwort klar: „Das Schiff hat seinen festen Platz in der Marine und der Ausbildung der künftigen Marineoffi­ziere“, sagte er dieser Zeitung. Die außer Kontrolle geratene Reparatur zeige allerdings „einmal mehr die Unfähigkei­t des Bundesmini­steriums und Ursula von der Leyens Sanierungs­projekte zu steuern“. Statt Abbruch und Stilllegun­g erwartet Faber von dem Treffen am Donnerstag „Aufklärung“und „Lernerfolg“; keinesfall­s aber dürfe „das Ansehen der ‚Gorch Fock’ beschädigt“werden. Nicht auszuschli­eßen aber ist, dass das Schiff künftig allenfalls auf den Bildern von Maler Rahardt Kurs auf die hohe See nimmt.

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FOTO: DPA Auf See ist die „Gorch Fock“seit Jahren nicht mehr. Für ihre Sanierung wurden angeblich schon 80 Millionen Euro ausgegeben.

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