Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Filigraner und immer filigraner
Der Technologiekonzern Zeiss legt nicht zuletzt wegen seiner Chiptechnik Rekordzahlen vor
STUTTGART - Seine Wurzeln kann Zeiss-Chef Michael Kaschke nicht verleugnen. Der 61-jährige Physiker kommt aus der Forschung, er weiß, was geht – und was nicht. „Von kleiner als nichts sind wir noch ein Stück weit entfernt“, sagt er mit Blick auf die Sparte von Zeiss, die in den vergangenen Jahren am rasantesten gewachsen ist: die Halbleitertechnik. Dabei ist Zeiss in diesem Bereich bereits jetzt schon weltweit dafür bekannt, dass der Technologiekonzern von der Ostalb in Größenordnungen operiert, die einem „kleiner als nichts“ziemlich nahe kommen.
Zeiss stellt Optiken her für Lasermaschinen, die mit der EUV-Lithografie („Extrem Ultraviolettes Licht“) sogenannte Wafer belichten. Das sind kreisrunde, dünne Siliziumscheiben, die im Anschluss an die Belichtung in einzelne Computerchips zerlegt werden. Und weil diese Chips in allen modernen Smartphones und Notebooks stecken und diese Geräte immer leistungsfähiger und schneller werden sollen, müssen die Wafer mit immer kleineren und filigraneren Strukturen bedruckt werden. Ziel eben: „Kleiner als nichts.“Zeiss hat die EUV-Lithografie entwickelt, die genau das mit einer Genauigkeit von bis zu zehn Millionstel Millimeter kann. Die Methode ist im Markt angekommen – und nicht zuletzt einer der Gründe dafür, warum der Konzern nun zum neunten Mal in Folge Rekordzahlen vermeldet.
Das Halbleitergeschäft verzeichnete im Geschäftsjahr 2017/18 (Stichtag 30. September) den größten Umsatzzuwachs aller vier Zeiss-Sparten: Die Erlöse stiegen um 26 Prozent auf 1,53 Milliarden Euro – damit steuert der Bereich inzwischen 26,3 Prozent zum Gesamtumsatz der Zeiss-Gruppe bei. Der stieg um neun Prozent auf insgesamt 5,82 Milliarden Euro. Der operative Gewinn lag in etwa auf Vorjahresniveau bei 772 Millionen Euro (zuvor 770 Millionen Euro). Eine Ausgangsbasis, die den ZeissChef auch angesichts von düsteren Konjunkturprognosen „selbstbewusst und optimistisch“in die Zukunft blicken lässt. „Wir haben unser Produktangebot systematisch verbreitert und haben nun vier Standbeine, wenn eines mal wackelt, fällt Zeiss nicht zusammen“, sagte Kaschke der „Schwäbischen Zeitung“. „Wir sind gut ausbalanciert.“Auch bei den Erlösen: Wie die Halbleitersparte steigerten das Geschäft mit Messtechnik und Mikroskopie (plus ein Prozent) sowie die Medizintechnik (plus acht Prozent) ihre Umsätze, nur der Bereich Brillengläser, Fotoobjektive und Ferngläser stagnierte auf Vorjahresniveau.
Neben der Medizintechnik setzt Zeiss vor allen in die Chipproduktion große Hoffnungen. „Bei der Halbleitertechnik kommt künftig auf der ganzen Welt keiner an uns vorbei“, erklärt Kaschke. Nur Zeiss baue Optiken für die EUV-Produktionen, die Anlagen selbst konstruiert der niederländische Partner ASML. Bis dahin war es aber ein langer Weg. Fast 20 Jahre erforschte Zeiss die Methode und steckte 700 Millionen Euro in die Entwicklung. Nach Zeiss-Angaben haben mittlerweile führende Halbleiter-Hersteller wie Samsung, Intel und TSMC die EUV-Technologie in der Vorbereitung für die Serienproduktion. Auf der Ostalb fährt Zeiss die EUV-Produktion gerade hoch: 400 Mitarbeiter hat der Konzern dafür im vergangenen Jahr eingestellt und die Fabriken für die Technik gemeinsam mit ASML ausgebaut. „Wir profitieren von den Kapazitätserweiterungen fast aller Chiphersteller“, sagt Kaschke.
Zeiss arbeitet aber bereits an der nächsten Generation der Computerchips mit den so filigranen Stromleitern, sie sollen dann Strukturen bis sieben Nanometer – also bis sieben Millionstel Millimeter – genau abbilden können. „Bis dahin werden wir wohl noch einmal bis zu 700 Millionen Euro investieren müssen“, erläutert Kaschke. „Billiger ist die Entwicklung eigentlich nie geworden, das wäre das erste Mal.“Auf den Markt kommen soll sie in der Mitte der nächsten Dekade.
Eingestiegen in die Halbleiterproduktion ist Zeiss im Jahr 1968 – vor 50 Jahren stellte das Unternehmen ein „Objektiv für Schaltkreisbelichtung“vor, „ohne das der Fortschritt bei Notebook und Smartphone so nicht möglich gewesen wäre“, wie Kaschke erklärt. Die Genauigkeit damals: ein Hundertstel Millimeter. Da war Zeiss noch weit von dem „kleiner als nichts“entfernt. Aber auch der Fall wäre für Michael Kaschke nicht unbedingt das Ende der Entwicklung. „Das schöne am menschlichen Geist ist, dass er immer irgendwann eine neue Lösung findet.“Da war er wieder, der Physiker im Vorstandschef.