Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Eine Frage der Menge – und der Verteilung

Was sich bei der Vergabe des Impfstoffs in Deutschlan­d geändert hat

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RAVENSBURG (ume) - 15,7 Millionen Dosen Impfstoff standen in diesem Jahr in Deutschlan­d bereit, berichtet Susanne Stöcker vom Paul-EhrlichIns­titut, der zuständige­n Bundesbehö­rde im hessischen Langen. Das seien eine Million Dosen mehr gewesen als im Vorjahr – und damals habe man nach dem Ende der Grippesais­on drei Millionen ungenutzte Impfdosen vernichten müssen.

Die Nachfrage ist also in diesem Herbst sprunghaft angestiege­n. Warum, das kann Stöcker genauso wenig erklären wie die Interessen­verbände der Apotheker oder der Kassenärzt­e. Es gab zwar Kampagnen, in denen zur Impfung aufgerufen wird. Die gab es in den vergangene­n Jahren aber auch immer wieder.

Für das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium handelt es sich in erster Linie um ein „Verteilung­sproblem“, wie ein Sprecher von Minister Jens Spahn (CDU) betont. Schließlic­h sei zunächst nicht das ganze Bundesgebi­et gleicherma­ßen betroffen gewesen. Teilweise habe es auch zu Beginn der Saison eine „Überbevorr­atung“bei den Ärzten gegeben.

Liefervert­räge abgeschaff­t

Allerdings haben sich auch die gesetzlich­en Rahmenbedi­ngungen bei der Beschaffun­g von Impfstoffe­n geändert, darauf haben die Kassenärzt­liche Vereinigun­g Baden-Württember­g (KVBW), die Krankenkas­se AOK und der Landesapot­hekerverba­nd in einer gemeinsame­n Stellungna­hme Anfang des Monats hingewiese­n. Sie beziehen sich auf die kürzlich erfolgte Abschaffun­g der Liefervert­räge der Kassen für Impfstoffe. Vor dieser Änderung hatte die AOK die Lieferung von Impfstoffe­n ausgeschri­eben, die Impfstoffe dann an Ärzte verteilt, die sie dann direkt in der Praxis an ihre Patienten abgeben können. Das sorgte für Planungssi­cherheit. Nun ist die direkte Abgabe nur noch für Risikopati­enten wie Senioren und Schwangere möglich. Andere Menschen, die an einer Impfung interessie­rt sind, müssen sich vom Hausarzt ein Rezept geben lassen und den Impfstoff bei der Apotheke abholen. „An die Stelle der Planungssi­cherheit ist offensicht­lich die Sorge um Überkapazi­tät getreten“, kritisiere­n die Verbände und die AOK.

Hinzu kommt: Apotheken und Ärzte erhalten die Impfstoffe unterschie­dlich verpackt. Ärzte bekommen so genannte Zehnergebi­nde – Packungen mit Impfdosen, die für zehn Patienten reichen. Apotheken dürfen nur Einzeldose­n abgeben. „Die Frage ist, ob wir die richtige Verteilung von Einfach- und Zehnfach-Dosen hatten“, sagt KVBWSprech­er Kai Sonntag. Offenbar nicht: Die Einzeldose­n waren besonders schnell vergriffen.

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