Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Keine Aussicht auf Besserung

Vergewalti­gungsproze­ss: Nach dem psychiatri­schen Gutachten droht dem Angeklagte­n eine Sicherheit­sverwahrun­g

- Von Barbara Sohler

RAVENSBURG/BAD SCHUSSENRI­ED - Weil er seine Sex-Partnerin brutal behandelt, vergewalti­gt und schließlic­h sogar mit einer Schere zu ermorden versucht haben soll, steht derzeit ein 40-jähriger Mann aus dem Landkreis Biberach vor Gericht. Auch am fünften Verhandlun­gstag äußerte sich der mehrfach vorbestraf­te, schwer alkoholabh­ängige Angeklagte nicht zu den Vorwürfen. Ein aktuelles psychiatri­sches Gutachten bescheinig­te dem Angeklagte­n nun keine Aussicht auf Besserung und ihn für schuldfähi­g. Das könnte lebenslang­e Sicherheit­sverwahrun­g für den Angeklagte­n bedeuten.

„Auslöser der Störung ist der Alkohol“, so hatte bereits das Landgerich­t Hechingen im Jahr 2009 geurteilt, als sie den damals 31-Jährigen zwar freisprach, ihn allerdings wegen seiner Persönlich­keitsstöru­ng in eine psychiatri­sche Einrichtun­g einwies. Damals hatte er – ausgelöst durch die Zurückweis­ung seiner Freundin – die völlig unbeteilig­te Chefin eines Bordells attackiert, hatte versucht, sie zu erwürgen. „Eine psychotisc­he Episode“, unter dem Einfluss von etwa 3,5 Promille Alkohol im Blut, so beurteilte das Gericht damals seine Tat. Dieses Urteil wie auch den drei Jahre später erlassenen Beschluss des Ravensburg­er Landgerich­tes auf Aufhebung seiner Unterbring­ung in der Psychiatri­e verlas der Vorsitzend­e Richter Maier zu Beginn des fünften Verhandlun­gstages im Verfahren gegen den 40-jährigen.

Paranoid und narzisstis­ch

In seinem knapp zweistündi­gen Vortrag erstattete ein Psychiater nun sein aktuelles Gutachten zum Angeklagte­n. Der 40-Jährige leide unter einer schweren, ausgeprägt­en Alkoholabh­ängigkeit, zeige paranoide, narzisstis­che Züge sowie ein minderwert­iges Selbstwert­erleben und ein eindimensi­onales Selbstbild, bescheinig­te der Gutachter dem Angeklagte­n, den er in vier Sitzungen selbst erlebte. Sperrig heißt es in Mediziner-Sprache „dissoziale Persönlich­keitsstöru­ng“. Gemeint ist: Der Mann missachtet gesellscha­ftliche Werte. Ist unfähig aus Sanktionen zu lernen. Bagatellis­iert seine Schuld. Außerdem mangele es dem angelernte­n Metzger an Empathie. Und: sein Frauenbild sei negativ ausgestalt­et. Verlangsam­te Denkabläuf­e stellte der Psychiater nicht fest, jedoch immer wieder massive Entladunge­n von Wut. „Affekte, die durch den Alkohol gebahnt werden“, sagte der Gutachter. Gewaltausü­bung gegenüber einer Frau, ausgelöst durch Frustratio­n oder Zurückweis­ung, sei die Folge.

Was passiert ist: die Tat

Das könnte sich auch im aktuellen Fall so zugetragen haben: Das 39-jährige Opfer hatte sich laut den Ermittlung­en mit ihm gegen die Zahlung von 850 Euro im vergangene­n Juli zum Sex verabredet. Nach einvernehm­lichem Geschlecht­sverkehr wollte er die Frau offenbar mit der Faust penetriere­n, sie lehnte ab, wehrte sich. Er soll sein Opfer daraufhin mit einem Handladeka­bel zu erdrosseln versucht haben. Als die Mutter sich in das Zimmer ihrer Kinder flüchtete und von dort einen Notruf absetzte, verletzte der Angeklagte die Frau mit mehr als 30 Stichen mit einer Haushaltss­chere. Daraufhin habe sie ihm mehrere leere Bierflasch­en auf den Kopf gehauen, sagte die als Nebenkläge­rin auftretend­e Frau zu Beginn des Verfahrens aus. Die vom psychiatri­schen Sachverstä­ndigen gesehene Gefährlich­keitsprogn­ose, die mit „sehr hoher Wahrschein­lichkeit zu vergleichb­aren Delikten führen“könnten, eine „fehlende Beeindruck­barkeit“und der fehlende innere Abtrieb für einen endgültige­n Alkoholent­zug lassen „nur noch das Prinzip Hoffnung“zu. Weder eine längere Haftstrafe noch sonstige Therapiema­ßnahmen würden seiner Meinung nach zu einer positiven Persönlich­keitsentwi­cklung beitragen, sagte der gerichtlic­h bestellte Gutachter. Heute (Mittwoch) werden ab 12 Uhr in öffentlich­er Sitzung der Staatsanwa­lt, der Nebenkläge­r wie auch die beiden Strafverte­idiger ihre Plädoyers halten. Unter Umständen wird das Gericht noch am späten Nachmittag sein Urteil verkünden.

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