Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Keine Aussicht auf Besserung
Vergewaltigungsprozess: Nach dem psychiatrischen Gutachten droht dem Angeklagten eine Sicherheitsverwahrung
RAVENSBURG/BAD SCHUSSENRIED - Weil er seine Sex-Partnerin brutal behandelt, vergewaltigt und schließlich sogar mit einer Schere zu ermorden versucht haben soll, steht derzeit ein 40-jähriger Mann aus dem Landkreis Biberach vor Gericht. Auch am fünften Verhandlungstag äußerte sich der mehrfach vorbestrafte, schwer alkoholabhängige Angeklagte nicht zu den Vorwürfen. Ein aktuelles psychiatrisches Gutachten bescheinigte dem Angeklagten nun keine Aussicht auf Besserung und ihn für schuldfähig. Das könnte lebenslange Sicherheitsverwahrung für den Angeklagten bedeuten.
„Auslöser der Störung ist der Alkohol“, so hatte bereits das Landgericht Hechingen im Jahr 2009 geurteilt, als sie den damals 31-Jährigen zwar freisprach, ihn allerdings wegen seiner Persönlichkeitsstörung in eine psychiatrische Einrichtung einwies. Damals hatte er – ausgelöst durch die Zurückweisung seiner Freundin – die völlig unbeteiligte Chefin eines Bordells attackiert, hatte versucht, sie zu erwürgen. „Eine psychotische Episode“, unter dem Einfluss von etwa 3,5 Promille Alkohol im Blut, so beurteilte das Gericht damals seine Tat. Dieses Urteil wie auch den drei Jahre später erlassenen Beschluss des Ravensburger Landgerichtes auf Aufhebung seiner Unterbringung in der Psychiatrie verlas der Vorsitzende Richter Maier zu Beginn des fünften Verhandlungstages im Verfahren gegen den 40-jährigen.
Paranoid und narzisstisch
In seinem knapp zweistündigen Vortrag erstattete ein Psychiater nun sein aktuelles Gutachten zum Angeklagten. Der 40-Jährige leide unter einer schweren, ausgeprägten Alkoholabhängigkeit, zeige paranoide, narzisstische Züge sowie ein minderwertiges Selbstwerterleben und ein eindimensionales Selbstbild, bescheinigte der Gutachter dem Angeklagten, den er in vier Sitzungen selbst erlebte. Sperrig heißt es in Mediziner-Sprache „dissoziale Persönlichkeitsstörung“. Gemeint ist: Der Mann missachtet gesellschaftliche Werte. Ist unfähig aus Sanktionen zu lernen. Bagatellisiert seine Schuld. Außerdem mangele es dem angelernten Metzger an Empathie. Und: sein Frauenbild sei negativ ausgestaltet. Verlangsamte Denkabläufe stellte der Psychiater nicht fest, jedoch immer wieder massive Entladungen von Wut. „Affekte, die durch den Alkohol gebahnt werden“, sagte der Gutachter. Gewaltausübung gegenüber einer Frau, ausgelöst durch Frustration oder Zurückweisung, sei die Folge.
Was passiert ist: die Tat
Das könnte sich auch im aktuellen Fall so zugetragen haben: Das 39-jährige Opfer hatte sich laut den Ermittlungen mit ihm gegen die Zahlung von 850 Euro im vergangenen Juli zum Sex verabredet. Nach einvernehmlichem Geschlechtsverkehr wollte er die Frau offenbar mit der Faust penetrieren, sie lehnte ab, wehrte sich. Er soll sein Opfer daraufhin mit einem Handladekabel zu erdrosseln versucht haben. Als die Mutter sich in das Zimmer ihrer Kinder flüchtete und von dort einen Notruf absetzte, verletzte der Angeklagte die Frau mit mehr als 30 Stichen mit einer Haushaltsschere. Daraufhin habe sie ihm mehrere leere Bierflaschen auf den Kopf gehauen, sagte die als Nebenklägerin auftretende Frau zu Beginn des Verfahrens aus. Die vom psychiatrischen Sachverständigen gesehene Gefährlichkeitsprognose, die mit „sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu vergleichbaren Delikten führen“könnten, eine „fehlende Beeindruckbarkeit“und der fehlende innere Abtrieb für einen endgültigen Alkoholentzug lassen „nur noch das Prinzip Hoffnung“zu. Weder eine längere Haftstrafe noch sonstige Therapiemaßnahmen würden seiner Meinung nach zu einer positiven Persönlichkeitsentwicklung beitragen, sagte der gerichtlich bestellte Gutachter. Heute (Mittwoch) werden ab 12 Uhr in öffentlicher Sitzung der Staatsanwalt, der Nebenkläger wie auch die beiden Strafverteidiger ihre Plädoyers halten. Unter Umständen wird das Gericht noch am späten Nachmittag sein Urteil verkünden.