Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Der grauenvolle Krieg mahnt zur Verständigung
100 Jahre nach dem Ersten Weltkrieg: Ein neuer Blick auf Erzbergers Vorschlag für einen Weltfrieden
LAUPHEIM (sz) - Im Mittelpunkt einer Veranstaltung der Öffentlichen Katholischen Bücherei im Gemeindehaus in Laupheim stand der Mann, der vor 100 Jahren mit seiner Unterschrift zum Waffenstillstand den Ersten Weltkrieg beendete.
Es war der damalige Reichstagsabgeordnete des oberschwäbischen Wahlkreises, Matthias Erzberger, der sich bereit erklärte, diesem Krieg, der Europa nach seinen Worten in ein Menschenschlachthaus verwandelt hatte, ein Ende zu setzen.
Dr. Alfons Siegel, der sich seit langem mit Erzbergers Leben und Wirken befasst und bereits mehrere wichtige Veröffentlichungen darüber vorgelegt hat, zeichnete dessen Werdegang nach, ausgehend vom Elternhaus im kleinen Ort Buttenhausen bei Münsingen über seine Lehrerausbildung und eine kurze Tätigkeit als Journalist.
Früh schon wurde er Abgeordneter im Berliner Reichstag, gefördert durch den einflussreichen katholischen Zentrumspolitiker Adolf Gröber, zu dessen Wahlkreis auch Laupheim gehörte. Obgleich er zu Anfang des Kriegs noch ganz auf einen Sieg setzte, wandelte er sich zu einem Befürworter eines Verständigungsfriedens, wohl auch aufgrund einiger Begegnungen mit dem damaligen Papst Benedikt XV, wie Siegel vermutet.
Bereits im Jahr 1917 legte der Zentrumsabgeordnete mit Vertretern anderer Parteien einen Vorschlag für einen Frieden vor, für den er in einer Grundsatzrede in Biberach warb, die auch vom Laupheimer Verkündiger, so der Name der SZ damals, abgedruckt wurde. Ebenso noch während der Kriegszeit entwickelte er einen detaillierten Entwurf für eine umfassende Verständigung unter den Nationen nach einem möglichen Kriegsende, um solche menschengemachten Katastrophen in Zukunft abwenden zu können.
Als das Herzstück dieses Friedensentwurfs bezeichnete er den Vorschlag, ein Schiedsgericht einzurichten, in dem die zwischenstaatlichen Konflikte auf friedliche Weise gelöst werden könnten.
Ideen für heutige Weltpolitik
Gute Ansätze seien darin zu finden, die es wert wären, in die heutige weltpolitische Lage weiter entwickelt zu werden. Alfons Siegel legte dazu eigene Überlegungen vor, insbesondere zu einer dringenden Reform der UNO, als Nachfolgeorganisation des früheren Völkerbundes.
Erzberger selbst blieb nur wenig Zeit, seine Vorschläge weiter auszuarbeiten. Keine drei Jahre später wurde er von rechtsradikalen ehemaligen Offizieren ermordet. Die beiden Täter töteten ihn im Kurort Bad Griesbach im Schwarzwald auf einem Spaziergang mit mehreren Schüssen.
Unter der Anteilnahme von mehreren tausend Anwesenden und des aus Berlin angereisten Reichskanzlers wurde er auf dem katholischen Friedhof in Biberach beerdigt.