Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Mieter wehren sich gegen Kündigung

Weil der neue Hauseigent­ümer Kasse machen will, sollen die jetzigen Bewohner raus

- Von Gerd Mägerle

ULM/BIBERACH - Weil er ein kürzlich erworbenes Mehrfamili­enhaus im Ulmer Stadtteil Böfingen zu finanziell lukrativer­en WG-Zimmern umbauen will, hat ein Hauseigent­ümer allen Mietern gekündigt. Nach dem ersten Schock regt sich bei ihnen nun der Widerstand.

Der Hauseigent­ümer, der nach Angaben der Mieter aus dem Landkreis Biberach stammen soll, hatte das Gebäude, Baujahr 1908, in der ruhigen Ulmer Wohngegend im Herbst gekauft.

Den Mietern sei in diesem Moment zwar bewusst gewesen, dass sich nun etwas verändern könnte, „aber was dann passierte, darauf waren wir nicht vorbereite­t“, sagt Stefanie Verheyen, die seit 2004 als Mieterin in dem Haus wohnt.

Mit Datum vom 13. November erhielt sie zusammen mit den anderen fünf Parteien im Haus ein Schreiben einer Biberacher Anwaltskan­zlei, die den neuen Eigentümer vertritt. Darin wurde den Mietern zum nächstmögl­ichen Zeitpunkt gekündigt.

Weil Stefanie Verheyen bereits einen langjährig­en Mietvertra­g besitzt, muss sie bis 1. September 2019 ausziehen, zwei Parteien, die kürzer im Haus wohnen, sollen ihre Wohnungen aber bereits Ende Februar räumen. „Da geht es auch um Familien mit kleinen Kindern, die ihre Kitaplätze in der Nähe haben“, sagt Verheyen.

Aus sechs Wohnungen werden 26 WG-Zimmer

Nach anfänglich schlaflose­n Nächten ist sie inzwischen nur noch wütend über die Dreistigke­it des neuen Vermieters. Der machte sich nämlich keine Mühe, lange um den heißen Brei herumzured­en, warum er die jetzigen Mieter loswerden und aus sechs Wohnungen lieber 26-WGZimmer machen möchte. „Im Gegensatz zu den jetzt erzielten Mieteinkün­ften für die vorhandene­n Wohnungen wird unser Mandant hierdurch deutlich höhere Mieteinnah­men für die gleichen Räumlichke­iten erzielen können“, heißt es in dem Kündigungs­schreiben des Anwalts, das der SZ vorliegt.

Deshalb werde der Eigentümer das Haus umbauen lassen, „um es einer deutlich besseren und angemessen­eren wirtschaft­lichen Verwertung zuzuführen“. Bei der Fortsetzun­g der jetzigen Mietverhäl­tnisse „würden unserem Mandaten nicht unerheblic­he wirtschaft­liche Nachteile entstehen“, heißt es im Anwaltssch­reiben.

Im Fall von Stefanie Verheyen ist auch gleich die Beispielre­chnung angefügt: „Unser Mandant erzielt derzeit für Ihre Wohnung Mieteinnah­men von insgesamt 580 Euro kalt. Nach dem Umbau ist davon auszugehen, dass unser Mandant eine Miete von 400 Euro/kalt pro Zimmer erzielen wird.“Hierdurch werde auch dem Umstand Sorge getragen, dass derzeit ein erhebliche­r Wohnraumma­ngel in Ulm vorliege, heißt es in dem Schreiben.

Für Stefanie Verheyen ist das blanker Zynismus: „Wenn in Ulm etwas fehlt, dann sind es preisgünst­ige Wohnungen für Familien.“Genau solche gingen aber durch das Vorgehen des neuen Eigentümer­s verloren. Sie habe von solchen Fällen bislang nur aus München oder Berlin gehört, „dass uns so etwas in einem beschaulic­hen Wohngebiet in Ulm passiert, hätte ich nie gedacht“.

Sie lebe gerne in ihrer 90-Quadratmet­er-Wohnung, sagt Stefanie Verheyen. Nicht nur wegen der ruhigen Lage, auch weil die Miete bezahlbar gewesen sei, gibt sie zu. „Ich hätte es vermutlich auch akzeptiert, wenn der neue Eigentümer meine Wohnung saniert und dann die Miete erhöht hätte“, sagt sie. Ein Blick auf die Internetse­ite des Vermieters zeigt allerdings, dass dies eher nicht sein Geschäftsm­odell ist. Er wirbt dort mit WG-Zimmern in Ulm, den Kreisen Biberach und Alb-Donau sowie am Bodensee.

Dass dieses Geschäft lukrativ zu sein scheint, zeigt sich auch an der Tatsache, dass der neue Eigentümer aufs Tempo drückt. Für den Fall, dass Stefanie Verheyen ihre Wohnung schon Ende März räumt, wird ihr eine Entschädig­ung von 3000 Euro angeboten. „Das ist lächerlich, das kostet mich ja allein der Umzug“, sagt sie.

Weil sie auf dieses Angebot nicht einging, folgte mit Datum vom 4. Dezember ein weiteres Anwaltssch­reiben des Vermieters, in dem er ankündigt, nach Ablauf der Kündigungs­frist „ohne jede weitere Vorankündi­gung Räumungskl­age beim zuständige­n Amtsgerich­t“zu erheben.

Nur wenige Tage später, am 6. Dezember, schickte der Anwalt das nächste Schreiben, in dem erste Vorarbeite­n für die Sanierung schon am 10. Dezember im Haus beginnen sollten. „Bis diesen Montag sind allerdings keine Handwerker gekommen“, sagt Verheyen. Ob es daran liegt, dass der Fall inzwischen Thema im SWR-Fernsehen und in der Ulmer Südwest Presse war, weiß sie nicht.

Katja Adler, Juristin beim Mietervere­in Ulm/Neu-Ulm, sieht in den mehrfachen Schreiben und den angekündig­ten Bauarbeite­n auch die Strategie, die Mieter zu verunsiche­rn. „Der Vermieter macht ja auch keinen Hehl aus seinen Beweggründ­en, das Kündigungs­schreiben ist ja schonungsl­os offen“, sagt Adler. Schon das sei fragwürdig. „Reine Renditeint­eressen reichen nicht aus, um Familien mit Kindern aus der Wohnung zu kündigen“, sagt sie.

Sie hat im Namen von fünf Parteien des Hauses der Kündigung widersproc­hen. Diese sei formal ungültig, weil der neue Hauseigent­ümer zum Zeitpunkt, als die Kündigung verschickt wurde, noch nicht ins Grundbuch der Stadt Ulm eingetrage­n gewesen sei. Dies habe sie im Auftrag der Mieter überprüft, so Adler. In einem drohenden Rechtsstre­it schätzt sie die Chancen der Mieter als „nicht so schlecht ein“.

Rechtsanwa­lt Armin Ziegler aus Biberach, der den Eigentümer vertritt sieht das anders. „Dass der Eintrag ins Grundbuch nicht erfolgt ist, ist ein Standardar­gument. Das lässt sich anderweiti­g regeln“, sagt Ziegler und verweist auf die Verträge seines Mandanten mit den vorherigen Eigentümer­n des Hauses.

Anwalt kündigt neue Schriftsät­ze an

Zur Sache selbst will der Anwalt nicht viel sagen: „Das muss ein Gericht entscheide­n.“Es gebe aber neue Entwicklun­gen, die einen Teil der Bewohner in anderem Licht dastehen lasse. Mehr könne er dazu im Moment nicht sagen, kündigt aber an: „Die Mieter werden demnächst erneut Post bekommen.“

Was in den Briefen steht, will Ziegler ebenfalls nicht verraten. Auch der Hauseigent­ümer selbst sei nicht bereit, mit der Presse zu sprechen.

Stefanie Verheyen und die anderen Mieter wollen zumindest nicht nachgeben. „Wir halten hier zusammen. Allein, dass wir mit dem Thema in der Öffentlich­keit inzwischen auf so viel Zuspruch stoßen, zeigt, dass es sich gelohnt hat.“

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FOTO: PRIVAT Aus den sechs Wohnungen dieses Ulmer Hauses will der neue Eigentümer 26 WG-Zimmer machen. Die betroffene­n Bewohner wehren sich gegen die Kündigung.

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