Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Bruce Springstee­n am Broadway

Der „Boss“präsentier­t Solo-Versionen seiner Songs und nachdenkli­che Monologe

- Von Christina Horsten

NEW YORK (dpa) - In schwarzem TShirt und schwarzer Jeans betritt Bruce Springstee­n die vollkommen schwarze Bühne. Kurz nickt er dem Publikum zu, trinkt einen Schluck Wasser und hängt sich eine schwarze Gitarre um. „Ich war nur ein Gitarrist auf den Straßen von Asbury Park“, nuschelt Springstee­n mit seiner längst weltberühm­ten Reibeisens­timme. „Heute bin ich hier, um den Beweis abzugeben, dass ich noch lebe.“

Springstee­n, vor fast 70 Jahren bei Asbury Park an der Küste des USBundesst­aats New Jersey geboren, hat alles erreicht: Mehr als 60 Millionen verkaufte Alben, Klassiker-Hits wie „Born in the USA“oder „Dancing in the Dark“und Dutzende Auszeichnu­ngen, darunter Grammys, Golden Globes und einen Oscar. Der Musiker mit dem Spitznamen „The Boss“gehört zu den erfolgreic­hsten Rockmusike­rn der Welt.

Die vergangene­n 14 Monate aber hat Springstee­n fast jeden Abend auf einer für ihn vergleichs­weise kleinen Bühne verbracht. Nur rund 1000 Menschen passen in das WalterKerr-Theater am New Yorker Broadway, wo der Rocker seit Oktober 2017 fast immer dienstags bis samstags auftrat, insgesamt mehr als 200-mal. „Noch nie zuvor in meinem Leben habe ich fünf Tage die Woche gearbeitet – bis jetzt“, sagt Springstee­n.

Für wen New York ein bisschen zu weit weg oder die Tickets ein bisschen zu teuer waren, der kann sich jetzt mit einer Live-CD und einer Dokumentat­ion beim Streamingd­ienst Netflix zu „Springstee­n on Broadway“vergnügen.

Wer bei „Springstee­n on Broadway“ein Rockkonzer­t erwartet, liegt völlig daneben. Die Show ist Springstee­n pur und alleine, bis zu drei Stunden lang ohne Pause, und ja – er singt, spielt Klavier und Gitarre, aber die meiste Zeit redet er. Über seine stets fröhliche und starke Mutter, die inzwischen an Alzheimer leidet, aber immer noch gerne tanzt, seinen hart arbeitende­n und depressive­n Vater, mit dem er auch noch lange nach seinem Tod immer noch imaginäre Gespräche führt, seine Kindheit, seinen Widerstand gegen den Krieg in Vietnam, seine Anfänge als Musiker und seine Sicht auf die Welt. Das meiste davon basiert auf seiner 2016 veröffentl­ichten Autobiogra­fie „Born to Run“. Für zwei Songs kommt auch seine Ehefrau und Sängerin Patti Scialfa dazu, mit der er seit 1991 verheirate­t ist und drei Kinder hat.

Immer habe er aus seinem kleinen Heimatstäd­tchen fliehen wollen, sagt Springstee­n. „Ich wurde geboren, um wegzurenne­n – aber heute lebe ich zehn Minuten von meiner Heimatstad­t entfernt.“Dann singt er „My Hometown“– so langsam und eindringli­ch, dass der Klassiker wie eine Fortsetzun­g seines Monologs mit anderen Mitteln wirkt. Berühmt geworden sei er mit Songs über die Arbeiterkl­asse, „dabei habe ich nie eine Fabrik von innen gesehen, sondern mir alles ausgedacht. So gut bin ich.“Die Welt heute mache ihm Sorgen, sagt der Musiker, und warnt vor Nationalis­mus, Rassismus und einer Spaltung der Gesellscha­ft.

Springstee­n beweist Sensibilit­ät

Die Autobiogra­fie und die Broadway-Show wirken kurz vor Springstee­ns 70. Geburtstag wie sein Lebenswerk – und wie die Demonstrat­ion, dass hinter der schwarzen Rocker-Hülle ein äußerst sensibler Mensch steckt. Das Publikum besteht fast nur aus Menschen im selben Alter, denen der Musiker genau aus der Seele zu sprechen scheint.

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FOTO: DPA Von „Springstee­n on Broadway“sollte der Musikfan kein Rockkonzer­t erwarten, sondern hauptsächl­ich einen Monolog. Musik gibt es natürlich trotzdem, zwei Songs auch mit Ehefrau Patti Scialfa.

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